"Hof mit Zukunft": Transparenz mit Vorbehalten
Unter dem Motto "Hof mit Zukunft" öffnen derzeit ca. 30 deutsche Bauernhöfe ihre Türen für Umweltaktivisten und Klimaschützer. Man wolle sich offen über Artenvielfalt und Klimaschutz austauschen, heißt es auf der Aktions-Website.
Ziel: Mehr Respekt und Verständnis füreinander.
Die Aktion wird von Medien begleitet. Für Landwirte eine schöne Chance, sich als herzliche Menschen zu zeigen, die nichts zu verbergen haben (und womöglich gar zu Unrecht beschuldigt werden).
Natürlich habe ich mich sofort akkreditiert. Ganz transparent, als Vegpool-Redakteur, mit Presseausweis und allem.
Was, wenn es wirklich klappt? Wenn es wirklich zu einem Austausch zwischen Tierhalter und Vegan-Journalist kommt, in der Sache hart, aber mit Respekt voreinander?
Ist es zu naiv?
Transparenz in der Tierhaltung: Mehr als ein Werbebegriff?
Wenn ich auf Vegpool über Details der Tierindustrie schreibe, laden mich Tierhalter in Kommentaren gerne mal auf ihren Betrieb ein, "für ein realistischeres Bild". Untertitel: "Du hast doch keine Ahnung!"
Doch immer wenn ich zusage, wird nichts daraus.
Offenbar gehen sie davon aus, dass ich mir die Mühe nicht machen würde, tatsächlich vorbeizuschauen. Transparenz als Totschlag-Argument.
Ich behaupte daher: Transparenz in der Tierindustrie gibt es bloß in der Werbung! Und vielleicht für ahnungslose Verbraucher, die "mal kurz in den Stall schauen wollen", für ein warmes Gefühl ums Herz.
Die Tierindustrie weiß sich zu verschanzen. Sie wirbt mit Transparenz, doch wer die Details sehen möchte, den erwarten Stacheldraht, Infrarot-Überwachung und Wachhunde.
Meine erfolglose Akkreditierung zu "Hof mit Zukunft"
Zwei Betriebe wurden mir von "Hof mit Zukunft" angeboten. Doch keiner wollte das Versprechen einhalten.
Mit einem der Landwirte habe ich am Telefon 10 Minuten lang gesprochen. Ich hatte echt Respekt vor dem Mann, der anfänglich bereit war, sich einer Debatte zu stellen.
Denn ja, wir vertreten sehr unterschiedliche Sichtweisen. Es hätte genug Gesprächsstoff gegeben. Hart in der Sache, aber mit Respekt vor der Person.
Natürlich wäre das kontrovers geworden. Darum geht es ja: Endlich mal miteinander zu reden.
Hätte...
Aber der Landwirt hat abgesagt. Vegpool sei zu kritisch.
Diese Mail habe ich ihm anschließend geschickt (ich habe hier einige Details verfremdet bzw. entfernt, um ihm nicht zu schaden).
Mein Brief an den Landwirt
Hallo Herr XXX,
schade, dass Sie Ihre Zusage für den Besuch im Rahmen der "Hof mit Zukunft"-Aktion zurückgezogen haben!
Ich kann Ihre Skepsis ein Stück weit nachempfinden.
Auch für mich gibt es spaßigere Dinge, als einen XXXXXXX zu besuchen, mit dem Gefühl, als Vegan-Journalist eigentlich gar nicht willkommen zu sein und mich im Zweifelsfall auch noch beschimpfen zu lassen ...
Doch was bleibt einem übrig, wenn sich immer tiefere Gräben bilden und sich die Fronten immer mehr verhärten? Wenn nur noch von Verband zu Verband und von Shitstorm zu Shitstorm kommuniziert wird, weil der direkte Kontakt auf niedriger Ebene einfach nicht mehr da ist?
Man muss doch miteinander reden, statt bloß übereinander.
Genau darum geht es doch auch bei "Hof mit Zukunft".
Was, wenn sich hinter dem "Radikal-Veganer" und dem "Ausbeuter-XXXXXXXXX" zwei Menschen verbergen, die innerhalb ihrer Sichtweisen durchaus integer handeln?
XXX
Ich hätte gern ihre Meinung gehört und auch etwas über Ihre Motivation erfahren! Einfach, um es besser zu verstehen...
So lange man sich an ein paar Grundregeln über Fakten und Respekt hält, kann man über viele Dinge reden, auch kontrovers.
Am Ende wäre es sowieso weiter gegangen wie bisher. Sie haben ihren Job, ich meinen. Nur dass wir beide vielleicht einen ersten kleinen Schritt getan hätten und vielleicht ein paar Vorurteile und etwas Frust losgeworden wären.
Sie haben bei der Aktion "Hof der Zukunft" mit Transparenz geworben.
Und doch haben Sie mir abgesagt.
Aus meiner Sicht ist das "Gesinnungs-Transparenz". Es gibt keine Transparenz mit Bedingungen.
Neu auf Vegpool:
Wenn wir als Gesellschaft Fronten glätten wollen, müssen wir aufeinander zugehen. Den ersten Schritt habe ich getan.
Rufen Sie mich an, wenn Sie wollen. xxxx - xx xx xxxx
Beste Grüße und alles Gute
Kilian Dreißig
Eine Antwort ist bis heute nicht erfolgt. Die "Hof mit Zukunft"-Aktion konnte nicht liefern, was sie versprach. Weil sich nicht alle Landwirte an die Regeln halten wollten.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig