Vorwürfe gegen Molkerei Ehrmann: So reagiert der Handel (nicht)!
Die bayerische Groß-Molkerei Ehrmann wirbt mit Alpen-Idylle für Milchprodukte, die offenbar zum Teil aus qualvoller Anbindehaltung stammen. Tiere sind dabei fest angebunden und können sich nicht einmal umdrehen. Das haben neue Veröffentlichungen der Organisation Aninova e. V. ans Licht gebracht.
Doch wie reagiert eigentlich der Handel auf die Vorwürfe gegen die Molkerei Ehrmann und ihre trügerischen Werbepraktiken? Werden Produkte ausgelistet? Auflagen erlassen?
Ich habe bei den größten deutschen Handelsketten nachgefragt!
Kaufland teilte mit, es sei ein "großes Anliegen", die Herkunft der Milch für Kunden transparent sichtbar zu machen. Auf die Vorwürfe gegen Ehrmann und die Frage nach möglichen Konsequenzen ging der Pressesprecher jedoch nicht ein.
Aldi (Nord und Süd) teilte mit, man sei sich seiner "besonderen Verantwortung im Bereich Tierwohl" bewusst. Auf die aktuellen Vorwürfe gegen Ehrmann – und meine Fragen zu konkreten Konsequenzen – ging der Sprecher nicht ein.
Edeka schrieb, man setze voraus, "dass sich alle unsere Lieferanten gesetzeskonform verhalten und dies auch bei ihren Zulieferern sicherstellen". Das gelte auch für den vorliegenden Fall. Zudem leitete Edeka eine Antwort des Branchenverbands QM Milch e. V. weiter, der zufolge in keinem der genannten Betriebe Verstöße gegen das Tierschutzgesetz festgestellt worden seien.
Kommentar: QM Milch e. V. ist ein Interessenverband, zu dessen Kernmitgliedern der Deutsche Bauernverband, der Deutsche Raiffeisenverband, der Milchindustrie-Verband und der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels gehören. Es ist wenig überraschend, dass die Branche sich selbst nicht kritisiert.
Ein Sprecher von Tegut verwies auf die Sorgfaltspflicht von Ehrmann und lies meine Fragen zu möglichen Konsequenzen offen.
Rewe, Lidl und Globus ließen meine Anfrage bis Redaktionsschluss unbeantwortet.
Meinung:
Nicht einer der von mir angefragten Händler hat angekündigt, Ehrmann zu wahrheitsgemäßer Werbung zu verpflichten – oder Produkte ganz auszulisten.
Nicht einer zieht offenbar Konsequenzen auf den Vorwürfen, Ehrmann täusche Verbraucher über die tatsächlichen Haltungsbedingungen!
Dabei hätte der Handel genau diese Instrumente in der Hand! Er ist nicht "neutral" bei der Auswahl der Produkte, die er anbietet.
Eine Vorgabe könnte bei Tierprodukten sein, dass Abbildungen auf Verpackungen und in der Werbung die tatsächlichen Produktionsbedingungen zeigen. Und nicht Alpen-Idylle, wenn Kühe in Wahrheit den ganzen Tag im Stall stehen.
Die Reaktionen bestärken meinen Verdacht, dass auch die Händler davon profitieren, wenn Verbraucher nicht wissen, woher die Milch wirklich kommt, die mit frei laufenden Rindern vor Berg-Panoramen beworben wird.
Unter diesen Bedingungen kann es nicht ausreichen, auf freiwillige Selbstkontrolle und angebliche Qualitäts-Siegel zu verlassen!
Es braucht Verbote – und strenge, unabhängige Kontrollen -, damit sich irreführende Werbung nicht mehr lohnt. Besonders da, wo es auf Kosten Wehrloser geht.
Der wichtigste Schritt, den Verbraucher tun können: Hafermilch statt Kuhmilch kaufen. Damit es nicht bei vagen Versprechungen bleibt.
Auch über diese Hintergründe wissen Verbraucher selten Bescheid:
- Kühe "geben" nicht einfach Milch. Tierhalter stimulieren ("fummeln") ihre Euter, damit Hormone ausgeschüttet werden und die Milch fließt. Sie nennen das "Anrüsten". → Zu den Hintergründen.
- Damit eine Kuh Milch gibt, muss sie erst ein Kalb zur Welt bringen. Ohne Kalb keine Milch. → Mehr dazu.
- Auch für Milch werden Tiere getötet. Manche sagen, Milch wäre daher nicht vegetarisch. → Mehr dazu!
- In der Werbung geben sich Milchproduzenten gerne transparent. Doch bei diesen 4 unangenehmen Fragen weichen sie meistens aus.
- Manchmal werden "Milch-Kälbchen" bis in den Nahen Osten transportiert, und dort ohne Betäubung geschächtet. Auch Kälbchen, die aus Bio-Betrieben stammen. → Mehr dazu!
- Kuhmilch enthält Eiter aus entzündeten Eutern. Um Grenzwerte einzuhalten, kann die Milch von kranken Tieren mit Milch von gesunden Tieren "gestreckt" werden. Das ist illegal, aber kaum nachweisbar. → Zum Faktencheck.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig