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Mythos "Grünland-Veredelung": Milchkühe verhungern ohne Kraftfutter!

Diese glücklich aussehenden Milchkühe würden ohne Kraftfutter binnen Wochen verhungern. Bild: Michael / Adobe Stock

Gut gelaunte Kühe in saftigem Gras. Dahinter ein prächtiges Alpenpanorama. Solche Bilder liebt die Milchindustrie!

Marketing-Verantwortliche in den Molkereien schwärmen gerne von "Kreisläufen", in denen Kühe Gras zu Nahrungsmitteln umwandeln und es so für Menschen nutzbar machen.

Doch diese Geschichte ist nicht vollständig. Ihr fehlt der Teil, dass moderne Milchrassen auf Kraftfutter angewiesen sind (Soja, Mais, ...). Sie würden sonst verhungern.

Würde man milchgebende Kühe im Frühsommer auf eine saftige Weide stellen und täglich melken, dann würden sie binnen Wochen an Entkräftung sterben. Weil die Energie aus Gras und Heu nicht ausreicht, um den Bedarf der Hochleistungs-Rassen zu decken.

Dieser Fakt hat uns so erschreckt, dass wir ihn genauer untersuchen mussten. Er widerlegt die idyllische Vorstellung von den "Grünland-Verwertern" vollständig.

Warum auch "Heumilch"-Kühe Kraftfutter erhalten, erfahrt ihr am Ende des Artikels.

Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie ein Kalb zur Welt bringen. Dann beginnt der Milchfluss, die sogenannte Laktationsphase.

Und jetzt beginnt das Problem...

Moderne Milchkuh-Rassen produzieren 20x so viel Milch wie früher

Auerochsen, die weit entfernten Vorfahren moderner Milchkühe, bildeten nach der Geburt ihres Kalbes ca. 1,4 Liter Milch am Tag, das entspricht ca. 500 Litern im Jahr. [1] Genauso viel, wie ihr Kalb benötigte.

Moderne, hochgezüchtete Milchkuh-Rassen produzieren über das Jahr hinweg durchschnittlich 27 Liter Milch am Tag. [2]

27 Liter am Tag - das ist fast die 20-fache Menge dessen, was eine Auerochsen-Kuh früher produzierte. Kritiker sprechen angesichts dieser krassen Leistungssteigerung und der damit einhergehenden Beschwerden von Qualzüchtungen.
Moderne Milchrassen geben fast 20x so viel Milch wie ihre Vorfahren, die Auerochsen. Bild: pixabay.com

Für diese Mengen an Milch reicht es nicht mehr aus, den Kühen nur Raufutter aus Gras oder Heu zu geben. Es hat ein zu großes Volumen und liefert dabei zu wenig Energie. Die Kühe könnten es nicht schnell genug fressen.

"Es ist genetisch in der Kuh veranlagt, dass der Milchproduktion immer Vorrang eingeräumt wird, auch wenn dies auf Kosten ihrer eigenen Energie und Gesundheit geht. Wenn die durch die Ration bereitgestellte Energie nicht ausreicht, kompensiert die Kuh das durch ihre Körperreserven."
Futtermittelhersteller PAHC, Stand: 7.10.2023 [3]

Die Kühe sind wegen ihrer Züchtung abhängig von energiereichem Kraftfutter aus Ackerbau. Häufig kommen Soja und Mais zum Einsatz.

Soja und Mais aus dem Ausland in den Trögen deutscher Alpenkühe? Kommt vor! Bild: Adobe Stock (Kombi)

Genauso wie die Auerochsen sind auch heutige Rinder als Wiederkäuer eigentlich reine Grasfresser. Dafür sind ihre vier Mägen ausgelegt.

Doch Gras und Heu würden nicht ausreichen, um den immensen Energiebedarf in der Laktation zu decken.

Noch mal: Würden Milchkühe innerhalb der Laktationsphase ausschließlich Heu und Gras zu fressen bekommen, würden sie verhungern, weil sie es nicht schnell genug zu Energie umwandeln könnten.

Zunächst würden die Kühe in Ketose fallen. Dabei mobilisiert der Körper Fettreserven, um den Energiebedarf zu decken. Ist das Fett aufgebraucht, stirbt die Kuh an Entkräftung. Und zwar auch dann, wenn sie auf einer Alpenwiese voller Gras und Bergkräutern steht!

In modernen Milchbetrieben - auch in Bio-Betrieben! - erhalten Rinder ungefähr die Hälfte ihrer Futterenergie aus Kraftfutter, z. B. aus Mais oder Soja. Manchmal sogar noch mehr!

Milchkühe stehen damit in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Eines der zentrale Nachhaltigkeits-Argumente der Milchindustrie löst sich in Luft auf. Nämlich, dass Rinder Grünland zu Milch "veredeln" würden. Tatsächlich ist die Milchproduktion auf Futtermittel aus Ackerbau angewiesen. Und sie verursacht immense Veredelungsverluste.

Allerdings gibt es ein Limit nach oben, denn Kraftfutter kann zu einer Übersäuerung der Mägen führen. Auch deshalb ist Kuhmilch kein natürliches Lebensmittel mehr. Das Futter ist "artfremd".

Die Milchindustrie ist abhängig von Futter aus Ackerbau. Die Tierhaltung steht damit in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Bild: Artem Zakharov / Adobe Stock

Jungrinder auf der Alm

Die Rinder, die man im Sommerurlaub auf den Alpenwiesen weiden sieht, sind in der Regel Jungrinder, die noch keine Milch produzieren und daher viel weniger Energie benötigen. Sie kommen auf den Almwiesen gut zurecht.

Man erkennt Jungrinder am kleinen Körperbau und den kaum sichtbaren Eutern. Ihr Körper benötigt weitaus weniger Energie als die milchgebenden Kühe. Viele Jungrinder tragen einen Stachelring in der Nase.

Kühe in der Laktationsphase findet man allenfalls in mittleren Berglagen, die mit dem LKW erreichbar sind. Nur so lassen sich die benötigten Futtermittel antransportieren - und die Milch in Tanks ins Tal liefern.

"Alpenmilch" darf übrigens auch so bezeichnet werden, wenn die Kühe ganzjährig im Stall stehen und Kraftfutter erhalten. [4]
Eine andere Variante eines "Saugentwöhners" beim Kälbchen
Rinder in den Hochalpen sind in der Regel jung und geben noch keine Milch. Bild: K/Vegpool

Und was ist mit "Heumilch"?

Der Begriff "Heumilch" bezieht sich darauf, dass keine Gras-Silage gefüttert wird. Diese kann den Geschmack der Milch beeinflussen. Der Raufutter-Anteil besteht hier also nur aus Gras und Heu, jedoch nicht aus Gras-Silage.

Allerdings füttern auch "Heumilch"-Betriebe ihren Milchkühen Kraftfutter. [5][6] Ohne Kraftfutter würden die Hochleistungsrassen innerhalb der Laktation verhungern.

Der geschützte Begriff der "Heumilch" steht wegen des Vorwurfs der Verbrauchertäuschung in der Kritik. Verbraucher könnten davon ausgehen, dass Rinder ausschließlich Heu erhielten, und eben kein Kraftfutter. Ähnliches gilt auch für "Weidemilch". Mehr über die Hintergründe erfahren.

Geht es theoretisch auch nur mit Gras?

Grund für die Abhängigkeit von Kraftfutter ist die Züchtung auf hohe Milchleistung. Die dafür benötigte Energie können die Rinder nicht allein aus Gras aufnehmen.

Schon heute beklagen sich Milchbauern über zu niedrige Preise - und das, obwohl moderne Milchrassen ja bereits das 20-Fache an Milch erzeugen, verglichen mit den Auerochsen. Die Nutzung uralter Rassen, die 1,4 Liter Milch am Tag bilden, wäre nicht wirtschaftlich.

Anmerkung zum Titelbild:
Bilder von Kühen auf der Weide können davon ablenken, dass die meisten Kühe in Deutschland gar keinen Weidegang haben. In Bayern und Ostdeutschland können weniger als 20% der Rinder auf die Weide! [7] Die im Titelbild gezeigten Kühe sind daher nicht repräsentativ!

Quellen

  1. http://www.kuh-projekt.de/Kuehe/milch.php
  2. https://www.landwirtschaft.de/land[...]ilch-gibt-eine-kuh-am-tag
  3. Futtermittelhersteller PAHC, https://europe.pahc.com/de/herausforderungen/ketose
  4. https://www.mdr.de/ratg[...]milch-alpenmilch-100.html
  5. https://www.heumilch.com/wp-c[...]ten-der-Heufuetterung.pdf
  6. https://www.heumilch.com/fuer[...]ilchbauern/heufuetterung/
  7. Flyer "So leben Milchkühe", BLE, 2022, https://www.ble-medienservice.de/0457-3-so-leben-milchkuehe.html

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Letzter Beitrag: 09.10.2023, von Thula.

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AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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