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Diese Tricks habe ich als Fleischesser genutzt, um Tierquälerei zu verdrängen!

Kühe mochte ich schon immer - mir war bloß nicht klar, dass es das "Kuh-Krankenhaus" gar nicht gibt, in dem die alten Kühe verschwanden... Bild: Andreas / Adobe Stock

Schon als Kind war ich ein großer Tierfreund. Und ich habe gerne Fleisch gegessen. Mit 14 Jahren bin ich Vegetarier geworden. Der Grund: Ich hatte mich selbst beim Verdrängen ertappt.

Im Nachhinein muss ich darüber lachen. Ich war schon ein kleiner Heuchler, wenn es darum ging, mein Gewissen zu schonen!

Seitdem habe ich gelernt, dass wir Menschen einfach dazu neigen, uns selbst und unserem Umfeld etwas vorzumachen. Wir sind sogar so gut darin, dass wir es mitunter nicht einmal bemerken. Ich bin da nicht ausgenommen.

Unser Ziel dabei: Der Eindruck, ein gerechter, anerkannter Mensch zu sein, der von seinem Umfeld respektiert wird.

Psychologen beschäftigen sich seit vielen Jahren mit diesem Phänomen und haben sogar evolutionäre Begründungen dafür. Mehr dazu siehe unten!

Hier stelle ich euch eine Auswahl meiner damaligen Methoden der Verdrängung vor!

Grundlagen des Verdrängens

Als kleines Kind konnte ich die Zusammenhänge zwischen Tierprodukten und Tierhaltung nicht begreifen. Doch mit vielleicht 12 Jahren wurde ich nachdenklicher, wenn z. B. im Radio ein Bericht über Tierquälerei kam.

Es ist mir mehrere Jahre lang "gelungen", erschüttert über diese Meldungen über Tierquälerei zu sein, und trotzdem weiter Fleisch zu essen.

Welche gedanklichen Tricks ich verwendet hatte, zeigen die folgenden Beispiele!


Methode 1: Die Ausnahme!
Hoffentlich wird der Tierquäler bestraft. So etwas darf es nicht geben! Aber klar ist auch, dass das nur eine Ausnahme war. Die meisten sind nicht so. Die meisten sind anständig und genauso tierlieb wie ich. Als Kind war ich ja oft auf einem Milchbauernhof. Der Bauer war herzensgut zu uns Kids. So ein netter Mensch kann Tiere nicht quälen. Und wenn er sie tötet, dann muss das ganz klar ohne Qualen erfolgen. Wie auch immer …

In Wahrheit wusste nicht, was normale Umstände in der Schweinemast sind und was das im Detail für die Tiere bedeutet. Ich hatte nur ein paar Bilder von Schweinen im Stroh vor Augen und wusste, was für lustige Tiere Ferkel sind. Aus diesen Vorlagen konstruierte ich mir eine heile Welt, in der es keine Tiertransporte, keine Kastration und keine 30 % Fehlbetäubungen gibt.

Methode 2: Die Schuldfrage.
Nicht ich habe das Tier getötet, sondern jemand anders. Und was der macht, kann ja nun nicht meine Verantwortung sein!

Diese Methode hat bei mir nicht lange funktioniert. Mir dämmerte schnell, dass ich am Ende doch den Auftrag zum Töten gab, indem ich das Produkt kaufte (genauer: meine Eltern darum anbettelte).

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Methode 3: Ich habe es nicht gewusst.
Woher hätte ich denn wissen sollen, dass Tiere so gehalten werden? Dass man so mit Tieren umgeht? Dass Tiere tatsächlich sterben, wenn sie im Schlachthof sind. Mir hat es niemand gesagt! Ich bin hier eher das Opfer, weil ich getäuscht wurde!

Methode 4: Zweckpragmatismus.
Ja, Tiere sollten nur artgerecht getötet werden. Das geht ganz schnell, zack, und schon ist es vorbei. Das sind geschulte Leute, die das machen. Am besten denke ich nicht genauer darüber nach, denn warum sollte ich mich quälen? Ich hoffe aufrichtig, dass das Tier ein gutes Leben hatte.

Methode 5: Auch nette Menschen essen Fleisch!
Wenn ich ein schlechtes Gefühl habe, dann denke ich daran, dass meine Freunde auch nette Menschen sind und dass keineswegs nur böse Menschen Fleisch essen. Ich esse ja auch kein Fleisch, weil ich ein Tier quälen möchte. Ich bin kein Tierquäler. Mir ist wichtig, dass es Tieren gut geht!

Die Methode der Gesinnungs-Ethik hat bei mir einigermaßen zuverlässig funktioniert. Wenn mir klar war, dass ich keine bösen Gedanken gegen das Tier hatte, dann konnte ich ja auch kein schlechter Mensch sein. Hier ging es am Ende um meine eigene Perspektive und die "Reinheit" der Gedanken.

Methode 6: Sogar Jesus aß Fisch!
Als Kind einer christlichen Familie wusste ich, dass Jesus laut Bibel seinen Jüngern Fisch gegeben hatte. Und wenn Jesus das getan hat, dann muss er wohl ein gutes Argument gehabt haben. Mein Vater war praktischerweise Pfarrer, und trotzdem hat mir seine Antwort nicht dauerhaft geholfen.

Diese Methode der Verdrängung hat mir nicht sehr geholfen. Jesus hatte vielleicht Superkräfte und hat die Fisch-Seelen direkt in den Himmel geschickt. Diese Kräfte habe ich aber nicht. Damit war das Argument gestorben.

Methode 7: Jeder hat ein Laster!
Ich möchte ein guter Mensch sein, aber jeder hat ein Laster. Die freundlichsten Menschen rauchen z. B. Zigaretten. Vielleicht ist mein Laster, Fleisch zu essen. Etwas, das man nicht tun sollte, aber gegen das man sich auch nicht wehren kann. Vielleicht bin ich dann einfach besonders gut zu meinen Kaninchen!


Diese ausgewählten Methoden der Verdrängung zeigen: Es ging mir gar nicht darum, die Realität zu erkennen. Ich habe einfach einen Ausweg gesucht, der mich vor meinen Gewissensbissen rettet und meine Gewohnheiten rechtfertigt.

Auf die Idee, kein Fleisch zu essen, bin ich zunächst gar nicht gekommen.

Trotzdem habe ich irgendwann bemerkt, dass ich verdränge. Mir wurde deutlich, dass ich eigentlich nur nach Ausreden suche, um mich besser zu fühlen. Dass am Ende die Tiere aber trotzdem leiden müssen.

Erst viele Jahre später habe ich begonnen, mich vertieft mit diesem Phänomen der menschlichen Selbsttäuschung zu beschäftigen.

Selbsttäuschung stärkt das Weltbild und die Reputation

Der Sozialpsychologe Jonathan Haidt schreibt in seinem Buch "The Rightful Mind", dass wir Menschen zu diesen Denkmustern der Verdrängung neigen. Wir wägen nicht etwa gute Argumente gegeneinander ab, sondern suchen nach einem vagen Gefühl, das unser Weltbild bestätigt.

Wir fragen uns "kann ich das glauben?" - und wenn es uns intuitiv plausibel erscheint, sind wir zufrieden. Aber wir setzen keine hohen Standards – das Bauchgefühl genügt.

Wenn wir unseren Hang zu Heuchelei und Verdrängung überwinden wollen, dann sollten wir bewusst fragen: Muss ich das glauben? Und dann gezielt nach Faktoren suchen, die so gar nicht zu unserem Bauchgefühl passen. Ein unbequemer Weg, der uns aber am Ende mehr Klarheit bringt.

Besonders hilfreich: Der Austausch mit Menschen, die vollkommen andere Sichtweisen haben. Deshalb hatte ich mich im Herbst 2023 mit einem Milchbauern auf seinem Hof ausgetauscht.

Früher habe ich Fleisch gegessen, heute bin ich Veganer. Ich hatte mich selbst beim Heucheln ertappt, und eingesehen, dass ich mir eine Menge schöngeredet habe.

Je länger ich mich mit den Denkmustern beschäftige, desto deutlicher wird mir, dass es keinen Grund für Überheblichkeit gibt – aber gute Gründe, darüber zu sprechen. Denn Selbsttäuschung betrifft zuerst uns selbst. Und sie hat reale Folgen, die wir irgendwann nicht mehr verdrängen können.

Wir ticken unbewusst zwar so – aber wir können es reflektieren und bewusster handeln.

Veröffentlichung:

Autor: Kilian Dreißig

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