Gülle: Natürlicher Dünger oder Gift für die Umwelt?
Gülle fällt in jeder Tierhaltung in großen Mengen an. Es handelt sich um den Mix aus Kot und Urin der Tiere, der (auch zusammen mit Stroh und Heu) gesammelt und von Landwirten auf Äckern und Feldern verbreitet wird.
Landwirte loben Gülle als "natürlichen Dünger". Umwelt-Experten weisen auf ökologische Schäden durch die massenweise Entsorgung von Güllen auf Feldern und Wiesen hin.
Doch was stimmt denn nun wirklich? Ist Gülle wirklich ein natürlicher Dünger - oder ist es Gift für Umwelt und Böden? In diesem Artikel gehen wir dieser Frage auf den Grund.
In der Theorie ein guter Dünger
In Maßen ist Gülle grundsätzlich ein gutes Düngemittel, denn sie enthält Nährstoffe wie Stickstoff, Kalium, Phosphor, Magnesium, Eisen und Bor, die für das Pflanzenwachstum wichtig sind. Diese allerdings stammen ursprünglich ebenfalls aus der Natur.
Wenn der Bauer die Gülle aus dem eigenen Betrieb ausbringen kann, muss er weniger synthetischen Dünger dazu kaufen. Daher haben Bauern grundsätzlich Interesse daran, Gülle zu nutzen.
Theoretisch könnte Gülle durchaus ökologisch nachhaltig eingesetzt werden. Theoretisch deshalb, weil dies etwa dem Stand von vor 200 Jahren entspräche.
Die ökologische Kreislauf-Wirtschaft
In einem geschlossenen Kreislauf-System könnte der Landwirt vorhandene Flächen zum Anbau von Futtermitteln verwenden und die anfallende Gülle dort wieder ausbringen. Über die Gülle führt er Nährstoffe zurück, die zuvor beim Anbau der Futtermittel entnommen wurden.
Die Gülle könnte dabei als Nährstoff-Speicher dienen und gezielt ausgebracht werden, zum Beispiel bevor der Bauer Getreide aussät.
Ökologisch nachhaltig ist das aber nur in geschlossenen Kreisläufen. Sobald synthetische Düngemittel oder importierte Futtermittel ins Spiel kommen (und auch wenn Tierprodukte exportiert werden), ist es vorbei mit dem Kreislauf.
Die intensive Landwirtschaft hat sich vom Kreislauf-Denken jedoch längst verabschiedet. Höfe, die heute noch wie vor 200 Jahren wirtschaften, gibt es praktisch nicht mehr.
Überschwemmung mit Nähr- und Stickstoffen
Massenweise wird Futter dazu gekauft, oft auf dem Weltmarkt. Futtermittel für die "regionale Tierhaltung" in Deutschland stammt mitunter von der anderen Seite der Erde. Auch die brennenden Urwälder in Brasilien sind eine Folge des Hungers nach Tierprodukten in Mitteleuropa.
Durch die Zahl der Tiere und die großen Mengen an zugekauften Futtermitteln entsteht natürlich deutlich mehr Gülle als die eigenen Flächen eines typischen Landwirtschaftsbetriebes verkraften. Der Bauer muss die überschüssige Gülle jedoch loswerden - und "entsorgt" sie auf Feldern und Äckern.
Das führt dazu, das manche Landstriche regelrecht in Gülle ertrinken. Es ist eine extreme Überdüngung der Böden mit Nährstoffen, die - unter anderem - auch die Belastung des Grundwassers mit Nitrat zur Folge hat.
Nitrat kann vom Körper in krebserregende Nitrosamine umgewandelt werden. Daher gilt in der EU ein Grenzwert von 50ml/Liter, der in Deutschland viel zu oft überschritten wird. In vielen Regionen muss Trinkwasser aufwendig behandelt werden, um das Nitrat zu entfernen. Die Kosten dafür trägt bislang die Allgemeinheit.
Nitratüberlastung in Deutschland
Nach Angaben des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) ist in Deutschland ein Drittel des Grundwassers unter Ackerflächen mit Nitrat überlastet (also mehr als 50ml/Liter). Bei 17,4% liegt die Belastung sogar über 90ml/Liter. [1]
Und: Intensive Tierhaltung hat heute nichts mehr mit der bäuerlichen Landwirtschaft von vor 200 Jahren zu tun. In Gülle finden sich häufig ein Cocktail von Medikamenten-Rückständen, die ihrerseits zu einer weiteren Belastung der Böden führen. In dem Fall kann dann keine Rede mehr von "natürlichem" Dünger sein.
Fazit: Ist Gülle nun ökologisch?
Gülle kann in der Tat als Dünger verwendet werden und ist in Maßen ökologisch verkraftbar. Die enthaltenen Nährstoffe stammen jedoch aus den Futtermitteln, die den Tieren verfüttert wurden. Sie wurden also zuvor der Umwelt entnommen und entstehen nicht erst in der Gülle.
Tierhaltung erzeugt also keinen neuen Dünger - Gülle ist bloß der Rest der Futtermittel, den die Tiere ausscheiden. Und das wird ökologisch problematisch, wenn zu viele Tiere auf zu wenig Fläche gehalten werden. Und wenn Unmengen an Futtermitteln von externen Flächen zugeführt werden.
Bei der Recherche zu diesem Artikel haben wir auch Herrn Prof. Knut Schmidtke von der HTW Dresden angeschrieben. Er teilte uns mit, dass Leguminosen beim Thema Stickstoff sogar im Vorteil seien, da sie zusätzlichen Stickstoff binden könnten ("symbiotische N2-Fixierung"). Über Gülle kann hingegen kein zusätzlicher Stickstoff gewonnen werden. Gülle ist also kein Stickstoff-Produzent, sondern bloß ein Stickstoff-Zwischenspeicher.
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Ein unschlagbarer Vorteil einer bio-veganen Landwirtschaft ist, dass sie grundsätzlich unabhängig von fossilen Rohstoffen ist. Angesichts drohender Engpässe bei Erdöl und Phosphor könnte sich dies in Zukunft für bio-vegane Landwirte noch als großer Vorteil herausstellen.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig