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Interview mit Philipp Möller (Bestseller-Autor)

Philipp Möller
Philipp Möller Bild: Manuel Wollgarten

Philipp Möller ist Bestseller-Autor und ehemaliger Pressesprecher der humanistischen „Buskampagne“, die für ein Leben ohne Religion warb. Außerdem lebt Philipp Möller vegan. Wir haben ihn einmal befragt, ob es aus seiner Sicht einen Zusammenhang zwischen kirchlicher Kultur und der Ausbeutung von Tieren gibt. Hier das Interview.

Vegpool: Hallo Herr Möller, religiöse Feste werden weltweit traditionell mit riesigen Mengen Fleisch zelebriert. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen Religion und Fleischkonsum?

Philipp Möller: In der Bibel heißt es ja schon: „Macht euch die Erde untertan!“, und diesem Aufruf wird offenbar gut und gern Folge geleistet. In erster Linie dürfte es jedoch die religiös begründete und daher „heilige" Trennlinie zwischen Mensch und Tier sein, die das rücksichtslose Ausnutzen von Lebewesen rechtfertigt, die nicht unserer Spezies angehören. Und genau wie dieser Speziesismus beruht auch die Überzeugung, Menschen bräuchten Fleisch bzw. tierische Lebensmittel zum Überleben, ausschließlich auf irrationalen Argumenten - eine weitere Parallele zur Religion.

Philipp Möller: „der Veganismus ist ziemlich sexy geworden“

Vegpool: Sie sind inzwischen selbst Veganer, wie Sie in Ihrem Bestseller „Bin isch Freak oda was?“ schreiben. Ist Veganismus nicht auch ein Dogma?

Philipp Möller: Vielleicht ja. Zuerst sollte ich aber einräumen, dass ich mich inzwischen eher als Flexiganer verstehe, mich also so häufig wie möglich pflanzlich ernähre, aber beispielsweise auf Reisen oder als Gast auch mal Käse zu mir nehme. Insofern bin ich hier keineswegs dogmatisch, damit aber auch inkonsequent. Wie unter Atheisten gibt es sicherlich nervige VeganerInnen, also vorwurfsvolle, hitzköpfige KampfveganerInnen, die mit ihrer Art meist vollkommen kontraproduktiv agieren, aber insgesamt meine ich, dass der Veganismus doch ziemlich sexy geworden ist und sich von dem Image, ein verbissener Körnerfresserdogamtismus zu sein, weitgehend befreien konnte.

Vegpool: Sie betonen bei Ihren öffentlichen Auftritten ja immer wieder, dass Sie kein Problem mit Religion haben, solange sie Privatsache bleibt. Ist Fleischessen nicht auch Privatsache?

Philipp Möller: Als ich mich entschied, keine Leichenteile mehr essen zu wollen (und dies in meinem Umfeld auch genau so unklug formulierte!), schaute mich ein Freund mit gerunzelter Stirn an und sagte: „Aber Philipp, ich darf doch wohl noch essen, was ich will - oder?!" Leider fiel mir die beste Antwort darauf erst später ein: „Natürlich darfst du essen, was du willst - aber nicht wen du willst!“ Im Falle religiöser Überzeugungen gilt doch, dass die Gedanken frei sind, und damit eben auch frei zur Unvernunft. Fleischkonsum dagegen ist kein Gedanke, sondern eine Handlung, die auf eklatante Art und Weise den Grundsatz missachtet, dass die Freiheit des einen dort endet, wo die des anderen beginnt - und damit eben das Gegenteil von Privatsache!

„Fleischessen ist kein Gedanke, sondern eine Handlung“

Vegpool: Auch beim Veganismus gibt es esoterische und religiöse Strömungen. Ist das nicht toll, wenn die sich doch für eine vegane Lebensweise einsetzen?

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Philipp Möller: Dumm ist ja laut Forrest Gumps Mutter der, der dummes tut. Daran denke ich oft, wenn ich die Handlungen anderer einschätzen soll, und mit diesem Satz könnte man auch sagen: ist doch egal, ob Veganismus mit Gott, Karma oder mit sachlichen Argumenten begründet wird. Aber so einfach sehe ich die Sache nicht, denn handfeste Argumente, die etwa auf Tierrechten und Umweltschutz begründet sind, gelten unabhängig von religiösen oder spirituellen Überzeugungen, entziehen sich damit der Beliebigkeit und sind somit eben auch beständiger und deutlich stärker.

Veganer Philipp Möller: Leid verkleinern und Freude vergrößern

Vegpool: Versuchen Sie, andere Menschen vom Veganismus zu überzeugen? Und ist das was anderes, als wenn jemand Sie missioniert?

Philipp Möller: Moment mal, Ihre Doppelfrage beinhaltet eine falsche Implikation: Jemanden von etwas zu überzeugen und missionieren sind zwei verschiedene Dinge! Im Interesse aller Lebewesen, die unter der Produktion gigantischer Mengen tierischer Lebensmittel ganz reell leiden, schrecke ich nicht davor zurück, Werbung für einen rücksichtsvolleren Lifestyle zu machen. Und genau wie mein öffentliches Engagement für eine Gesellschaft, die ohne religiöse Diskriminierung auskommt, gibt es dabei eine Maxime: Leid verkleinern und Freude vergrößern - und zwar unabhängig von Geschlecht, Rasse, Religion, Alter oder Spezies! Mit der Missionsarbeit, die Zeugen Jehovas an unseren Haustüren verrichten, oder gar der religiösen Manipulation von Kindern, die in Kindergärten und Schulen stattfindet, hat das rein gar nichts zu tun.

Vegpool: Was halten Sie davon, Kinder vegan zu ernähren? Die können ja noch nicht selbst entscheiden?

Philipp Möller: Ich bin der Meinung, das wir Erwachsenen die Urteilsfähigkeit von Kindern gern unterschätzen. Im Hotelurlaub in einem bayerischen Familienhotel (in dem zu unserer Bestürzung morgens, mittags und abends regelrechte Fleischberge aufgetischt wurden!) bot mir unsere dreijährige Tochter ein Würstchen an. Als ich ablehnte bat sie mich um eine Begründung, also erklärte ich ihr, dass Würstchen aus totem Tier gemacht werden, und dass ich keine toten Tiere esse, weil man Tieren eben nicht wehtut. Seitdem lehnt sie Fleisch (fast immer) mit genau dieser Begründung ab.

Ich betrachte die Aufklärung als Teil meiner pädagogischen Pflicht, denn das Problem der Überbevölkerung der Erde, zu dem ich mit meiner eigenen Fortpflanzung beigetragen habe, besteht ja nicht in der Menge der Menschen, sofern in ihrem Verhalten - und auf das spätere Verhalten meiner Kinder kann ich jetzt großen Einfluss nehmen. Wenn sie aber trotz der im Elternhaus vorherrschenden Ernährungsgewohnheiten und trotz aller Informationen, die sie von uns über Nahrungsmittel und ihren Ursprung erhalten haben, dennoch Fleischesser werden dann gilt für sie irgendwann das gleiche, wie für alle anderen Menschen: ich kann es ihnen nicht verbieten - auch wenn ich es für grundsätzlich falsch halte.


Die Fragen stellte Kilian Dreißig per E-Mail.

Veröffentlichung:

Autor: Kilian Dreißig

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