Schnabelkürzen: Nein. Schreddern: Ja.
Wer in den 1990-er Jahren gegen die Käfighaltung von Hühnern gekämpft hat, wird in der Zwischenzeit wohl bemerkt haben, dass die Mühlen von Politik und Geflügelwirtschaft in Deutschland langsam mahlen, Ziemlich langsam. Denn ungefähr 30 Jahre später bestanden die Verbesserungen in der Geflügelhaltung im Wesentlichen darin, dass die Käfige „Volieren“ heißen und den Tieren rechnerisch ein paar Zentimeter mehr Platz zur Verfügung steht. Manch ein Verbraucher dürfte in der Zwischenzeit schon vegan geworden sein!
Die Ankündigung der Geflügelwirtschaft, ab August 2016 auf das Schnabelkürzen zu verzichten, klingt da schon richtig rasant. Genau genommen haben verschiedene Verbände der deutschen Geflügelwirtschaft eine freiwillige Vereinbarung unterzeichnet, die vorsieht, dass bei Junghennen ab August 2016 auf das Schnabelkürzen verzichtet wird. Ab 1.1.2017 sollen keine Junghennen mit gekürzten Schnäbeln mehr gehalten werden. Auch bei Puten strebe man den Verzicht auf das Schnabelkürzen an (was so ähnlich klingt, wie das Versprechen, alles für das Tierwohl zu tun).
Freiwillige Vereinbarung gegen das Schnabelkürzen
Ob die freiwillige Vereinbarung etwas damit zu tun hat, dass bereits Pläne für ein gesetzliches Verbot des Schnabelkürzens ab 2017 existieren, ist ungewiss. Womöglich spielt aber auch die Erkenntnis eine Rolle, dass es bei Verbrauchern besser ankommt, etwas freiwillig für das „Tierwohl“ zu tun, das man nach erbittertem Widerstand schließlich sowieso hätte tun müssen. Dass es ein bisschen komisch klingt, aktive Tierquälerei zu unterlassen und dann von Maßnahmen zum Tierwohl zu sprechen, fällt vielleicht nur besonders spitzfindigen Menschen auf.
Auch in Sachen Kükenschreddern soll sich etwas tun. Irgendwann. Vielleicht. Aber erstmal nicht. (Brütereien haben ein Schredder-Verbot in NRW erfolgreich torpediert.)
Es gibt inzwischen Projekte, finanziert mit öffentlichen Geldern, in denen Verfahren entwickelt werden, die das Geschlecht von Küken noch vor dem zehnten Tag der Bebrütung erkennen sollen. „In-Ovo-Geschlechtserkennung“ nennt sich das Verfahren, das auf einem Hormontest basiert und sich noch in einem frühen Entwicklungsstadium befindet. Die Eier mit männlichen Küken sollen somit noch vor dem Schlüpfen vernichtet werden.
In-Ovo-Geschlechtserkennung für das Tierwohl?
Denn männliche Küken sind zum Eierlegen nicht zu gebrauchen – taugen aber aufgrund ihrer Züchtung auch nicht für die Fleischerzeugung. Heute werden sie millionenfach vernichtet, kurz nachdem sie geschlüpft sind. Mit der neuen Methode sollen die Küken also noch im Ei getötet werden.
Wer sich fragt, was die extremen Haltungsbedingungen von Tieren zur Erzeugung von Genussmitteln wie Eier mit „Tierwohl“ oder „Tierschutz“ überhaupt zu tun haben, der wird sich das wohl auch in 30 Jahren noch fragen. Wer als Tierfreund wirklich tierfreundliche Alternativen sucht, findet hier gute Gründe für eine vegane Lebensweise.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig