Fleisch essen - aus purem Gehorsam?
Machen wir uns nichts vor: Für das Fleischessen gibt es heute in unserer Gesellschaft keine vernünftigen Argumente mehr. Weder brauchen wir Fleisch für unsere Gesundheit, noch ist der Geschmack von Fleisch einzigartig und unverzichtbar.
Jeder kennt die Argumente, mit denen Fleischesser ihre Angewohnheiten verargumentieren. Und natürlich ist es jedem selbst überlassen, wie er seine wahren Motive umschreibt. Wenn Sie also weiter Fleisch essen wollen, soll dieser Text Sie nicht davon abhalten.
Doch Selbstreflektion kann auch dabei helfen, ein befreites, zufriedenes Leben zu führen. Einfach deshalb, weil in unserem Inneren oft ein Widerspruch zwischen Wissen und Gefühl herrscht. Weil wir Dinge tun, die wir als gut empfinden, obwohl wir wissen, dass sie eigentlich ziemlich nachteilig sind. Für uns und für Andere. Und obwohl wir wissen, dass wir von einer Umstellung sogar profitieren könnten. Psychologen bezeichnen dies als kognitive Dissonanz.
Aus dem Grund widmen wir diesen Artikel dem Gehorsam als Triebkraft hinter dem Fleischessen.
Der soziale Druck hinter dem Fleischverzehr
Gehorsam bedeutet, widerspruchslos einem Befehl zu folgen. Natürlich befiehlt einem heute keiner Fleisch zu essen. Zumindest nicht wörtlich. Abgesehen von den Familien, die ihre Kinder immer noch unter Gewaltandrohung dazu zwingen, "ihr Fleisch" aufzuessen.
Man könnte also meinen, die meisten Fleischesser äßen Fleisch freiwillig. Weil es eben schmeckt, weil es billig ist und natürlich wegen dem... na... dem... Dingens halt. Protein, ah jetzt! Puh!
Manche fühlen sogar eine Art Rebellion gegen die als übergriffig oder moralisierend empfundenen Vegetarier. Sie inszenieren sich als Opfer einer Verschwörung.
Doch ist es wirklich so? Essen Fleischesser aus freiem Willen Fleisch? Oder aus Gehorsam?
Stellt sich die Frage, wie frei dieser Wille in einem solchen Umfeld überhaupt sein kann. Immerhin sind die wohlbekannten Vorurteile über Veganer und Vegetarier nicht ganz zufällig entstanden. Meist werden sie zwar als Reaktion auf konkrete Vorfälle empfunden - und doch entstehen sie vor allem dort, wo Menschen keinen oder wenig Kontakt zu Vegetariern haben. Ähnlich wie Vorurteile über andere Randgruppen. Die Themen unterscheiden sich zwar, doch die Grundmechanismen sind häufig dieselben.
Diese Vorurteile haben - so humorvoll sie auch vorgetragen werden - eine durchaus schlagkräftige soziale Signalwirkung: Wenn Du so und so lebst, hast Du soziale Konsequenzen zu erwarten. Die da heißen: Ausgrenzung, Abwertung, Ignoranz. In schwerer oder minderschwerer Form.
Bestenfalls wird man geduldet, wenn man über seinen Ernährungsstil Stillschweigen bewahrt. Oder ihn mit einer Diät oder Mode begründet. Das lässt sich ja immer noch gut als Spleen abtun - und gefährdet somit nicht die eigenen Gewohnheiten.
Fleischesser gehorchen einem sozialen Kodex
Kurz gesagt: Fast alle Gesellschaften, die an den Fleischkonsum gewöhnt sind, haben einen klaren Kodex: Wer kein Fleisch isst, wird bestenfalls als "Pflanzenfresser" belächelt, oder gleich als Moral-Freak abgestempelt und aus der Gruppe gemobbt.
Ganz schlechte Karten hat, wer noch für weitere Klischees taugt und sich z. B. politisch engagiert. Denn da vermuten Fleischesser besonders viel Abwertung - und reagieren auf dieses Gefühl besonders emotional.
Sollte vegane Wurst "Wurst" heißen dürfen?
Dass diese Vorurteile existieren - und tatsächlich Vorurteile sind - haben übrigens psychologische Untersuchungen bereits wiederholt bestätigt. Darunter z. B. diese Studie, die unter anderem zu dem Schluss kam, dass Fleischesser Vorurteile entwickeln, wenn sie Sorge haben, von den (als ethischer empfundenen) Vegetariern abgewertet zu werden. Vorurteile als vermeintlicher Selbstschutz. Selbst wenn die Befragungen eine tatsächliche Abwertung durch Vegetarier gar nicht in dem genannten Ausmaß belegen konnten.
Fleischessen aus Angst vor Ausgrenzung.
Die verbreiteten und nicht hinterfragten Vorurteile sind also nichts anderes als ein implizites Gebot: Iss Fleisch, oder Du fällst aus dem sozialen Raster. Und unzählige Fleischesser gehorchen. Sie mümmeln gehorsam all die Produkte, die ihnen die Gesundheit verderben und unseren (und ihren) Planeten nachhaltig zerstören. Ganz abgesehen von den Auswirkungen für die Tiere.
Nur um nicht aufzufallen.
Manche Fleischesser kommen ihrer unterbewussten Motivation selbst auf die Spur. Bei den meisten Vegetariern und Veganern handelt es sich um solche Ex-Fleischesser. Andere Fleischesser bleiben aus Angst vor der sozialen Ausgrenzung aber oft weiterhin gehorsam gegenüber dem ideologischen Dogma des Fleischverzehrs. Ihnen bleibt gefühlt nur die Verdrängung mit all ihren Auswirkungen.
Es ist dauerhaft viel leichter, dem sozialen Druck standzuhalten - und von nun an dem eigenen Willen zu gehorchen. Das Gehorsamkeits-Dogma ist ein Schreckgespenst. Es entpuppt sich meist als nicht ansatzweise so schlimm, wie so oft befürchtet wird.
Oft hilft es, wenn man in schwierigen Diskussionen betont, dass man seine Mitmenschen als Vegetarier oder Veganer nicht per se ablehnt - und wenn man sich einen Freundeskreis sucht, der einen auch als rationaler handelnden Menschen akzeptiert.
Wer den Schritt zu einer veganen Ernährung wagt, wird schnell merken, wie unbegründet die meisten Sorgen tatsächlich waren. Unzählige Veganer berichten davon.
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Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig