Deshalb ist Vegan-Journalismus nicht "neutral" [Kommentar]
Es gibt einen Mythos, demzufolge Journalisten immer neutral sein müssten. Wenn eine Position dargestellt würde, müssten Journalisten eine gegenteilige Position gegenüberstellen.
Wie gesagt: Es ist ein Mythos. Journalismus ist niemals neutral oder gar objektiv – von objektiven Tatsachen einmal abgesehen. Er war es nie. Menschen haben immer eigene Perspektiven und Werte.
Vegan-Journalismus ist genauso wenig neutral, wie es nicht-veganer Journalismus ist.
Doch auch wenn Journalisten immer eine eigene Sichtweise mitbringen – und nicht neutral sein können -, gibt es dennoch Richtlinien, um typische Fehler zu vermeiden.
- Ich versuche, Sichtweisen zu verstehen, die sich von meiner eigenen stark unterscheiden. Am liebsten direkt vor Ort, wo man sich weniger vor eigenen Ängsten und Vorurteilen wegducken kann. Natürlich mit dem nötigen Respekt. Ich habe z. B. im Herbst 2023 einen Milchbauern auf seinem Hof besucht, um mich mit ihm auszutauschen.
- Ich versuche, auf moralische Wertungen zu verzichten (nicht: "die Tiere leiden unvorstellbar!") und stattdessen die objektiven Fakten zu schildern (z. B. "Mehr als 95 % der untersuchten Legehennen hatten mindestens einen Bruch des Brustkorbs"). "Show, don't tell" heißt das Prinzip. Leser treffen ihre Urteile selbst.
- Ich verzichte auf Zugehörigkeits-Codes und verwende eine Sprache, die außerhalb meiner Bubbles geläufig ist. Ich schreibe etwa über "Nutztiere" und "tierische Produkte" (statt "tierlich").
- Mit wachsender Erfahrung verändert sich manchmal meine Sicht auf ältere Artikel. Immer wieder überarbeite ich ältere Artikel mit entsprechendem Hinweis.
So schwer es für manche Vegan-Kritiker klingen mag: Ich verabscheue Ideologien! Ich mag einfache Weltformeln nicht, die am Ende oft nur der Selbstüberhöhung zu dienen scheinen.
Stattdessen möchte ich diesem so leicht ideologisierbaren Thema mehr Bodenhaftung verleihen. Ich bin überzeugt, dass unsere Gesellschaft von einer pflanzlicher(re)n Ernährung profitiert und möchte zu einer Debatte beitragen, deren Fokus auf praktischer Umsetzbarkeit liegt.
Wir brauchen keine "Neutralität", sondern einen fairen und respektvollen Austausch verschiedener Sichtweisen!
Und das ohne geheuchelter Objektivität – sondern von echten Werten getrieben.
Überarbeitung am 15.8.2024: Ursprünglich schrieb ich, dass Journalismus nie objektiv bzw. neutral sein könne. Gemeint war die persönliche Sichtweise, die immer von Werten geprägt ist. Anders sieht es natürlich bei objektiven Tatsachen aus. Das habe ich umformuliert. Danke an Felix.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig