Veggie79,
wenn ich dein Gedankenexperiment mal umformulieren darf:
Wenn wir diese gigantische, vollkommen sinnlose Industrie mit ihren vielen Zulieferern, Arbeitsschritten, Energie- und Wasserbrauch, Landraub und Bodenauslaugung einfach wegmachen - dann haben die Leute ja alle keine Arbeit mehr?
--> Die Arbeit um die Tiere, um ihr Futter und um ihre Verarbeitung ist, wenn wir Fleisch als nicht essentiell ansehen, sinnlos geleistete Arbeit. Genauso, wie in Amerika jetzt die sterbende Kohle wieder auferstehen soll: sie lohnt sich kaum mehr, sie ist dreckig und sie ist inzwischen immer schwerer zu bekommen - aber die Arbeitsplätze müssen bleiben? Das ist doch keine respektvolle Arbeit für die Leute mehr, sondern einfach nur noch staatlich subventionierte Beschäftigungstherapie, können wir die Leute auch gleich in WoW Gold farmen lassen, das macht wenigstens nichts kaputt.
Kurz zum Essen: Es ist ja nicht so, als würden Fleisch und Fisch und Milch und Eier auf einmal vollkommen ersatzlos wegfallen. Man isst ja durchaus dann eben ein wenig mehr Getreide, Gemüse oder sonstiges. Ausserdem fehlt auf der Welt ja eine ganze Menge essen, vor allem weil wir ja in letzter Zeit mit mehr Überschwemmungen, Bodenerosion und Feuern zu tun haben, die immer wieder Ernten vernichten. Erst gestern hat mir ein Obstbauer erzählt, dass am Bodensee durch den langen Frost und den Hagel recht viel Ernste ausfallen wird. Weiterin werden viele Felder ziemlich überstrapaziert. Da, wo vorher mal Regenwald stand, wächst für eine Zeit etwas - danach geht der Ertrag rapide runter, weil der Boden nicht mehr hergibt, also rodet man einfach mehr. Mit Düngern (und sogar mit Gülle, dem Wundermittel
) kann man ausgelaugte Böden nicht wieder remineralisieren, sie können oft auch einfach nicht so viel halten (daher kommt ja auch das viele Düngemittel im Grundwasser und den Seen, wird eben weggespült). Früher, als man noch nicht so gezielt düngen konnte, hat man Felder eben brach liegen lassen, da wuchs nichts drauf. Viele leisten sich das nicht mehr - das könnte man dann wieder. Die Produktion würde also nicht auf 10% heruntergefahren werden, wir würden mehr für Menschen auf der Welt anbauen können, könnten auch wichtige Flächen der Natur wieder zurückgeben (denn auch wenn die uns keine Miete zahlt, macht Natur ja auch Dinge wie CO2 binden oder reguliert Klima und hält Böden) und würden eben nicht so viel ünnötige Arbeit leisten.
Die Sorge um Arbeitsplätze kommt ja daher, dass nur die Lohnarbeit einem Menschen eine Existenzgrundlage geben kann. Wir brauchen hier viel Lohnarbeit, damit Güter hergestellt werden können und Geld gemacht werden kann, davon leben Leute. Sie tun etwas und dafür bekommen sie Geld. Welches Geld kommt ins Fleisch? Hier in der EU sind das dicke Subventionen und eben der Verkaufspreis der Erzeugnisse. Wo kommt das sonst hin? Subventionen würden neu verteilt werden. Subventionen sind ja auch quasi der Puffer, der das alte Tauschsystem abfedert und die Auswirkungen der Wirtschaft reguliert. Wenn man jetzt fragt, was wäre wenn? Würden auf einen Schlag viele Arbeiter, viel Infrastruktur und viele Subventionen "frei" werden. Die Schlachthäuser und Ställe - sind Platz, und Platz wird rar, den kann man immer brauchen. Die Subventionen - wird dir keiner sagen können. Wird der Topf für LW einfach genausobleiben und es wird mehr in nachhaltigere Landwirtschaft gesteckt, die dann eben auch mehr Leute ernähren könnte (weil es mehr davon gibt), wer weiß, kann auch in die Rüstungsindustrie gehen. Die Arbeitsplätze - die wären dann zwar weg, aber da wir zumindest in der EU noch so tun, als wären wir solidarisch, würden diese Leute finanziert werden müssen, da es meistens ungelernte Arbeiter mit Niedriglohn sind, die in den großen Schlachthäusern die Tiere im Akkord auseinandernehmen (die in Deutschland wohl auch aufstocken müssten - ich rede hier nicht vom selbstständigen Bio-Provinzmetzger mit eigener Schlachtung). Da sich durch die Angebotslücke wohl Werke, die Fleischersatz, Milchersatz oder ähnliches herstellen vermehren würden, wäre hier Potential da. Und das nur, wenn wirklich auf einen Schlag alles zu macht. Würde es langsam weniger werden würde man einfach weniger Leute benötigen, wie in der Kohle eben auch. Wo das Potential an Niedriglohnarbeiten noch großt ist - dafür beschäftige ich mich zu wenig mit diesem Sektor.
Das Problem, das hier groß ist: es gibt sehr wenige Arbeitsplätze für wenig bis gar nicht gelernte Arbeiter und das wird auch immer weniger werden, da kann man auch dagegen kein Fleisch anessen. Dafür muss generell eine langfristige Lösung gefunden werden. Im Abbau des Sozialstaats sehe ich das nicht, denn wenn wir wieder unregulierten Kapitalismus haben bekommen diese Leute auch nicht mehr und bessere Arbeit, sie sitzen wie früher dann vielleicht zu zehnt in einer 5-Zimmer Wohnung und schlafen in Schichten im selben Bett - davon gibt es einfach zu viele, die zu wenig zu tun hätten. Das hat dann aber nichts mehr mit deiner Frage zu tun XD
Ist mal lustig, ein wenig zu fantasieren^^ Du musst dich aber generell nicht als Wirtschaftsverbrecher fühlen, wenn du gerade kein Fleisch isst.