Fleisch aus dem Labor - eine echte Alternative?
Die Erzeugung von Fleisch ist seit jeher mit viel Gewalt gegen Tiere verbunden - und das wird wohl auch noch lange Zeit so bleiben. Doch es gibt Bemühungen, Fleisch künstlich herzustellen. Biotechnologisch, aus den Zellen eines lebenden Tieres. Diese neuartige Fleisch-Produktion im Labor soll dann völlig ohne Tierquälerei auskommen - und viele weitere Vorteile haben.
Doch ist das In-Vitro-Fleisch aus dem Labor eine echte Alternative zu Fleisch von getöteten Tieren? Und wäre das Labor-Fleisch vegan?
Pläne, Fleisch künstlich zu erzeugen, gibt es schon lange. Auch die IT-Unternehmer Sergey Brin (Google) und Bill Gates (Microsoft) sollen bereits in die Entwicklung von Labor-Fleisch investiert haben. Natürlich geht es dabei nicht nur um Ökologie und Ethik - sondern auch um viel Geld.
Und tatsächlich sprechen viele gute Gründe für Fleisch aus dem Labor:
- Für In-Vitro-Fleisch muss kein Tier gequält und getötet werden.
- In-Vitro-Fleisch kann viel effizienter hergestellt werden, da der Anbau von Futtermitteln und die Verstoffwechslung der Tiere entfällt.
- In-Vitro-Fleisch ist ökologischer, weil es das Klima weniger belastet (besonders Rinder produzieren große Mengen Methangas).
- Das Labor-Fleisch benötigt geringere Landflächen und schont damit die Umwelt.
- Durch die gezielte Kultivierung und gentechnische Veränderung kann das Fleisch gesundheitlich optimiert werden (wie schon heute bei Fleisch von gentechnisch veränderten Tieren).
Fleisch aus dem Labor könnte fast 100x effizienter und ökologischer hergestellt werden als das Fleisch aus der Massentierhaltung, schätzen In-Vitro-Enthusiasten. Allerdings wird es noch eine ganze Weile dauern, bis das Fleisch aus dem Labor marktfähig wird.
Wenn es denn überhaupt so weit kommen sollte.
Scheitert das Labor-Fleisch am schlechten Ruf?
Denn Biotechnologien haben - zumindest in Europa - keinen besonders guten Ruf. Allein die Vorstellung, fleischige Klumpen aus dem Labor zu verzehren, wird nicht jeden Fleischesser das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. Es erinnert schließlich doch sehr an Frankensteins Labor.
Andererseits sieht es in den heutigen Massentierhaltungen und Schlachtfabriken auch nicht sehr appetitlich aus. Doch während traurige Nutztiere automatisch, durchoptimiert und robotergestützt gemästet werden, werden ihre Produkte mit traditioneller Bauernhof-Idylle vermarktet. Und der Verbraucher erwartet es auch nicht anders.
Warum sollte das nicht auch mit In-Vitro-Fleisch funktionieren? Vorteile hätte es allemal, wenn das Labor-Fleisch die heutige Art der Fleischerzeugung beenden kann.
In-Vitro-Fleisch: Besser als nichts.
Denn die Tierhaltungen töten nicht nur Tiere, sondern nutzen ganze 30% der weltweiten, eisfreien Landfläche (u.a. für den Anbau von Futtermitteln). Menschen sterben, während Getreide an Nutztiere verfüttert wird. Massentierhaltungen bieten ideale Brutstätten für Seuchen, die auch Menschen gefährden. Die Übersäuerung der Meere geht wesentlich auf die Tierhaltungen zurück. Tierhaltungen heizen dem Klima stärker ein als der gesamte Verkehrssektor. Es scheint so gesehen nicht besonders schwer, die Produktion von Lebensmitteln zu verbessern. In-Vitro-Fleisch könnte ein Weg sein.
Labor-Fleisch könnte eine Alternative sein, für Fleisch-Fanatiker, die für vernünftige ökologische, gesundheitliche und soziale Argumente nicht zu begeistern sind. Die technische Entwicklung und bezahlbare Produktion hätte aber nur dann eine Chance, wenn die staatlichen Subventionen für die konventionelle Fleischerzeugung zugleich zurückgefahren würden. Denn die schützen Fleischhersteller heute vor der freien Marktwirtschaft und machen Fleisch erst so konkurrenzlos billig.
Labor-Fleisch: Eine nicht ganz perfekte Alternative
Bei der Vermarktung müssten sich die Biotechnologen womöglich ein paar Tricks von den heutigen Fleischerzeugern abkupfern, um ihrem Produkt seinen Ekelfaktor zu nehmen.
Eine wirkliche Alternative ist das Fleisch aus dem Labor aber auch nicht. Eine vegane Lebensweise ist immer noch ökologischer, gesünder - und zugleich auch viel natürlicher und ursprünglicher.
Und: Eine vegane Ernährung ist heute problemlos möglich, während die Marktreife und Massentauglichkeit von Labor-Fleisch wohl erst in einigen Jahrzehnten zu erwarten ist. Um das Jahr 2020 soll Fleisch aus dem Labor öffentlich verfügbar sein, prophezeien Biotechnologen - zu einem stolzen Preis von etwa 100 Euro pro Kilo. Ob das klappt, ist noch völlig ungewiss.
Macht künstliches Fleisch überhaupt Sinn?
Es gibt bereits pflanzliche Lebensmittel, die wie Fleisch zubereitet werden (darunter z. B. Seitan oder Sojaprotein). Selbst Profi-Köche haben in Verkostungen oft Schwierigkeiten, diese pflanzlichen Fleischalternativen vom Original zu unterscheiden. Pflanzliche Fleischalternativen sind also eine adäquate und bereits verfügbare, kostengünstige Alternative für alle, die würzigen Geschmack lieben, aber auf die Nachteile von Fleisch gut verzichten können.
Der Grund, dass pflanzliche Lebensmittel Fleisch noch nicht verdrängt haben, liegt wahrscheinlich in den vielen Vorurteilen, die immer noch gegenüber veganen Lebensmitteln bestehen. Hier stellt sich die berechtigte Frage, ob Labor-Fleisch hier eine Chance hätte.
Ist In-Vitro-Fleisch vegan?
Ob künstlich erzeugtes Fleisch aus dem Labor für Veganer geeignet ist, wird zu gegebener Zeit noch für reichlich Diskussionsstoff sorgen. Denn viele Veganer haben sich für ihre Lebensweise entschieden, weil sie keine Tiere quälen lassen möchten. Fleisch, das ohne jegliche Tierquälerei erzeugt werden kann, wäre unter diesem Gesichtspunkt womöglich durchaus akzeptabel. Dass Labor-Fleisch als "vegan" bezeichnet wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Denn es ist trotz allem ein Tierprodukt.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig