Bedeutet "vegan" auch "tierversuchsfrei"?
Vegan-Siegel geben Verbrauchern Auskunft darüber, ob ein Produkt ohne Tierprodukte hergestellt wurde. Doch manch ein Verbraucher fragt sich, ob ein Vegan-Siegel auch Tierversuche ausschließt. Bedeutet "vegan" auch "tierversuchsfrei"?
Leider nicht prinzipiell.
Beim Thema Tierversuche geht es Verbrauchern meist um Kosmetik. Denn viele kennen die grausamen Fotos aus Tierversuchslaboren - und möchten mit dem Kauf von Lippenstift und Gesichtscreme nicht dazu beitragen.
In Deutschland gibt es praktisch keine Kosmetik-Zutat, die noch niemals an Tieren getestet wurde. Praktisch jedes Kosmetik-Produkt enthält daher Zutaten, für die früher einmal Tierversuche durchgeführt wurden. Das gilt auch für Produkte mit "Vegan"-Siegel.
Das bedeutet zugleich aber nicht, dass man mit dem Kauf solcher Produkte auch heute noch Tierversuche fördern würde!
Dank der langjährigen Kampagnen von Tierschutzorganisationen gibt es zumindest im Bereich der Kosmetik wichtige Fortschritte in der EU.
Seit 2004 ist es in der EU verboten, kosmetische Endprodukte an Tieren zu testen. Seit 2009 dürfen in der EU auch keine neuen Inhaltsstoffe für Kosmetik an Tieren getestet werden. Seit 2013 ist es in der EU zudem verboten, Kosmetik zu verkaufen, für die im Ausland Tierversuche durchgeführt wurden.
Einige alte Produkte, die ehemals an Tieren getestet wurden, sind gleichwohl auch heute noch erhältlich.
Kosmetik in Deutschland ist heute - zumindest theoretisch laut Gesetz - immer tierversuchsfrei. Es spielt dabei keine Rolle, ob dies explizit gekennzeichnet wird.
Allerdings gibt es Schlupflöcher.
Das genannte Tierversuchsverbot gilt nämlich nur für Kosmetikprodukte. Für bestimmte Chemikalien, Wandfarben, Reinigungsmittel und Co dürfen bzw. müssen auch in Deutschland noch Tierversuche durchgeführt werden.
Und einige Unternehmen nutzen dies offenbar als Schlupfloch.
Ein Hersteller kann also heute vorgeben, eine Zutat für ein Reinigungsmittel an Tieren zu testen - und diese am Ende doch in Kosmetika einsetzen. Dieses Schlupfloch wird nach Angaben des Tierschutzbundes erst geschlossen sein, wenn für alle Bereiche der Stoffprüfung tierversuchsfreie Teststrategien existieren. [1]
Wer Tierversuche nicht unterstützen möchte, sollte nicht nur bei Kosmetik, sondern auch in anderen Bereichen darauf achten (z. B. bei Wandfarbe, Waschmitteln, Medikamenten und Co).
Teilweise decken die bekannten "Vegan"-Siegel der großen Organisationen den Bereich der Tierversuche ab. Das V-Label, das hierzulande von ProVeg lizenziert wird, schließt die Durchführung von Tierversuchen aus. Ebenso das Label der Vegan Society ("Veganblume").
Allerdings bedeutet das Fehlen eines solchen - für Hersteller oft kostspieligen - Vegan-Siegels nicht, dass das Produkt an Tieren getestet wurde. Im Zweifelsfall sollte man direkt beim Hersteller anfragen. Das hat den Nebeneffekt, dass der Hersteller auf die Weise direkt erfährt, was den Verbrauchern wichtig ist.
Was ist deine vegane Haupt-Motivation?
Nützlich für Tierfreunde sind auch Siegel wie der "Leaping Bunny" (springender Hase) oder das Siegel von Tierschutzbund und IHTN (Hase unter schützender Hand). Diese schließen Tierversuche ausdrücklich und umfassend aus.
Allerdings: "Tierversuchsfrei" bedeutet nicht zwingend auch "vegan". Denn auch Produkte, für die keine Tierversuche durchgeführt wurden, können Tierprodukte enthalten. Dann leiden Tiere zwar nicht für Experimente, aber für die Gewinnung von Tierprodukten.
Worauf du daher achten solltest, wenn du vegane und tierversuchsfreie Produkte kaufen möchtest:
- Bevorzuge Produkte mit offiziellem "V-Siegel vegan" oder "Veganblume", da diese Siegel Tierprodukte und Tierversuche ausschließen.
- Zusätzlich - oder falls der Hersteller nur ein eigenes Vegan-Symbol aufdruckt - solltest du auf ein lizenziertes Siegel achten, das Tierversuche ausschließt (siehe oben).
- Achte auch bei Wandfarben, Medikamenten und Co auf zuverlässige Siegel, die Tierversuche und Tierprodukte ausschließen.
- Frage ansonsten direkt beim Hersteller an, ob Tierprodukte enthalten sind und ob für das Produkt oder dessen Inhaltsstoffe - am besten auch für das gesamte Unternehmen - Tierversuche durchgeführt oder in Auftrag gegeben werden.
Noch ein Hinweis zum Schluss:
Die meisten Tiere leiden für die Produktion von Nahrungsmitteln. Der wichtigste Schritt gegen unnötige Tierquälerei ist daher der Umstieg auf eine vegane Lebensweise.
Tierversuche sind in vielen Bereichen gesetzlich vorgeschrieben und lassen sich nicht allein durch Boykott beenden. Hier gibt es wirksamere Methoden (z. B. das Engagement in einer Tierschutzorganisation).
Es ist sinnvoll, auf Siegel zu achten, die Tierversuche und Tierprodukte ausschließen. Doch wenn du bei jedem Produkt des Alltags (vom Holzleim bis zum Fahrradöl) mögliche Verbindungen zu Tierquälerei prüfst, in der Hoffnung, perfekt zu leben, wirst du schnell an deine Grenzen stoßen. Aus dem Grund empfehlen wir ein veganes Leben nach dem Pareto-Prinzip.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig