Deutscher Engagementpreis: Skandal um Publikumspreis - Jäger frohlocken
Eine Tierschützerin hat die Online-Abstimmung zum Publikumspreis des Deutschen Engagementpreises 2023 haushoch gewonnen. Und doch bekommt sie nur die Hälfte des mit 10.000 Euro dotierten Preisgeldes.
Die andere Hälfte des Preisgeldes geht an einen Jägerverein aus Verden, der am Ende der Abstimmungsphase zahlenmäßig weit hinter ihr gelegen hatte.
Das Vorgehen der Jury löst nicht nur bei Tierschützern Fassungslosigkeit aus.
Doch eins nach dem anderen...
Jedes Jahr vergibt der Bundesverband Deutsche Stiftungen e. V. den Deutschen Engagementpreis. In mehreren Kategorien bestimmt die Jury einen Gewinner.
Zusätzlich gibt es einen Publikumspreis, bei dem die Öffentlichkeit für ein Projekt aus einer Liste abstimmen kann. Das Projekt mit den meisten Stimmen bekommt den Preis. So zumindest der Plan.
In diesem Jahr konnte Simone Schmidt mit ihrer Rehkitzhilfe Franken e. V. ganze 25.339 Stimmen einsammeln. Damit lag sie mit mehreren tausend Stimmen vor dem besagten Jägerverein aus Verden. [1]
Ein glasklarer Favorit, könnte man meinen. Eine klare, verdiente Gewinnerin des mit 10.000 Euro dotierten Publikumspreises 2023.
Doch daraus ist nichts geworden.
Simone Schmidt und ihr Verein erhalten nur die Hälfte des angekündigten Preisgeldes. Denn 5.000 Euro gehen an besagten Jägerverband.
Die Jury hatte entschieden, den 1. Publikumspreis an die beiden Projekte mit den meisten Stimmen aufzuteilen. Beide Parteien hatten sich vorher unsaubere Methoden beim Stimmensammeln vorgeworfen. Der Veranstalter spricht von einer "Kontroverse".
Am Ende müssen sich Jäger und Tierschützer das Preisgeld teilen. Der Veranstalter wolle damit ein "Zeichen der Versöhnung und des gegenseitigen Verständnis für unterschiedliche Formen des Engagements" setzen, hieß es auf Facebook. [2]
Das sorgt nun für Ärger aus Kreisen von Tierschützern, die sich vom Bundesverband Deutscher Stiftungen e. V. hintergangen fühlen. Schließlich war klar die Rede von einem Publikumspreis mit 10.000 Euro Preisgeld.
"Betrug an den Abstimmenden" schimpfte etwa Lovis Kauertz vom jagdkritischen Wildtierschutz Deutschland e. V..
Er wirft der Jägerschaft vor, massiv Druck auf die Jury ausgeübt zu haben mit der Behauptung, die Tierschützer hätten geschummelt. Obwohl die Jäger sogar in großen Jagdzeitschriften für "ihre" Abstimmung geworben hatten, hätten ihre Stimmen nicht ausgereicht, um die Rehkitz-Schützerin vom ersten Platz zu verweisen. Nicht einmal ansatzweise!
Und so präsentierten sich bei der Preisverleihung zum Deutschen Engagementpreis eine Truppe Jagdfreunde auf der Bühne, die zumindest laut ursprünglichem Plan dort nichts verloren gehabt hätte.
Meinung:
Die Preisverleihung beim Deutschen Engagementpreis 2023 wirkt aus dem Ruder gelaufen und willkürlich. Offenbar müssen Jäger nur oft genug gegen Tierschützer keilen, und schon werden die Regeln in ihrem Sinne ausgelegt.
Genauso gut hätte die Jury das Jäger-Projekt wegen unfairer Anschuldigungen aus dem Wettbewerb ausschließen können.
Die Erklärung, man wolle zu "Versöhnung" beitragen, klingt für mich fast schon grotesk. Schließlich geht diese ja auf Kosten des zahlenmäßigen Siegers.
Und überhaupt: Wie soll eine Versöhnung zwischen Vereinen aussehen, von denen sich der eine für die Rettung von Tieren einsetzt, während der andere auf sie schießt?
Oder wie Facebook-User Philipp Hörmann schrieb:
"[...] Im Sport würden sicher sehr viele Personen keine Freude mit solch einem unverdienten Sieg haben und die Auszeichnung ablehnen oder zumindest das Geld an die richtige Adresse senden. Es geht hierbei auch nicht zuletzt um die Frage der Ehre.[...]"
Das willkürlich erscheinende Vorgehen der Jury schadet auch dem Ansehen der Auszeichnung selbst. Denn wozu sollte man sich künftig die Mühe machen, für den Publikumspreis abzustimmen, wenn die Jury am Ende nach Laune entscheidet?
Korrektur: In einer früheren Version des Artikels wurde der zitierte Facebook-User versehentlich als Fußballprofi bezeichnet. Es handelt sich jedoch um einen Namensvetter.
Quellen
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig