Tierschutzskandale: Warum Deutschland endlich wirksame Kontrollen braucht
Deutschland hat ein echtes Problem mit dem Tierschutz. Obwohl der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist, ist davon in der Realität kaum etwas zu bemerken. Oder anders gesagt: Die Behörden schauen viel zu oft weg. Davon profitieren kriminelle Tierhalter, die selbst bei schwersten, dokumentierten Verstößen oft mit einer geringen Geldbuße davon kommen. Ein Kommentar von Vegpool-Gründer Kilian Dreißig.
Wenn Tierarzt, Tierhalter und Kontrolleur im selben Dorf wohnen, zum selben Stammtisch gehen und Tag für Tag zusammen arbeiten, entstehen Interessenskonflikte. Dazu kommt die Übermacht der Agrar-Verbände in Deutschland, mit Verbindungen bis in die höchsten Ebenen der Politik. Bislang obliegt es offenbar Undercover-Journalisten, Tierschutz-Missstände in der Landwirtschaft zu dokumentieren und öffentlichen Druck aufzubauen, damit sich überhaupt etwas bewegt.
Doch es kann nicht sein, dass die Kontrolle, ob Tiere rechtmäßig gehalten werden, weiterhin einzig den Tierschutz-Organisationen wie PETA oder SOKO Tierschutz obliegt!
Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörden, das Gesetz durchzusetzen und die dafür nötigen Kontrollen durchzuführen. Und gerade im Bereich der Agrar-Industrie - also jener Bauern, die großteils vollautomatisch und im industriellen Stil Tiere verwerten - sind die Zuständigen offenbar auf einem Auge blind.
Agrar-Verbände beteuern stets mit großer Penetranz, es handele sich ausschließlich um Ausnahmefälle. Man dürfe nicht den gesamten Berufsstand der Bauern verunglimpfen. Doch genau darin liegt bereits ein Irrtum: Es sind gar nicht die "Bauern", bei denen solche Zustände aufgedeckt werden. Es sind fast immer Agrar-Unternehmer, die mit dem, was Verbraucher unter "bäuerlicher Landwirtschaft" verstehen, nichts zu tun haben.
Große Lobby-Verbände argumentieren mit redlichen Landwirten, zeigen Fotos von jungen Familien und glücklichen Tieren - und schützen damit Agrar-Kriminelle. Tierschützer beklagen seit vielen Jahren, dass wohl ein Großteil der Industrie-Tierhalter in Deutschland außerhalb des Gesetzes agiert. Weil einfach keine Kontrollen stattfinden.
Betroffen sind in großer Mehrzahl Agrar-Unternehmer, die mit EU-Subventionen (aus Steuergeldern) riesige Tierhaltungen aufbauen, in denen die Tiere aus Kostengründen kaum mehr als eben gerade "überleben" können.
Es muss den Tieren dabei nicht "gut" gehen, wie Industrie-Bauern regelmäßig beteuern. Es ist bereits profitabel, wenn die meisten Tiere überleben. Bei der Planung neuer Massentierhaltung werden Sterberaten bereits einkalkuliert.
Für diese Industrie-Bauern sind Tiere bloß Mittel zum Zweck. Wie ein Stück Holz.
Doch sie leiden. Oft entsetzlich und über viele Wochen und Monate hinweg.
"Nutztiere" in Deutschland leiden unvorstellbar. Die Macht der Bauern-Verbände ist etwa so groß wie die der Automobilindustrie. Zugleich pflegen deren Lobbyisten und Talkshow-Rabulisten das Märchen vom armen Bauern, der ums Überleben kämpft. Unverstanden von den Großstädtern, die doch gar keine Ahnung hätten.
Und ja, es gibt sie, die ehrlichen, anständigen Bauern. Allein: Von den Bauernverbänden werden sie kaum unterstützt. Sie haben ihre eigenen Vereinigungen. Bio-Verbände, zum Beispiel. Werden von ihren Industrie-Kollegen belächelt und oft sogar bekämpft.
Das deutsche Tierschutzgesetz ist im internationalen Vergleich Mittelmaß - die Durchsetzung jedoch katastrophal. Das Gesetz, das Tiere vor vielen Arten von Quälerei schützen soll, wird schlicht nicht wirksam umgesetzt. Oder anders gesagt: Es ist die Ausnahme, dass in einem Betrieb wirksame Kontrollen stattfinden, die Tierquälerei nachhaltig unterbinden.
Und die Agrar-Lobby (also die Lobby der Industrie-Tierhalter) tut ihr Bestes, damit sich daran nichts ändert. Sie schaltet Marketing-Kampagnen, die den Verbraucher für dumm verkaufen. Die ihnen Verantwortlichkeit vorgaukeln, wo Kriminalität an der Tagesordnung ist. Und damit schadet die Agrar-Lobby selbst dem Berufsbild der Bauern und Landwirte in Deutschland.
Denn es gäbe Möglichkeiten, um den Tierschutz in Deutschland zu stärken - und die Durchsetzung des Gesetzes zu verbessern. Tierhalter sollten ein Interesse daran haben. Denn nie war das Image der Bauern in Deutschland so schlecht wie heute. Zu Unrecht, denn viele Bauern haben durchaus eine Berufs-Ehre und leisten redliche Arbeit.
Wirksame Maßnahmen wären zum Beispiel:
- Unangemeldete Kontrollen durch unabhängige, überregional tätige Stellen (also nicht der Tierarzt vom Nachbardorf, den man beim Stammtisch regelmäßig trifft)
- Konsequente Bestrafung von notorischen Tierquälern, bis hin zum Tierhaltungsverbot.
- Videoüberwachung in kritischen Bereichen und ein Sachkundenachweis für Tierhalter.
Landwirte, Agrar-Funktionäre und Politiker, die solche Maßnahmen ablehnen, stärken jene, die das Tierschutzgesetz mit Füßen treten. Und sie schwächen den Verbraucherschutz. Denn wo keine Kontrollen stattfinden, gedeiht die Kriminalität.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig