Dokumentation "Unser Saatgut" - die Rezension zum Film
Wenige Dinge galten früher als so wertvoll wie Saatgut. Saatgut und genetische Vielfalt waren - und sind - eine Art Überlebens-Garantie für ganze Kulturen. Selbstverständlich hatte früher jeder Bauer einen Teil der Getreideernte zurückbehalten, um im folgenden Jahr wieder aussäen zu können. Es war eine regelrechte Katastrophe, wenn Bauern ihr Saatgut verloren.
Heute scheint es in vielen Ländern der Welt ganz normal, wenn Bauern sich auf eine einzelne Sorte Saatgut spezialisieren. Saatgut, das durch gentechnische Veränderungen resistent gegen Ackergifte gemacht wurde. Gegen Chemikalien, die praktisch alles auf dem Acker töten - bis auf das präparierte Saatgut. Das erspart Bauern das anstrengende Jäten - und tötet mitunter auch Menschen in der Umgebung.
90% des Saatguts sind bereits verschwunden.
Die Konzentration auf einige wenige Kultur-Sorten hat dazu geführt, dass über 90% aller Kultursaaten inzwischen verschwunden sind. Selbst im Bio-Bereich werden überwiegend Hybrid-Sorten angebaut (auch wenn hier bereits ein Umdenken eingesetzt hat). Große Agrar-Konzerne freut's - denn die haben sich erfolgreich eine Marktlücke geschaffen, die es vorher schlicht nicht gegeben hat. Sie verkaufen nicht nur das Saatgut - sondern die passenden Chemikalien gleich mit. Mit Folgen, die Biologen als "Ökozid" bezeichnen: Das Aussterben ganzer Ökosysteme.
In ihrer bildschönen Dokumentation "Unser Saatgut" zeigen die Regisseure Taggart Siegel und Jon Betz die Hintergründe dieses Artensterbens beim Saatgut. Sie lassen Bauern, Aktivisten und Wissenschaftler aus der ganzen Welt zu Wort kommen (darunter auch Prominenz wie die indische Physikerin Vandana Shiva und die Verhaltensforscherin und Öko-Aktivistin Dr. Jane Goodall). Sie zeigen in "Unser Saatgut", wie sich Bauern erfolgreich gegen die Übermacht der Agrar-Konzerne zur Wehr gesetzt haben - und auch, warum der Kampf unbedingt weiter gehen muss.
Eine beeindruckende Dokumentation, die uns zeigt, warum Vielfalt auch beim Saatgut so wichtig ist. Schön fotografiert und mit viel Liebe zum Detail. Ein Film mit einer wichtigen Botschaft.
Von regionalen Sorten und Hybrid-Einerlei
Früher war es ganz normal, dass sich das Getreide des einen Bauern von dem eines anderen Landwirts unterschied. Über die Jahrzehnte hinweg hat sich das Saatgut an die regionalen Gegebenheiten angepassen können. Es gab Sorten, die besonders resistent gegen Hitze und Dürren waren, und andere, die gut mit Feuchtigkeit und Kälte auskamen.
Manche Sorten konnten natürliche Resistenzen gegen bestimmte Krankheitserreger entwickeln. Wurde ein Acker von einer Pflanzenkrankheit heimgesucht, konnten Bauern mitunter auf robusteres Saatgut eines entfernter lebenden Kollegen zurück greifen - und auf diese Weise zumindest die Ernte für das nächste Jahr sichern.
Vielfalt beim Saatgut war immer auch ein Schutz vor dem totalen Ernte-Ausfall. Oder wie ein Protagonist in "Unser Saatgut" sagt: "Genetische Vielfalt ist der Schutzwall zwischen uns und globaler Hungersnot".
Doch dieser Schutzwall bröckelt dramatisch.
Vielfalt als "Schutzwall" vor globaler Hungersnot.
Heute, wo weltweit oft nur noch eine kleine Anzahl an verschiedenen Getreidesorten angebaut wird, sind wir Menschen viel abhängiger von Ackergiften geworden. Ohne starke Chemikalien ließen sich Getreide-Schädlinge kaum noch aufhalten. Das gefährdet die Artenvielfalt im Umkreis - und verstärkt das Artensterben. Ein Teufelskreis, der nur unterbrochen werden kann, wenn sich Bauern aus der Abhängigkeit befreien - und Verbraucher nachhaltige Anbaumethoden zu schätzen lernen.
Wir tun daher gut daran, auch beim Saatgut wieder für mehr Vielfalt einzustehen. Schon im eigenen Interesse. Darauf macht der Film "Unser Saatgut - wir ernten was wir säen" aufmerksam. Mit schönen Bildern, spannenden Dialogen, viel Hoffnung und teilweise wirklich witzigen Protagonisten.
Hinweis: Vegpool ist Medienpartner der Dokumentation "Unser Saatgut".
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig