Tierprodukte in LCD-Bildschirmen: Gerücht oder Tatsache?
Wer kennt nicht diese Listen mit Produkten, die angeblich nicht vegan sind?
"10 Produkte, die überraschenderweise nicht vegan sind", heißt es so zum Beispiel auf manch einem Verbrauchermagazin.
Ein oft genanntes Beispiel: LCD-Monitore sollen tierisches Cholesterin enthalten.
Doch stimmt das wirklich? Sind LCD-Bildschirme von Fernsehern, Laptops, Handys und Taschenrechnern wirklich nicht vegan, weil sie Tierprodukte enthalten?
Eine Spurensuche!
Dass Bildschirme Tierprodukte enthalten, darüber "berichteten" unter anderem Geo, Focus, heute.at, Codecheck und so weiter... Teils unter reißerischen Überschriften, die den Eindruck erwecken, dass vegane Ernährung völlig weltfremd sei. Auch im Forum auf Vegpool wurde das Thema bereits diskutiert.
Doch wie es aussieht, scheint es sich beim "Cholesterin in Bildschirmen" um eine urbane Legende zu handeln.
Aller Wahrscheinlichkeit ist es ein Missverständnis - oder sogar schlicht erfunden. Vielleicht bringen solch reißerische Artikel ("Deshalb ist Fernsehen nicht vegan") einfach richtig viele Klicks!
Sicher lässt es sich natürlich nie sagen, ob alle LCD-Monitore nun vegan sind oder nicht. Denn dazu müsste man jedes Einzelteil eines Monitors bis zu seinem Ursprung zurückverfolgen und prüfen, ob es je mit Tierprodukten in Berührung gekommen ist.
Insofern ist die Aussage, dass Bildschirme Cholesterin enthalten können, nicht grundsätzlich falsch, aber doch lächerlich vage. Denn auch Marmelade kann Cholesterin enthalten. Oder Blumenerde.
Doch die reißerische These lautet ja: Monitore enthalten Cholesterin und sind daher nicht vegan. Und das klingt sehr nach "immer" und "grundsätzlich".
Tatsächlich sollen sogenannte LCD-Bildschirme Cholesterin enthalten. LCD steht dabei für das englische "Liquid Crystal Display", also "Flüssigkristallanzeige".
Sucht man ein wenig zu diesem Thema, stößt man recht bald auf sogenannte "Cholesterische Flüssigkristallanzeige" [1]. Die kann z. B. in Taschenrechnern zum Einsatz kommen, hat aber einige technische Nachteile gegenüber anderen Technologien.
"Cholesterisch" klingt ähnlich wie Cholesterin - und das genügt manch einem Redakteur offenbar, um daraus schnell einen reißerischen Artikel zu schustern (der dann mitunter gierig von anderen Medien abgekupfert wird).
Ein Titel, der Fleisch-Ideologen die Schadenfreude ins Gesicht treibt und Veganer in Erklärungsnot bringt... denn woher soll man so was bitte wissen?
Bloß: Es stimmt halt (sehr wahrscheinlich) nicht.
Eine weitere Recherche führt zu einem Artikel aus dem "Journal Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft Zürich (NGZH)". Er trägt den Titel: "Flüssige Kristalle – von Cholesterin zum Flachbildschirm". [2]
Klingt schon sehr vielversprechend und es kommt sogar das Wort Cholesterin drin vor. Allerdings lautet das Zitat:
Der österreichische Botaniker und Chemiker Friedrich Reinitzer experimentierte in den 1880er-Jahren mit aus Rüben extrahiertem Cholesterylbenzoat[..]
Rüben sind jedoch vegan.
Fazit: Es ist durchaus möglich (und wahrscheinlich), dass aus Pflanzen gewonnenes Cholesterin in Versuchen zur Bildschirmtechnologie verwendet wurde. Nirgends haben wir indes einen Hinweis gefunden, dass heute standardmäßig Cholesterin - und zwar tierisches Cholesterin - in Bildschirmen verwendet würde.
Auch der Youtuber Marc Korhammer hat sich des Themas in einem Video angenommen:
Sein Fazit: Das Schwerste für Vegan-Umsteiger ist nicht der Umstieg selbst, sondern die Fähigkeit zu entwickeln, mit Nonsense umzugehen. Und dazu gehört das Gerücht vom Cholesterin in Bildschirmen ganz offensichtlich dazu.
Zusammenfassend kann man also sagen: Bildschirme enthalten sehr wahrscheinlich normalerweise kein tierisches Cholesterin. Solltet ihr es ganz genau wissen wollen, fragt am besten direkt einmal beim Hersteller an - und lasst uns wissen, was er geantwortet hat.
Und obwohl das Gerücht vom Cholesterin in Bildschirmen offenbar falsch ist, hat die Recherche doch etwas Gutes: Jetzt wissen wir, dass man Cholesterin auch aus Rüben gewinnen kann!
Quellen
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig