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Abschleifen der Zähne: Haben Ferkel eigentlich ständig Zahnweh?

Ferkel Frederik erkundigt die Umgebung.
Ferkel Frederik fiel vom Tiertransporter und landete auf Hof Butenland. Bild: K/Vegpool

Das Abschleifen der spitzen Eckzähnchen bei neugeborenen Schweinen ist in der Ferkelzucht gängige Praxis. Zusammen mit dem Kürzen der Schwänze gehört das Schleifen der Zähne zu den ersten Maßnahmen, um die Jungtiere fürs Leben in der Mast vorzubereiten.

Dass Ferkeln die Eckzähne abgeschliffen werden, ist in Deutschland laut Tierschutzgesetz verboten - jedenfalls nach dem 4. Lebenstag. Und dann auch nur mit gutem Grund.

Die enge Haltung in der Mast liefert indes genug gute Gründe für Aggression und Kannibalismus und so gehört das Abschleifen der Eckzähne zu den Standardprozeduren bei Ferkeln.

Stellt sich also die Frage: Leiden Ferkel in der Schweinemast eigentlich ständig an Zahnschmerzen? Wenn sie essen, wenn sie trinken, wenn sie schlafen?

Wenn wir hier von Ferkeln reden, dann ist die Rede von jungen Schweinen vor der Geschlechtsreife. Diese beginnt bei Schweinen nach etwa einem halben Jahr.

Das Leben in der Mast dauert ungefähr 5-6 Monate. Fast alle Mastschweine sind also noch im Ferkelalter oder gerade in der Pubertät, wenn sie zum Schlachthof transportiert werden.

Leiden diese Tierkinder eigentlich ständig an Zahnschmerzen?

Leiden die Ferkel unter der "Erstversorgung"?

Befürworter des Abschleifens der Zähne bei Ferkeln sagen, dieses Verfahren würde den Tieren Leid ersparen. Schließlich fügen sich Ferkel in der Mast oft gegenseitig schmerzhafte Bisse zu. Übrigens auch ihrer Mutter.

Die wird zwar durch einen Eisenkäfig auf sicherer Distanz zu ihren Jungen gehalten, denn sonst würde sie bei der Umsorgung viel zu viele Ferkel erdrücken.

Doch ihre Zitzen sind für die Ferkel erreichbar. Und auch für deren spitzen Milchzähne.

Ausweichen ist für die Mutter unmöglich, denn der Käfig ist praktisch körpereng gebaut. Auch deshalb müssen die Zahnspitzen der Eckzähne ihrer Ferkel ab!

Auch das Schwänzebeißen ist in der Intensivhaltung eine Gefahr für Infektionen. Aus dem Grund werden Ferkeln vor dem 4. Lebenstag oft auch gleich die Ringelschwänze abgezwickt.

Der Frage, ob Ferkel eigentlich ständig Schmerzen an ihrem Schwanzstummel haben, widmen wir uns zu einem anderen Zeitpunkt.

Diese Verfahren werden als "Erstversorgung" bezeichnet und dienen der Anpassung an die "Haltungsverfahren", also die Intensivmast.

Kritiker sagen: Wenn ihr Schweinen genug Platz lasst, sie nicht auf engstem Raum einsperrt und ihnen einen naturgemäßen Kontakt mit ihrer Mutter ermöglicht, tritt Schwänzebeißen und Kannibalismus gar nicht auf.

Mal abgesehen von den üblichen Kratzern und Aufschürfungen, die beim Toben in Wald und Flur eben so passieren können.

Und daher müsse man den Ferkeln auch nicht die Zähne abschleifen.

Zähneschleifen als Folge der Gier nach billigem Fleisch

Es ist also kein natürliches Erfordernis, sondern eine Folge der Gier nach Schweinefleisch aus ertragsreicher Massentierhaltung. Auch die Bio-Schweinehaltung zählt dazu, mit ihren 1,5-2 Quadratmetern Platz pro Tier.

Wie viel Platz ist eigentlich "natürlich"? Wie viel Platz braucht so ein Schwein? 50 Meter? 1000 Meter?

Zurück zur Ausgangsfrage: Leiden die Schweine also den ganzen Tag an Zahnschmerzen?

Die Fachleute, die tagtäglich Ferkeln die Eckzähne kürzen, beschwören, dass der Vorgang ganz tierfreundlich sei. So lange man nicht den inneren Teil der Eckzähne erwische, sei das Verfahren schmerzfrei.

Blöd, dass der innere Teil der Zähne so nah am äußeren Teil liegt. Es geht um Bruchteile von Millimetern. Da muss man akkurat arbeiten, um nicht das empfindliche Zahnmark zu verletzen.

In der Praxis sieht das etwa so aus:

Der Züchter klemmt sich das Tier unter einen Arm, steckt ihm einen Finger in den Mund, um ihn offen zu halten. Mit der anderen Hand führt er das Zahnschleifgerät an die Eckzähne. Oft handelt es sich um Industrie-Bohrschleifer mit Aufsatz. Es steigt Rauch auf, während die Zahnspitzen abgeschliffen werden. Hier ein Video des Vorgangs.

Ob die Tiere eigentlich Panik bekommen, wenn ihnen ein Schleifgerät in den Mund geschoben wird?

Haben Ferkel also ständig Zahnschmerzen?

Ehrlich gesagt: Wer weiß schon, ob die Ferkel ständig Zahnschmerzen haben?

Vielleicht sind sie von den Schmerzen in ihrem Schwanzstummel auch zu sehr abgelenkt, um darauf zu achten?

Aber ist diese Frage nicht berechtigt?

Im Alltag haben wir Verbraucher ja immer unsere Denk-Routinen. Wir wissen, dass Schweine für Fleisch getötet werden, aber für uns ist das abstrakt. Für uns leben da irgendwelche Tiere, und dann sterben sie. Punkt.

Wir denken gar nicht daran, was es für die Tiere eigentlich genau bedeutet, dieses "Leben" und dieses "Sterben".

Die moralische Dimension von Diskussionen übers Fleischessen begrenzt sich auf auswendig gelernte Abhandlungen von "Fressen und gefressen werden".

Die Zahnschmerzen, die die Tiere möglicherweise ständig haben, spielen in unseren Rechtfertigungen gar keine Rolle. Warum eigentlich nicht?

Dieser Artikel kann daher auch keine Antwort auf die Frage geben, ob Ferkel Zahnschmerzen haben.

Doch er soll dazu anregen, sich einmal darüber Gedanken zu machen, dass das durchaus der Fall sein könnte. Schließlich handelt es sich bei Ferkeln ja um empfindungsfähige Lebewesen.

Und daraus ergeben sich dann vielleicht ehrlichere Antworten.

Veröffentlichung:

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Haben Ferkel immer Zahnschmerzen?
Letzter Beitrag: 06.03.2022, von Thula.

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4,9/5 Sterne (38 Bew.)
AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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