Milchkälbchen: 12 Fakten, die ihr nicht kennen sollt!
Milchkälbchen gehören zur Milchindustrie dazu. Mit ihren großen Augen verzücken sie mich jedes Mal, wenn ich einen Milchbetrieb besuche.
Doch über das Schicksal der "Trauerkälbchen" ist wenig bekannt. Die wenigsten Menschen wissen, dass nur ein Bruchteil der Kälbchen das Erwachsenenalter erreicht. Die meisten sterben im Kindesalter.
Deshalb haben wir 12 Fakten über Milchkälbchen gesammelt, die man kennen sollte. Nur so kann man fundierte Entscheidungen treffen, die den eigenen Werten gerecht werden.
- Themen im Artikel [Inhaltsverzeichnis]
- → #1: Was sind Milchkälber überhaupt?
- → #2: Wozu werden Milchkälber genutzt?
- → #3: Könnte der Milchwirt wenigstens die weiblichen Milchkälber behalten?
- → #4: Landen Bio-Kälber in konventioneller Mast?
- → #5: Ist mutter- oder ammengebundene Aufzucht eine gute Alternative?
- → #6: Was bedeutet die Trennung von der Mutter für das Kalb?
- → #7: Werden die Milchkälber für Milch getötet?
- → #8: Werden Milchkälber eigentlich enthornt?
- → #9: Werden männliche Milchkälber kastriert?
- → #10: Warum trinken Milchkälber so gierig aus dem Eimer?
- → #11: Frieren Kälbchen im Winter in den Kälberiglus?
- → #12: Wollen Milchwirte den Tieren das antun?
#1: Was sind Milchkälber überhaupt?
Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie ein Junges zur Welt bringen. Wie bei menschlichen Müttern. Um den Milchfluss aufrechtzuerhalten, wird sie jährlich künstlich befruchtet oder von einem Bullen gedeckt. Die Geburt des Kalbes löst die "Laktation" aus. Das Kalb selbst ist ein Nebenprodukt: ein "Milchkälbchen". → Hier mehr Hintergründe!
#2: Wozu werden Milchkälber genutzt?
Ungefähr 50 % der Tiere sind männlich und geben von Natur aus keine Milch. Diese Tiere werden gemästet. Von den weiblichen Tieren kommt ein Teil in die Mast und ein Teil wird genutzt, um Mutterkühe zu ersetzen, die im Alter von ca. 6 Jahren ihrerseits zum Schlachthof kommen. Tierhalter sprechen von "Remontierung" (Link zu Artikel über Fachbegriffe der Milchindustrie).
#3: Könnte der Milchwirt wenigstens die weiblichen Milchkälber behalten?
Nein, wegen der vielen Kälber würde sich die Größe der Herde nach wenigen Jahren verdoppeln. Dazu kommt, dass Milchkühe häufig gezielt mit Fleischrassen gekreuzt werden, damit die Kälbchen mehr Fleisch ansetzen (Verkaufspreis!). Wegen ihrer Genetik würden sie daher kaum Milch produzieren.
#4: Landen Bio-Kälber in konventioneller Mast?
Auch auf Bio-Höfen kommen Milchkälbchen zur Welt. Der Markt für Bio-Milch ist indes sehr viel größer als für Bio-Kalbfleisch. Bio-Tierhalter verkaufen daher Kälber auch an konventionelle Züchter und Exporteure. TV-Reporter haben Bio-Kälber bis in den Nahen Osten verfolgt, wo sie ohne Betäubung geschächtet wurden.
#5: Ist mutter- oder ammengebundene Aufzucht eine gute Alternative?
Eine solche Haltungsform kommt selten vor. Sie ermöglicht es Mutter und Kalb, eine Bindung aufzubauen. Die Tiere werden allerdings dennoch geschlachtet – nur später. Ohne Schlachtung würden die Herden schnell ihre Größe verdoppeln.
#6: Was bedeutet die Trennung von der Mutter für das Kalb?
Kalb und Mutter vertiefen nach der Geburt ihre Beziehung. Dem Kalb gibt dies ein Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit. Es erlernt grundlegende Verhaltensweisen und erste soziale Fähigkeiten. Eine frühzeitige Trennung von der Mutter löst oft Angst aus. Auch Verhaltensstörungen sind nach frühzeitiger Trennung häufig. Sie drücken sich unter anderem durch Stress oder stereotype Bewegungsmuster aus. (Aus dem Grund bezeichnen wir die Milchkälbchen auch als "Trauerkälbchen").
#7: Werden die Milchkälber für Milch getötet?
Zu manchen Zeiten zahlen Kälbermäster so wenig Geld für die Kälbchen, dass die Milchwirte damit nicht einmal die Kosten fürs Futter decken können. Trotzdem werden die Kühe weiter befruchtet. Das zeigt die Hauptmotivation: Die Kälbchen halten den Milchfluss der Mutterkühe in Gang. Würden Milchwirte ihre Kälber nicht töten lassen, würde sich die Herde fast jährlich verdoppeln. → Deshalb werden für Milch Tiere getötet.
#8: Werden Milchkälber eigentlich enthornt?
Ja, in der Regel schon. Dabei werden die "Hornknospen" mit einem Brenneisen (ähnlich wie ein großer Lötkolben) verödet und ausgebrannt. Bei Kälbchen unter 6 Wochen darf der Bauer die Enthornung selbst vornehmen. Er muss dafür Schmerzmittel geben und das Tier sedieren. Ob er dies tut, wird indes nicht kontrolliert. Berichte über illegale Enthornungen häufen sich.
#9: Werden männliche Milchkälber kastriert?
Häufig schon. Es hängt von der geplanten Nutzung und vom Betrieb ab. Werden die Tiere im Schnelldurchgang gemästet ("Intensivmast"), dann werden sie vor Erreichen der Geschlechtsreife geschlachtet. In dem Fall wird teilweise auf die Kastration verzichtet.
Die Kastration erfolgt oft chirurgisch (mit örtlicher Betäubung und Sedierung, jedoch nicht unter Vollnarkose), oder mit einem Gummiring, der um den Hodensack gelegt wird, um die Blutversorgung zu unterbrechen. Dadurch sterben die Hoden nach einigen Tagen ab. Beide Verfahren gelten als schmerzhaft.
#10: Warum trinken Milchkälber so gierig aus dem Eimer?
Milchkälbchen werden vom Tierhalter üblicherweise in Kälberiglus (oft einzeln) oder separate Kälberställe gebracht und erhalten Milch aus einem Eimer. Während ein Kalb normalerweise bis zu 12 Mal am Tag bei seiner Mutter saugt, bekommt es in der Industrie mitunter nur ein oder zwei Portionen Milch am Tag. Die Tiere sind bei der Fütterung daher sehr hungrig. Tierschützer sagen, dass das die Verdauung stört und das Kalb unter Stress setzt.
#11: Frieren Kälbchen im Winter in den Kälberiglus?
Erwachsene Rinder kommen mit niedrigen Temperaturen gut zurecht. Kälbchen benötigen indes Temperaturen ab ca. 15 Grad. Ist es kälter, kann das "Kältestress" auslösen (Agrar-Jargon).
#12: Wollen Milchwirte den Tieren das antun?
Nach unseren Erfahrungen ist es vielen Milchbauern unangenehm, über diese Themen zu sprechen. Debatten im Internet zeigen, dass der Umgang mit den Milchkälbchen zumindest in einzelnen Teilen der Branche umstritten ist. Gleichwohl wird es häufig als alternativlos dargestellt. Verbraucher wollen schließlich Milch kaufen.
Andererseits fehlt aus unserer Sicht eine sachliche Debatte über diese Hintergründe. Wenn Verbraucher sie nicht kennen, können sie schließlich auch keine fundierten Entscheidungen treffen.
Wusstet ihr, dass Menschen keine Milch von Kühen benötigen? 22 gute Gründe, Milch ab heute pflanzlich zu ersetzen!
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig