"Backweizen"-Argument: Lassen sich Anbauflächen für Futtermittel anders nutzen?

Wer Tiere für die Erzeugung von Tierprodukten hält, benötigt große Mengen an Futter. Doch das meiste kommt als Gülle hinten wieder raus. Zusätzlich zu klimaschädlichem Methan.
Für ein Kilo Rindfleisch fressen Tiere in der Mast 10 Kilo Soja und Getreide und mehr.
Das Futter muss angebaut, bewässert, gedüngt, gespritzt und verarbeitet werden. Doch die Dünger basieren auf fossilen Rohstoffen.
Tierhalter schwärmen gerne von Kreisläufen. In Wahrheit ist es eine Sackgasse. [1] Die Überlastung der Böden durch Gülle überwiegt die Vorteile bei Weitem.
Das kann auf Dauer nicht gut gehen.
- Die Anbauflächen auf der Erde sind begrenzt. Es gibt nicht unendlich viele Anbauflächen.
- Die Zahl der Menschen wächst und damit der Bedarf nach Anbauflächen für Lebensmittel.
- Eine Gesellschaft, die ihre Anbauflächen effizient nutzen möchte, baut Lebensmittel an, die sich mit geringen Verlusten für die menschliche Ernährung eignen.
- Bei einer pflanzenbetonten Ernährung werden mit weniger Anbauflächen mehr Menschen satt.
Es liegt auf der Hand: Tierhaltung in der heutigen Form hat keine Zukunft. Sie verbraucht zu viele Ressourcen. Ihr Zusammenbruch ist nur eine Frage der Zeit.
Und doch stoßen wir immer wieder auf diese Behauptung aus Kreisen der Tierindustrie:
Anbauflächen, auf denen Futter angebaut wird, eignen sich gar nicht für den Anbau von Backweizen. Die Verfügbarkeit von Nährstoffen und die Anbaubedingungen sind entscheidend. Man kann nicht überall Weizen anbauen!
Das Argument vom Backweizen ist ein Ablenkungsmanöver. Es ignoriert das Grundproblem der "Veredelungsverluste" und täuscht Verbraucher.
Es ist zwar richtig, dass Backweizen nicht überall in derselben Qualität angebaut werden kann. Doch das Backweizen-Argument suggeriert, dass es gar keine andere Möglichkeit gäbe, die Flächen zu nutzen. Außer für den Anbau von Futtermitteln.

Und das ist vollständig falsch!

Futtermais beansprucht hochwertige Böden
Beim Anbau von Pflanzen sprechen Landwirte von "Kulturen". Grundsätzlich lässt sich nicht jede Kultur überall anbauen. Weizen benötigt andere Bedingungen als Kartoffeln.
Landwirte können nur die Kulturen anbauen, die unter den vorgegebenen Bedingungen wachsen und ausreichend Gewinn abwerfen.
Das Ironische am Backweizen-Argument ist: Mais erfordert hochwertige Anbaubedingungen (als sogenannte C4-Pflanze). Und Mais ist die Kultur, die in Deutschland am häufigsten als Futter angebaut wird!
Backweizen statt Futtermais
Auch Backweizen ließe sich dort in vielen Fällen anbauen – ebenso Hülsenfrüchte, Hafer oder Roggen. Je nach Bodenqualität und Region könnten bestimmte Obst- und Gemüsesorten gedeihen.
Natürlich ist die Erzeugung von Lebensmitteln eine verantwortungsvolle Aufgabe. Landwirte müssen Fruchtfolgen und Wetterlagen beachten. Sie müssen ihre Kulturen ausreichend mit Nährstoffen versorgen und die Nachfrage am Markt berücksichtigen.
Es liegt nicht alles allein in ihrer Verantwortung.
Und doch ist das Argument, dass man Futter anbauen müsse, weil nicht überall Backweizen gedeiht, in dieser Form schlicht falsch.
Es ist ein rhetorischer Trick. Tierhalter wissen, dass der Otto Normalbürger wenig darüber weiß, wie Weizen angebaut wird.
Das Argument vom Backweizen ist eine Nebelkerze. Und es liefert keine Lösung für die Probleme der Ressourcenverluste. Es lenkt einfach nur ab.

Pflanzenbetonte Ernährung als Schutz vor Hungersnöten
50–75 % der Anbauflächen würden frei, wenn unsere Ernährung weitgehend pflanzenbetont wäre. [2] Landwirte hätten genug Auswahl an Flächen, um optimal Lebensmittel zu erzeugen. Frei werdende Flächen könnten genutzt werden, um die Folgen des Klimawandels abzumildern.
Die Nutzung wertvoller Anbauflächen für Tierfutter ist kein Zufall, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Agrarpolitik, die industrielle Tierhaltung bevorzugt.
Düngemittel-Produzenten, Tierzüchter und Agrar-Konzerne profitieren. Kleinere, nachhaltigere Betriebe gingen pleite. Und die Allgemeinheit zahlt für die Schäden der Industrie. 22 Mrd. Euro pro Jahr – nur für die ökologischen Folgen der deutschen Tierindustrie!
Auch der Staat muss dafür sorgen, dass Landwirte für sogenannte "Ökosystemleistungen" bezahlt werden. Damit es sich lohnt, Anbauflächen nicht für Futtermittel zu nutzen. Und stattdessen für den Aufbau von Humus. Für Biodiversitätsflächen. Für Aufforstung.
Damit Nachhaltigkeit endlich lukrativer ist als die Vernichtung von Rohstoffen durch die Tierindustrie.
Auch die Tierhalter müssen dazu beitragen. Und aufhören, auf scheinbare Alternativlosigkeit zu pochen.
Quellen
- The Environmental Sustainability of Plant-Based Dietary Patterns: A Scoping Review. In: The Journal of Nutrition. 6. Februar 2023
- https://www.science.org/doi/[...]i/10.1126/science.aaq0216
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig