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Niko Rittenau ändert Position zu veganer Ernährung - was sind die Folgen?

Niko Rittenau ändert seine Haltung zu veganer Ernährung - rät er jetzt davon ab?
Niko Rittenau ändert seine Haltung zu veganer Ernährung - rät er jetzt davon ab? Bild: Screenshot / Andrey / Adobe Stock

Der Ernährungsexperte, Bestseller-Autor und Influencer Niko Rittenau hat seine Position gegenüber veganer Ernährung geändert. Das hat er in einem neuen Video auf Youtube mitgeteilt.

Update: Hier findet ihr einen kritischen Kommentar, der sich mit zentralen Aussagen von Rittenau auseinandersetzt.

Was für eine Nachricht! Teile der Vegan-Szene sind alarmiert. Erste Gerüchte machen die Runde, denen zufolge Rittenau aus populistischen Gründen die vegane Ernährung verraten habe. Noch mehr Kohle durch Mainstream, so der Verdacht!

Doch im Ernst: Kann es sein, dass einer der bekanntesten Vegan-Autoren in Deutschland plötzlich nicht mehr voll und ganz hinter veganer Ernährung steht?

Stürzt jetzt das vegane Weltbild in sich zusammen, unter dem schadenfrohen Applaus geifernder Metzgerhorden, die es schon immer gewusst haben wollen?

In Wahrheit ist die Botschaft halb so wild. Oder sogar ziemlich harmlos.

Denn Rittenau behauptet nicht etwa, dass vegane Ernährung Unsinn wäre. Im Wesentlichen sagt er, dass es Situationen gibt, in denen sie nicht für alle Menschen in allen Situationen optimal ist.

Und ganz im Ernst: Haben wir das nicht eh schon gewusst?

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Die Nonsense-Debatten über Veganer auf einer einsamer Insel mit Hund - wer isst wen? - sind den meisten Veganern wohl gut bekannt. Natürlich gibt es Ausnahmen.

Es gibt einfach Situationen, in denen veganes Leben nicht 100% klappt. Und zwar nicht nur bei Burger King oder Omas Geburtstag, sondern im Einzelfall sogar aus gesundheitlichen Gründen. Muss man nicht gut finden, kann man aber auch nicht ändern, wenn es denn so ist.

Und so litt Katharina, die Lebensgefährtin von Niko Rittenau, nach einigen Jahren veganer Ernährung offenbar an diffusen Symptomen wie Orientierungsstörungen, Sprachaussetzern und Gehproblemen. Im Video erzählt sie davon im Detail.

Dramatische Geschichte! Aber zugleich eine Herausforderung für den Ernährungswissenschaftler Rittenau.

Das Paar recherchierte, supplementierte, ließ etliche medizinische Tests durchführen - doch nichts half. Bis Rittenau auf die Idee mit der Arachidonsäure kam. Und mit den Hühnereiern.

Bei Arachidonsäure handelt es sich um einen Stoff, der fast nur in Tierprodukten vorkommt und in hohen Mengen rheumatische Erkrankungen begünstigen kann. Vielen Rheuma-Betroffenen wird daher empfohlen, Tierprodukte zu verringern oder ganz zu meiden.

Normalerweise wird Arachidonsäure vom menschlichen Körper in ausreichender Menge gebildet. Auch bei veganer Ernährung. Doch es scheint Menschen zu geben, bei denen dies nicht der Fall ist. Katharina könnte so ein Fall sein. So lautet zumindest der Verdacht, für den eine wissenschaftliche Bestätigung noch aussteht.

So aß die junge Frau dann widerwillig zwei Eier am Tag. Und das, obwohl sie sich als Tierrechtlerin eigentlich gegen Tierhaltung engagiert.

Minderverwertung von Arachidonsäure - alles nur ein Einzelfall?

Doch was, wenn das einer dieser Einzelfälle ist, vor denen Wissenschaftler eigentlich warnen? Fälle, die keine allgemeine Aussage zulassen? Was, wenn die "Heilung" auf einem Placeboeffekt basiert?

Oder wenn hier der "Confirmation Bias" zugeschlagen hat, bei dem man unachtsam wird, auf der Suche nach Bestätigung für eine spannende Theorie?

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Auch neurologische oder psychische Erkrankungen könnten schließlich zu neurologischen Ausfällen führen oder diese verstärken. Es könnten sogar mehrere Faktoren beteiligt sein.

Auf Anfrage antwortete Rittenau, dass auch neurologische Untersuchungen durchgeführt worden seien - jedoch ohne Befund.

Laut dem Video soll sich der Zustand von Katharina nach mehreren Wochen ihrer unfreiwillig vegetarischen Ernährung gebessert haben. Ihr gesundheitlicher Zustand ist wohl nicht perfekt, aber doch deutlich besser als zuvor, sagt sie im Video.

Das stärkt den Verdacht, dass es sowas tatsächlich gibt: Menschen, die bestimmte Tierprodukte brauchen. Auch, wenn es noch lange kein wissenschaftlicher Beweis ist.

Wie gerechtfertigt ist die Aufregung um Niko Rittenaus geänderte Position zur veganen Ernährung also wirklich?

Scheint halb so wild. Jedenfalls wenn man eine entspannte vegane Ernährung nach dem Pareto-Prinzip als Ideal ansieht, bei der Tierprodukte gemieden werden, so gut es im Alltag ohne übertriebenen Aufwand möglich ist. Siehe auch: Vegan nach dem Pareto-Prinzip.

Denn klar, wenn eine vegane Ernährung "ohne übertriebenem Aufwand" im Alltag nicht perfekt funktioniert (und neurologische Störungen würden wir als "übertriebener Aufwand" definieren), dann klappt's halt nicht perfekt. Dann muss man Ausnahmen machen, bis man eine Lösung gefunden hat.

Möglich, dass in Zukunft Präparate entwickelt werden, mit denen die sogenannten "Minderkonvertierer" ihren Bedarf an Arachidonsäure auch vegan decken können. Vielleicht aber auch nicht.

Die Befürchtungen von Teilen der Vegan-Szene, dass etliche Mitstreiter nun jedes Kopfjucken als Symptom einer Minderkonvertierung von Arachidonsäure deuten und schlagartig wieder Tierprodukte essen, ist indes absurd.

Auch Rittenau und seine Lebensgefährtin Katharina bestärken weiterhin Menschen, die vegan leben wollen. Schon aus Gründen von Klimaschutz und Tierrechten.

Wir wünschen jedenfalls gute Besserung - und sind gespannt, wie lange es dauert, bis es vegane Präparate gibt, die auch motivierten Minderkonvertierern helfen, trotzdem vegan leben zu können. Falls es wirklich daran lag.

Update: Der Artikel wurde am 13.9.2023 überarbeitet. Vormals wurde hier behauptet, dass Rittenau eine vegane Ernährung auch aus gesundheitlichen Gründen empfehlen würde. Die Passage hat er in einer Reaktion auf Youtube zurückgewiesen.

Veröffentlichung:

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Berechtigt? Niko Rittenau ändert Position zu veganer Ernährung!
Letzter Beitrag: 05. Apr., von Vegbudsd.

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4,4/5 Sterne (155 Bew.)
AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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