Warum Fleischesser Veganismus ablehnen
Fast eine Millionen Menschen leben in Deutschland inzwischen vegan. Der Umstieg zur veganen Lebensweise ist für Viele inzwischen ein Statement für mehr Gesundheit, Nachhaltigkeit und Fairness. Und es werden immer mehr Veganer, denn die Argumente sind einleuchtend. In absoluten Zahlen betrachtet, nehmen die Veganer in der Bevölkerung jedoch immer noch einen sehr kleinen Platz ein. Gerade einmal 1-2 Prozent leben Schätzungen zufolge in Deutschland vegan.
Hier auf Vegpool hatten wir schon öfter die Hintergründe des Fleischverzehrs angesprochen. Der wichtigste Grund Fleisch zu essen, ist so einfach wie tragisch: Menschen essen aus Angewohnheit Fleisch. Mit all den Folgen für Gesundheit, Umwelt und Tiere. Als "Gewohnheitstiere" neigen wir Menschen dazu, erlernte Verhaltensweise pseudo-rational zu verargumentieren. Die meisten Menschen in Deutschland bekamen schon als Kleinkind Fleisch - und glauben (oder reden sich ein), dass es sich um eine bewusste, sorgfältig überlegte Entscheidung handeln würde, auch weiterhin Fleisch zu essen.
Es ist aber keine gute Voraussetzung für eine objektive Entscheidung, wenn zwei Optionen zur Wahl stehen, von denen die eine den gegenwärtigen Angewohnheiten entspricht und die andere eine (gewisse, mehrwöchige) thematische Auseinandersetzung (und etwas Selbstbewusstsein im sozialen Umfeld) verlangt. Wäre Veganismus die Lebensweise mit der größten Verbreitung, sähe es natürlich anders aus. Dann müsste man sich erst an das Fleischessen gewöhnen - sofern es dafür überhaupt einen Grund geben würde. Tatsächlich haben die allerwenigsten Menschen in Deutschland je eine möglichst objektive Entscheidung für Fleisch getroffen.
Suche nach Gegenargumenten ist keine Entscheidung
Gewiss, die meisten Fleischesser glauben ja, sich zu jedem Frühstück zu entscheiden, was sie auf ihr Brötchen legen. Doch das, was Fleischesser als "Entscheidung" wahrnehmen, ist eine kurze Überlegung, wie es wohl wäre, kein Fleisch zu essen. Eine Gedanken-Schleife, in der innerhalb von Sekunden nach Gegenargumenten gesucht wird, die dazu dienen, den Fleischverzehr zu rechtfertigen - und den Angewohnheiten weiterhin ohne Gewissensbisse zu frönen. Wenn man sich bei der Wahl der Farbe seines Autos entscheiden müsste, würde man wohl länger nachdenken.
Beispiele (aus einer endlosen Liste an Klassikern):
- Fleischalternativen sind ja auch albern
- Ich lasse die Tiere ja nicht töten und für Fehler anderer Menschen kann ich nichts
- Menschen haben immer schon Fleisch gegessen
- ...
All das sind offenkundige Ausflüchte, die auch viele Veganer noch aus ihrer vor-veganen Zeit kennen. Denn natürlich sind die wenigsten Menschen "sofort" vegan geworden.
- Fleischalternativen helfen beim Umstieg, da man so ohne Umgewöhnung vegan essen kann
- Man bezahlt dafür, sich die Hände nicht selbst schmutzig machen zu müssen und nimmt eine grauenvolle Behandlung von Tieren in Kauf, die man aus gutem Grund und als Mitglied einer "humanen" Gesellschaft selbst nie praktizieren würde.
- Menschen haben sich immer weiterentwickelt und viele Dinge aufgegeben, darunter die Versklavung anderer Menschen.
Wer nur nach Gegenargumenten sucht, verliert die echten, offensichtlichen Gründe aus dem Blick. Die Qualen der Tiere in der Massenproduktion. Die Auswirkungen der Tierhaltungen auf das Klima, die brisanter sind, als die des gesamten Verkehrssektors weltweit. Und eben auch die Auswirkungen auf die eigene Gesundheit und Lebensqualität, angefangen bei Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Krebs.
Klischees und Vorurteile stützen die eigenen Gewohnheiten
Da sich viele Veganer tagtäglich mit den "Gegenargumenten" von Fleischessern konfrontiert sehen, die sie sich selbst schon beantwortet haben (daher leben sie ja vegan), führt die Diskussion mit Veganern manchmal auch zu Missverständnissen und Konfrontationen. Man hält zusammen, grenzt sich von den "radikalen Veganern" ab. So entstehen Konflikte, die bis in den engsten Freundeskreis reichen können. Auch das erleichtert es Fleischessern, Veganismus pauschal abzulehnen und sich auf den (argumentativ nicht allzu überzeugenden) Status Quo zu berufen. Darauf, dass es eben "normal" und "unradikal" ist, Fleisch zu essen.
Wer Veganismus als Ideologie einer homogenen Szene versteht, kann die Lebensweise leichter diskreditieren. "Die Veganer sind halt komisch". Viele Fleischesser suchen daher regelrecht nach "extremen" Veganern, die durch ihre Radikalität das eigene Selbstbild als "liberaler Fleischesser" bestätigen. Das Lästern über Veganer - gerne auch in deren Anwesenheit - stärkt dieses Gefühl, normal zu sein, ohne dass hierzu kritische Selbstreflektion oder Argumente erforderlich wären.
Veganismus ist eine vielfältige Lebensweise
Tatsächlich ist Veganismus eine sehr vielfältige Lebenseinstellung. Es gibt radikale, politisch orientierte Veganer, liberale Veganer, reiche und arme Veganer. Es gibt Veganer, die ihre Lebensweise anderen Leuten aufdrängen und solche, die sich komplett abschotten. Viele Veganer leben vegan, weil es ein Zeichen für Selbstbewusstsein und vielleicht auch Abgrenzung ist. Manche Veganer lieben Tiere, andere wollen lieber ihrer Gesundheit oder der Umwelt etwas Gutes tun, wiederum andere leben gar nicht konsequent vegan, sondern nur zu Hause oder bis auf ein paar Ausnahmen.
Es gibt natürlich Tendenzen (zum Beispiel sind Veganer in der Regel höher gebildet und neigen zu weniger sozialen Vorurteilen), doch Verallgemeinerungen fördern bloß Klischees. Und Klischees dienen auch wieder darum, Argumente zu vermeiden. Auch deshalb sind Veganer-Klischees so verbreitet.
Daraus entsteht manchmal auch Unmut bei den Veganern. Denn während sich manch ein Fleischesser im Gefühl sozialer "Normalität" suhlt, hat manch ein Veganer das Gefühl, dass Teile der Realität schlicht ausgeblendet würden. Als lebten Fleischesser in einer Art Parallelwelt, in der gute Argumente schlicht unangebracht wären und sozial geahndet würden.
Wie ernährst du dich?
Es gibt Hinweise, dass die Welt keine Scheibe ist
Trotz der derzeitigen, medialen Präsenz der veganen Lebensweise, ignorieren weiterhin die meisten Menschen in Deutschland die guten, triftigen Gründe für eine vegane Lebensweise. Fleischesser ignorieren nicht nur das offenkundige Leid der Tiere und die längst bekannten Auswirkungen auf Urwälder, Gewässer und Böden. Sie verdrängen auch das inzwischen gut belegte (auch von der WHO bestätigte) Darmkrebs-Risiko, das mit dem Verzehr von Fleischprodukten erhöht wird (und die vielen weiteren gesundheitlichen Nachteile des Fleischverzehrs). Der Fleischverzehr aus Normalität dient schlicht dazu, in Gesellschaft nicht aufzufallen. Aus reiner Angewohnheit.
Ist das die Risiken wert?
Wenn Fleischesser erkennen würden, dass Veganismus allein eine Lebensentscheidung aus guten, rational verständlichen Gründen ist... dass Veganer auch deshalb manchmal so "komisch" wirken, weil man das fürs eigene Weltbild benötigt und nach solchen Exemplaren sucht... dass man sich letztendlich mit dem Fleischverzehr selbst schadet und niemandem Rechenschaft schuldig ist, außer sich selbst...
...dann wäre schon eine gute Grundlage geschaffen, sich einmal wirklich und nachhaltig mit den Hintergründen der veganen Lebensweise zu beschäftigen.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig