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Phänomen Flexitarier: Greenwashing für Fleischesser?

Eine hübsche Bauernhof-Idylle aus der Fantasie
Bauernhof-Idylle, wie man sie im Marketing für Tierprodukte oft findet. Bild: Fotolia.com
Wir sind der Ansicht, dass eine respektvolle, tiefgreifende Diskussion über unseren Umgang mit Umwelt, Tieren und eigener Gesundheit im Sinne unserer Gesellschaft ist. Auch, wenn's mal ans Eingemachte geht. Viel Spaß beim Lesen!

In Zeiten der Ernährungstrends gibt es immer mehr Bezeichungen für die eigene Ernährungsweise. Von den Klassikern, die man schon seit vielen Jahren kennt, bis zu den eher modernen Kreationen. Ganz vorne bei den Ernährungs-Verbalien steht der Begriff des "Flexitariers".
Doch was ist ein Flexitarier eigentlich? Was unterscheidet ihn vom Vegetarier oder Omnivoren?

Lange Zeit war hauptsächlich von drei Ernährungs-Gruppen die Rede, über die jeder normal gebildete Otto-Normal-Bürger einigermaßen Bescheid wusste. Es galt eine Art Konsens darüber:
Die Fleischesser, also die, die halt "normal" essen, so wie man das eben in Deutschland macht. Stets mit dem leutseligen Duktus des Unradikalen.
Dann die Vegetarier, die zwar kein Fleisch essen, aber irgendwie noch gemäßigt erscheinen, weil sie ja Milch und Eier verzehren.
Und dann die Veganer, die durch ihre extreme Lebensweise eh komisch sind.

Bis dann eben die Flexitarier auftauchten, die sich irgendwie zwischen Fleischesser und Vegetarier einordneten und im Grunde alle verwirren. Sich selbst wahrscheinlich am meisten.

Was sind denn eigentlich Flexitarier?

Flexitarier, das sind Menschen, die sich weder zu den Fleischessern zählen, aber auch nicht zu den Vegetariern. Die eher so ein Mittelding machen. Flexibel halt.

Flexitarier - das klingt nach Individualität, nach einer entspannten Lebenseinstellung. Ein wenig nach der moralischen Vorbildlichkeit der Vegetarier, gepaart mit der sozialen Konformität der Fleischesser. Ein Freund von Allen, immer locker und - natürlich - undogmatisch. Undogmatisch! UNDOGMATISCH!!!

Toll gemacht!
Hipp, locker und undogmatisch flexitarisch essen? Bild: Fotolia.com

Flexitarier äußern sich stets mit dem Duktus des Toleranten, wenn es um Fleisch oder nicht Fleisch geht. Sie suchen sich Freunde auf beiden Seiten, sehen sich als Vermittler, als Vorbild des Gemäßigten. Man muss ja nicht gleich übertreiben!

Und gegen Vorbildlichkeit und Eigenverantwortlichkeit ist schlicht nichts einzuwenden.

Doch zwischen Vegetarier und Fleischesser ist eigentlich nicht mehr viel Platz für einen weiteren Ernährungsstil. Und so wundert es nicht, dass der Flexitarismus eigentlich eine inhaltliche Nullnummer ist. Ersonnen wohl von findigen Werbetextern, die auch Fleischesser für vegetarische Produkte erreichen wollten.

Flexitarier = Fleischesser + Greenwashing?

Flexitarier sind Fleischesser mit Greenwashing. Sie nutzen die positive, selbstreflektierte Image des Vegetarischen zur Gewissensberuhigung. Sie essen Fleisch und zeigen dabei aufs Gemüse.
Selbst die stets deutliche Beteuerung der Flexitarier, nur ab und zu Fleisch zu essen, ja fast vegetarisch zu essen, unterscheidet sich nicht von den Aussagen der meisten Fleischesser in Deutschland.

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Flexitarier sind ganz normale Fleischesser. Womöglich Fleischesser, mit schlechtem Gewissen. Auf der Richtung zur kulinarischen Fleischlosigkeit, aber doch noch zögerlich, ängstlich. Flexitarismus ist kein Ja zum Vegetarismus - und auch kein Ja zum Fleisch. Es ist der Versuch der flexiblen, entspannten Lebensweise, die tragischerweise mangels Konkretheit in Inhaltslosigkeit mündet.

Frau hält sich die Ohren zu
Flexitarier finden Fakten fies. Bild: Fotolia.com

Ja, Flexitarismus ist eher eine traurige Angelegenheit.

Denn Fleisch essen ist ungesund. Verarbeitetes, rotes Fleisch ist erwiesenermaßen krebserregend. Das hat die WHO, die Weltgesundheitsorganisation, vor Jahren offiziell festgestellt (nachdem es bereits seit Jahrzehnten entsprechende Hinweise darauf gab). Verarbeitetes, rotes Fleisch gehört zur selben Klasse für krebserregende Stoffe, wie auch Asbest, radioaktive Strahlung oder Zigarettenrauch.

Ja, Flexitarier essen Fleisch.

Fleisch ist ein Produkt von vormals gequälten, toten Tieren. Aus Zuständen, die man nur als Undercover-Journalist ans Tageslicht bringen kann (oder eher ans Mondlicht, da entsprechende Sendungen meist zur Nachtzeit ausgestrahlt werden). So stark schotten sich die Fleischproduzenten vor der Öffentlichkeit ab.

Es ist Ideologie in Reinform, etwas zu verzehren, dessen Herkunft man aus gutem Grund besser verdrängt. Und deshalb ist es so tragisch, dass Flexitarier aus Furcht vor der Ideologie des Vegetariers oder Veganers der sektenartigen Ideologie des Fleischverzehrs folgen. Einer Ideologie, die - um mal bei den Fakten zu bleiben - unseren Lebensraum massiv bedroht. Die Ideologie des Fleischverzehrs hat sogar einen Namen (siehe unten).

Denn beim Empathie-Empfinden unterscheiden sich Fleischesser grundsätzlich kaum von Vegetariern oder Veganern. Der Unterschied liegt in der Verdrängung. Und darin, dass Fleischesser (inklusive Flexitariern) ihrem ureigenen Mitgefühl misstrauen und aus Furcht vor sozialer Ausgrenzung weiter am gewohnten Verhalten festhalten. Man will ja nicht dogmatisch sein und sozial auffallen!
Eine psychische Extrem-Grätsche. Siehe auch unser aufregender Artikel: Sind Fleischesser Psychopathen?

Empathie ist veranlagt. Verdrängung ist erlernt. Bild: Fotolia.com

Praktisch alle Fleischesser in den zivilisierten Ländern, die über eine normale Empathie verfügen (also psychisch gesunde Menschen) erkennen - bei genauerer Beachtung - die "kognitive Dissonanz" zwischen ganz normaler Tierliebe einerseits, und der Grausamkeit gegenüber den sogenannten "Nutztieren", bei der plötzlich wieder das "Recht des Stärkeren" statt der Vernunft gilt. Bei Flexitariern wird das Unbehagen besonders deutlich.

Flexitarier distanzieren sich zwar durch die Begriffswahl von der Grausamkeit des Fleischkonsums, nicht aber durch ihr Handeln. Obwohl sie die Zusammenhänge verstehen, glauben sie nicht an die Macht der Veränderung. Im Glauben an die undogmatische, "normale" Ernährung mit Fleisch, bleiben sie Opfer der Fleischesser-Ideologie.

Flexitarier: Fleisch wider besseren Wissens.

Fleisch ist ein Produkt, dessen Erzeugung den Klimawandel anheizt und Urwälder zerstört. Die Fleischproduktion führt zu unermesslichen Mengen an Gülle, zur Verpestung des Grundwassers und zur Übersäuerung der Ozeane. Fleisch erhöht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, verschiedene Krebsarten und viele schwere Erkrankungen mehr.

Fleisch zerstört die Zukunft unserer Kinder.

Trockenheit ist auch eine Folge des Klimawandels
Dürre ist nur eine der Folgen des Klimawandels. Bild: Nagarjun Kandukuru, flickr.com (bearb.) Bildtitel: Cracked earth, CC-BY

Das sind unbequeme Fakten, die von den wichtigsten Experten der Klima- und Meeresforscher immer wiederholt, und doch von der Öffentlichkeit weiter ignoriert werden. Der Klimawandel ist nicht zu stoppen, wenn wir nur unseren Müll korrekt entsorgen. Ohne Änderung unserer Lebensweise wird die Zukunft für unsere Nachfahren bitter. Das ist keine Erfindung von radikalen Veganern - vielmehr orientieren sich viele Veganer an genau diesen Erkenntnissen der Naturwissenschaften.

Dogmatik bedeutet, diese Fakten nicht anzuerkennen. Dogmatik bedeutet, wider besseres Wissen weiter Fleisch zu essen. Das tun Fleischesser. Der Begriff des "Flexitariers" ist Greenwashing im Dienst der Verdrängung.

Die Dogmatik der Undogmatik.

Dogmatisch ist es, Fakten zu beurteilen, die man nicht kennt, weil man sie aus Bequemlichkeit verdrängt. Das führt zu Sätzen wie "man muss ja nicht übertreiben" - angesichts einer unvorstellbaren, maßlosen, irrwitzigen Spirale aus Gewalt und Umweltzerstörung, wie man sie sich radikaler kaum vorstellen könnte.

Lieber unideologisch vegan - gegen Tierquälerei, Umweltzerstörung und Zivilisationserkrankungen. Bild: Minerva Studio / Fotolia.com

Die Beobachtung, dass Vegetarismus und Veganismus in der Öffentlichkeit immer noch mit dem absurden Begriff der "Dogmatik" in Verbindung gebracht werden, zeigt, dass der Fleischverzehr selbst in höchstem Maße ideologisch ist. Die amerikanische Psychologie-Professorin, Melanie Joy, bezeichnet diese lebensfeindliche Ideologie als "Karnismus".

Der Begriff des "Flexitarismus" ist so etwas wie die letzte Bastion vor der Erkenntnis, dass Fleisch in unserer modernen Zeit einfach nicht mehr drin ist. Dass im Sinne einer inneren Folgerichtigkeit (Kongruenz) kein Weg übrig bleibt, als Fleisch und andere Tierprodukte zu meiden. Es ist nicht mehr als eine Umstellung, ist in der Regel deutlich gesünder und hat nichts mit Verzicht zu tun. Allein die Angst vor der öffentlichen Abfälligkeit lähmt. Es ist die Angst vor einem Scheinriesen, wie bei Jim Knopf, der sich später als ganz freundlich erweist.

Und die guten Argumente sind mächtiger als die Verdrängung.

Ja, unsere Vorfahren haben Fleisch gegessen. Nein, wir müssen es nicht mehr tun. Wir schaden uns damit. Wir können es heute anders machen.

Mehr über die ideologischen Verdrängungs-Mechanismen von Fleischessern erfahren Sie hier: Warum Fleischesser Veganer ablehnen.

Veröffentlichung:

Autor: Kilian Dreißig

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