Als Veganer Heißhunger auf Fleisch - woher kommt er? Und was hilft?
Was, wenn es einen als Veganer so richtig nach Fleisch gelüstet? Auf fettiges, würziges, deftiges Essen, das so gar nicht vegan ist?
Tatsächlich scheint der Heißhunger auf Fleisch bei vegetarisch und vegan lebenden Menschen gar nicht so selten zu sein. Und: Die Psychologie hat sogar eine naheliegende Erklärung für das Phänomen der veganen Fleischeslust!
Lust auf Fleisch tritt bei uns "Veggies" nämlich bevorzugt dann auf, wenn wir ganz konsequent und perfektionistisch darauf verzichten möchten.
Wenn uns schon der Gedanke an ein Stück Fleisch und die damit verbundene eigene Skrupellosigkeit schaudern lässt, kann genau das umso attraktiver erscheinen.
Wie auf der Beerdigung, wo wir einfach verdammt nochmal nicht lachen dürfen - und es trotzdem unbedingt tun müssen.
Hätte Gott nicht gewollt, dass Eva den Apfel isst, hätte sie es ihr nicht so streng verboten.
Wenn wir nicht dürfen, wollen wir umso mehr.
Wenn wir also glauben, dass der Bissen in einen dicken Fleischburger all unsere Prinzipien und moralischen Grundsätze zerstören würde - dann bekommen wir besonders viel Lust darauf.
Der Grund ist unser menschlicher Drang zur Selbstbefreiung. Je strenger unsere Selbstkontrolle im Leben ist, umso mehr bekommen wir gelegentlich das Bedürfnis, auszubrechen, alles über Bord zu werfen.
Lust auf Fleisch kann man also wie eine Art dumpfe Reaktanz gegen unsere eigenen Ansprüche an Vernunft und Tugend betrachten. Unsere innere AfD. Auch, wenn wir uns das natürlich nie eingestehen würden... Wir doch nicht!
Lust auf Fleisch ist also auch bei vegan und vegetarisch lebenden Menschen kein Grund zur Sorge. Es ist vielmehr ein Zeichen, dass wir vielleicht ein bisschen Druck rausnehmen sollten.
Ansporn ist gut, denn sonst kommen wir nicht vom Sofa. Doch toxischer Druck muss weg.
Perfektionismus ist der größte Feind der Routinen. Wenn wir glauben, dass wir nur dann aufrechte Veganer sind, wenn wir auch niemals nur den kleinsten Fehler machen, werden wir nach kurzer Zeit scheitern!
Lernen wir daher lieber aus den Fehlern derer, die bereits daran gescheitert sind.
Ohne übertriebenen Druck werden die veganen Routinen leichter.
Wenn wir es relativ entspannt sehen, wird uns der Gedanke an einen Fleischburger nicht weiter interessieren. Der Heißhunger auf Fleisch entpuppt sich als kleiner Streich unseres inneren Schweinehunds.
Und wenn wir Lust auf Protein, Fett und Gewürze haben, kaufen wir uns einfach eine von den Fleischalternativen, die uns genau das liefern, was wir wollen: Ein richtig schönes Suppenkoma. Bloß eben zeitgemäß.
Und klar, auch wenn wir tatsächlich einen Fleischburger essen, dann verurteilen wir uns nicht. Denn wem hilft das schon? Viel wichtiger ist es, anschließend vegan weiterzumachen.
Und wenn wir wissen, dass wir dürften wenn wir wollten, lässt unser Bedürfnis zum Ausbruch allmählich nach. Und die "verbotene" Lust auf Fleisch auch.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig