Bauernproteste: Verband distanziert sich von "Extremisten" - und auch von sich selbst?
Bauernverbände planen im Januar 2024 bundesweite Proteste gegen die geplante Streichung des "Agrardiesels" und der Steuerbefreiung für landwirtschaftliche KFZ.
Dabei kündigen die Bauern an, so lange zu protestieren, bis die Pläne zurückgenommen würden. Ein Kommentar.
Grundsätzlich kann man über die Forderungen der Verbände sachlich diskutieren. Klar, auf die Bauern kommt einiges zu und man fragt sich, warum die Regierung nicht zuerst beim Dienstwagenprivileg ansetzt, um Geld zu sparen und das Klima zu schützen.
Andererseits: Zahlen wir Steuerzahler über die Agrar-Subventionen nicht schon bis zu 50% des Einkommens deutscher Tierhalter?
Was ist eigentlich mit den 22 Mrd. Euro an Umweltschäden, welche die deutsche Tierindustrie im Jahr verursacht?
Grundsätzlich kann man über all diese Themen diskutieren. Sachlich und demokratisch.
Das Problem der aktuellen Bauernproteste ist aber die Art und Weise des Auftretens.
Ein Bauernpräsident Joachim Rukwied, der auf der Bühne lautstark zu "Neuwahlen" aufruft, macht die Demokratie verächtlich. Denn in Deutschland regeln nicht die Agrar-Lobbyisten, wann gewählt wird, sondern das Grundgesetz.
Und wenn der Mann auch noch rassistische Anspielungen des Lobby-Kollegen Claus Hochrein ("Landschaft verbindet Deutschland") gegen den türkischstämmigen Bundesagrarminister durchgehen lässt, dann erinnert das an frühere Bauern-Demos, auf denen Reichsflaggen geschwenkt wurden.
Am Ende ist schon die Ankündigung undemokratisch, Lobby-Interessen schlicht durchboxen zu wollen. Das klingt nach einer Drohung gegen Staat und Gesellschaft.
Die Machtdemonstration des maschinengestützten Protests ist für eine sachliche, demokratische Diskussion auch nicht gerade förderlich. Demonstrieren kann man schließlich auch im Gehen.
Die aktuelle Distanzierung des Deutschen Bauernverbands von "extremen Randgruppen" (auf Instagram) mutet da geradezu heuchlerisch an.
Wäre die Distanzierung ernst gemeint, müsste sich der Bauernverband ja offensichtlich von großen Teilen der eigenen Mitglieder inkl. Teilen seiner Führung trennen.
Wenn also Anfang Januar wieder schwere, dieselbetriebene Geräte durch Berlin donnern und bereits wenige hundert Bauern den Eindruck erwecken, als wären Zehntausende unterwegs, dann denken wir daran, wie wichtig es ist, die Demokratie - und demokratisches Handeln - in Zeiten wie diesen zu verteidigen. Und die Bauern-Lobbyisten beim Wort zu nehmen!
Sollten die Industrieverbände der Agrarwirtschaft die Demokratiefeinde nicht wirksam aus ihren Reihen verbannen und Bereitschaft für einen demokratischen Dialog zeigen, verspielen sie auch die verbleibende Sympathie in der Bevölkerung!
Auch wir fordern auf Vegpool mehr Respekt gegenüber der Landwirtschaft.
Danke an all die Landwirte, die sich für eine nachhaltige, klimafreundliche Landwirtschaft und eine starke Demokratie einsetzen! Zum Kommentar.
Übrigens: Am Samstag, 20. Januar 2024 findet in Berlin wieder die Demonstration "Wir haben es satt!" für eine zukunftsfähige Landwirtschaft statt. Los geht es um 12 Uhr am Willy-Brandt-Haus. Infos zur ökologischen Bauern-Demo!
(Vegpool ist Medienpartner der "Wir haben es satt!"-Demo 2024).
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