Lohnt sich Veganismus für Krankenkassen?
Eigentlich ist die BKK Provita eine ganz normale, gesetzliche Krankenkasse. Doch anders als die meisten Krankenversicherungen in Deutschland, spricht sich die BKK Provita ausdrücklich für eine gesunde, vegane Ernährung aus. Dass das nicht nur eine Werbemasche ist, beweist Vorstand Andreas Schöfbeck, der selbst vegan lebt.
Im Interview erklärt er, wie es dazu gekommen ist - und warum sich die vegane Lebensweise für Krankenversicherungen lohnen könnte.
Vegpool: Guten Tag Herr Schöfbeck, die meisten Krankenkassen in Deutschland stehen der veganen Ernährung bisher skeptisch oder kritisch gegenüber. Sie hingegen sind Vorstand einer Krankenkasse und leben vegan. Wie kam es dazu?
Schöfbeck: Ich habe mich aus gesundheitlichen Gründen mit dem Thema Ernährung beschäftigt und bin dabei rasch auf die pflanzliche Ernährung gestoßen. Ich bin immer tiefer in dieses Thema eingestiegen; habe wirklich viel darüber gelesen. Besonders beeindruckt haben mich „Peace Food“ von Rüdiger Dahlke und die Erkenntnisse aus der „China Study“. Viele Impulse kamen auch von meiner Frau. Ich habe meine Ernährung der Gesundheit zuliebe umgestellt - und seither geht es mir viel besser.
Vegpool: Warum engagiert sich Ihr Unternehmen für eine vegane Lebensweise?
Schöfbeck: Es ist ein wichtiges Ziel für eine Krankenkasse, dass die Versicherten ihre Gesundheit erhalten oder wieder herstellen können. Da pflanzliche Ernährung vielen der sogenannten Volkskrankheiten vorbeugt, sind die Menschen, die sich so ernähren, gesünder. Es ist nämlich ganz offensichtlich, dass Krankheiten oft mit dem Lebensstil zu tun haben. Dies sehen Sie daran, dass es bestimmte Krankheiten in manchen Ländern gar nicht gibt.
Neben den gesundheitlichen Aspekten ist mir auch der Zusammenhang von Ernährung mit Ethik und Ökologie wichtig. Die BKK ProVita hat als erste Krankenkasse eine Gemeinwohlbilanz erstellt, in der sie ihre Bemühungen um vorgegebene, für das Gemeinwohl wichtige Themen schildert und von einem Auditor der Gemeinwohlökonomie bewerten ließ.
Das Vermeiden von Krankheiten ist eine lohnende Aufgabe
Vegpool: Veganismus hat ja Vorteile für Umwelt, Tiere und Gesundheit. Doch eine Krankenkasse muss wirtschaftlich arbeiten. Lohnt sich Veganismus wirtschaftlich?
Schöfbeck: Über die wirtschaftlichen Auswirkungen gibt es aktuell keine Untersuchungen. Aber, wenn man um die gesundheitlichen Folgen weiß, wird schnell klar, dass das Vermeiden von Krankheiten eine lohnende Aufgabe ist und sowohl die Krankenkasse als auch die Gesellschaft damit viel Geld sparen kann. Daneben ist die Erzeugung von Fleisch eine sehr teure Möglichkeit der Lebensmittelproduktion und an den Folgeschäden von Überproduktionen und Massentierhaltung werden noch unsere Nachfahren schwer zu tragen haben.
Was ist deine vegane Haupt-Motivation?
Vegpool: Könnten Sie sich vorstellen, durch ein Bonus-Programm einen Anreiz zu bieten, sich mit veganer Ernährung zu beschäftigen? Wie könnte das aussehen?
Schöfbeck: Ja, auf jeden Fall. Wir haben daher intensiv an einem entsprechenden Bonusprogramm gearbeitet und warten auf die notwendige Genehmigung unserer Aufsichtsbehörde, dem Bundesversicherungsamt. Sobald diese erteilt ist, gehen wir damit gerne in den nächsten Monaten an die Öffentlichkeit.
Unabhängig davon bieten wir für unsere Versicherten jetzt schon attraktive Extras zum Thema pflanzliche Ernährung: unsere Versicherten erhalten bei Präventionsreisen auf Wunsch pflanzliche Gerichte, wir unterstützen die Teilnahme am „Tölzer Veg“, wir bieten Ernährungsberatung – auch für pflanzliche Ernährung, in unserem Haus finden Vorträge und Workshops zum Thema statt und bei uns gibt’s die pflanzliche Kochbroschüre „Fit & gesund mit Pflanzenpower“ von Stina Spiegelberg. Vor kurzem haben wir in Kooperation mit dem VEBU die Aktion Pflanzenpower gestartet, die sich für pflanzliche Ernährung in Kindertagesstätten und Schulen stark macht.
Bonusprogramme bisher noch kaum möglich
Vegpool: Warum gibt es solche Bonus-Programme bisher noch nicht?
Schöfbeck: Das ist leider nicht ganz so einfach; wir wollten auch längst gerne eines anbieten. Vieles liegt nicht in unserem Ermessen. Solche Bonusprogramme müssen ein sehr komplexes Genehmigungsverfahren durchlaufen. Wir dürfen nur Leistungen bezahlen, die eine Grundlage und Anspruchsbegründung nach einer Vorschrift im Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) haben. Auch die Leistungen, die wir im Rahmen unserer Satzungsautonomie anbieten dürfen, sind im SGB V definiert. Wir haben schon diverse Versuche unternommen eine entsprechende Satzungsregelung zu gestalten. Zurzeit liegt unser neu konzipiertes Bonusprogramm beim Bundesversicherungsamt zur Prüfung und Genehmigung.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig