Fleischsteuer, oder: Viel Debatte, wenig Wirkung
In Deutschland wird über die Einführung einer Fleischsteuer diskutiert. Und dafür ist es höchste Zeit, denn wie lange sollen die Kosten der Fleischproduktion und ihrer Folgen noch der Allgemeinheit angelastet werden?
Leider ist die derzeitige Debatte über eine Fleischsteuer kaum mehr als ein schlechter Scherz. Was uns als "Fleischsteuer" verkauft wird, ist nicht einmal eine echte Steuer. Ein Kommentar von Vegpool-Gründer Kilian Dreißig.
Die Erzeugung von Tierprodukten gehört zu den wichtigsten Ursachen für die Klimakrise. Die Gewohnheit, massenhaft billiges Fleisch zu essen, ruiniert unseren Planeten. Daher dürfen die Folgen nicht weiter ignoriert werden. Fleisch muss endlich teuer werden.
Auch die Gesundheit ist betroffen.
Jeder zweite Bürger in Deutschland ist übergewichtig oder adipös. Jeder Zehnte hat Diabetes Typ 2. Die WHO warnt seit vielen Jahren vor den Krebsrisiken von rotem Fleisch und Wurst. Fehlernährung und ein Mangel an Obst und Gemüse zählt laut WHO zu den zehn wichtigsten Krebsrisiken überhaupt.
Der ungesteuerte Fleischkonsum zerstört die Umwelt und macht auch die Menschen krank. Daher ist eine Fleischsteuer grundsätzlich sinnvoll.
Wenn Fleisch deutlich teurer wäre als heute, würden die Menschen weniger davon essen - dafür aber gesündere und günstigere Lebensmittel. Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte, zum Beispiel.
Kommt endlich eine echte Fleischsteuer?
Es gäbe also viele gute Argumente, Fleisch wirksam zu versteuern und verteuern. Doch die aktuelle Diskussion über die Einführung einer Fleischsteuer ist absurd hasenfüßig.
Es geht zur Zeit nicht einmal um eine echte Steuer, sondern einfach darum, Fleisch an der Kasse nicht mehr steuerlich zu begünstigen. Denn aktuell wird Fleisch mit sieben Prozent Mehrwertsteuer besteuert, nicht aber mit dem normalen Mehrwertsteuersatz von 19%.
Der Wegfall einer steuerlichen Begünstigung ist aber noch lange keine Steuer!
Okay, könnte man sagen, immerhin macht das Fleischprodukte teurer. Und das stimmt. Im Prinzip. Doch die "Fleischsteuer" setzt genau dort an, wo sie am wenigsten bewirkt. Und sie lenkt damit von den Hebeln ab, die etwas verändern könnten.
Weiterhin starke Subventionierung von Fleisch
Die Fleischerzeugung in Europa wird massiv aus Steuergeldern subventioniert. Jeder Schritt - von der Aufzucht bis zur Schlachtung - wird von den Bürgern mitfinanziert. Jeder Steuerzahler (auch Veganer und Vegetarier) zahlt also mit, damit Fleisch an der Kasse so billig wirkt.
Die Erhöhung des Umsatzsteuersatzes auf stark subventioniertes Fleisch wirkt so, als würde man mit der Wasserpistole auf ein brennendes Haus spritzen, während man gleichzeitig kanisterweise Benzin dazu kippt.
Auch eine Verbesserung der Tierhaltung wird es durch die diskutierte "Fleischsteuer" nicht geben. Zumal es keine themenspezifischen Steuern gibt - alles fließt in einen Topf.
Für eine etwas weniger schlechte Behandlung von Tieren wäre auch gar keine "Fleischsteuer" nötig. Ein erster Schritt wäre es schon, das bereits geltende Tierschutzgesetz konsequent durchzusetzen. Und an wirksamen Kontrollen mangelt es, wie Skandal um Skandal zeigt.
Doch rechnen wir den Effekt der aktuell diskutierten "Fleischsteuer" einmal nach.
Nachgerechnet: Das würde eine "Fleischsteuer" verändern
Gehen wir von einem Pfund Hackfleisch für 3,19 Euro aus. In den 3,19 Euro sind 7% Mehrwertsteuer enthalten, das entspricht 21 Cent. Der Nettopreis liegt bei 2,98 Euro.
Würden Kunden an der Kasse nicht 7%, sondern 19% Mehrwertsteuer zahlen, würde der Preis für ein Pfund Hackfleisch auf 3,55 Euro steigen. Eine Preiserhöhung von gerade einmal 36 Cent.
Angesichts der Folgen der globalen Fleischerzeugung für Umwelt, Klima und Gesundheitssystem ist das ein Witz. Eine Absage an alle jungen Menschen von "Fridays for Future", die angesichts der Klimakatastrophe echte Zukunftssorgen haben. Sorgen, die sie mit Klimawissenschaftlern teilen!
Die aktuelle Diskussion über eine "Fleischsteuer" zeigt genau eines: Man möchte das heiße Thema nicht anfassen, nicht an den Subventionen schrauben. Sollen weiterhin alle Verbraucher für Fleisch bezahlen. Sollen sich nachkommende Generationen mit den Folgen auseinandersetzen.
Solange Fleisch massiv aus Steuergeldern subventioniert wird, ist die Diskussion über eine "Fleischsteuer" (die ja gar keine ist) nichts als Schaumschlägerei. Es ist ängstlicher Aktionismus in einem Land, in dem Bauernverbände (zusammen mit der Automobilindustrie) die mächtigste Lobby stellen.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig