Warum "Tierwohl" ein Propaganda-Begriff der Agrarindustrie ist
"Tierwohl" ist eigentlich ein schöner Begriff. Wenn er richtig verwendet wird.
- Unter "Tierwohl" stellen wir uns Rinder vor, die blinzelnd in der Sonne liegen und geruhsam wiederkäuen, während ihre sanften Blicke den unsicheren ersten Sprüngen ihrer Kälber folgen.
- Vielleicht denken wir an Schweine-Familien die durch den Wald stromern und die Erde nach Eicheln und anderen Leckereien durchsuchen.
- Oder auch an Hühner, die zufrieden Körnchen vom Boden picken, gefolgt von einer piepsenden Schar kleiner Küken...
"Tierwohl" ist ein toller Begriff, der uns an Harmonie, Gelassenheit und Einssein mit der Natur denken lässt.
Wenn aber die industrielle Tierhaltung mit all ihrer kriminellen Skandalen der letzten Jahrzehnte plötzlich mit "Tierwohl" wirbt... spätestens dann sollten die Alarmglocken schrillen.
"Tierwohl" sagt man heute, wenn einem Ferkel ein Schmerzspray auf die Hoden gespritzt wird, bevor die abgeschnitten werden. Nicht ganz ohne Betäubung also.
"Tierwohl" wird auf die Verpackung gedruckt, nachdem zutiefst traumatisierte Ferkel noch im Kindesalter im Schlachthof zerteilt wurden.
"Tierwohl" sagt man über die "Milchkuh", die 6 Kälbchen zur Welt gebracht hat und nicht eines davon näher kennenlernen und aufziehen konnte. Schließlich hat man ihr die Hörner nicht ausgebrannt.
"Tierwohl" sagen sie über die Kühe, die 270 Tage am Stück im Stall angebunden sein dürfen und sich nicht umdrehen können. Es hätten schließlich auch 365 Tage sein können.
Es wird klar: "Tierwohl" soll einem Begriff neue Bedeutung verleihen. Eigentlich ist es sogar ein Kunstbegriff. Denn vorher sprachen wir von "Tierquälerei" oder "Tierschutz".
Statt zu schauen, welche Bedürfnisse Tiere wirklich haben, orientiert man sich am Höchstmaß der möglichen Tierquälerei - um dann jedes Fünkchen weniger Grausamkeit gleich als "Tierwohl" zu vermarkten.
Als würde das psychopathische Kind auf dem Schulhof ein Sternchen ins Heft bekommen, weil es heute nur 4 statt 5 Kinder krankenhausreif geprügelt hat.
Doch Verbraucher messen einfach gerne mit zweierlei Maß. Gerade bei einem Thema wie der Tierproduktion, das sich nur ertragen (und mit den eigenen Werten von Güte und Tierliebe vereinen) lässt, wenn man wegsieht.
Bei keinem anderen Nahrungsmittel schauen Verbraucher so konsequent weg wie bei Tierprodukten.
Das "Tierwohl-Label" hilft beim Wegschauen. Genauso wie die Floskeln der Tierhalter, die sich als größte Tierfreunde überhaupt verstanden wissen wollen. Die jede berechtigte Kritik als Unwissenheit realitätsfremder Städter abtun.
Die Umdeutung des "Tierwohl"-Begriffs zeigt erneut, wie wenig der industriellen Tierhaltung an echten Verbesserungen gelegen ist.
Und der Staat verleiht dem Siegel auch noch eine Reputation, die er gar nicht geben könnte. Amtliche Kontrollen auf Tierhaltungsbetrieben finden ja bis heute nur alle Jubeljahre statt. Wenn überhaupt
Finanziert wird das Ganze aus Steuergeldern. Auch Veganer bezahlen für das Greenwashing in der Tierindustrie mit. Damit Fleischesser und Vegetarier nur nicht zu viele Skrupel bekommen, wenn sie Tierprodukte aus Tierquälerei konsumieren.
Daher: Lasst uns nicht teilhaben an dieser Verdrehung der Realität. Lasst uns nicht über "Tierwohl" sprechen, wenn es nicht tatsächlich um Tierwohl geht. Lasst sie nicht damit durchkommen!
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig