Agrar-Shitstorm: Bayern 3 knickt vor Milch-Lobby ein
Der öffentlich-rechtliche Popsender Bayern 3 (Teil des Bayerischen Rundfunks) hatte auf seiner Facebookseite einen harmlosen Post veröffentlicht, der darüber informiert, wie man mit drei einfachen Schritten nachhaltiger Kaffe konsumieren kann.
Doch jetzt ist der Post weg. Gelöscht in Folge eines Agrar-Shitstorms.
Die drei Tipps von Bayern 3 lauteten:
- Keine Milch im Kaffee.
- Bio-Kaffee kaufen.
- Eigenen Becher verwenden.
Für Menschen, die in den letzten Jahrzehnten nicht komplett in Isolation gelebt haben, also nichts wirklich Neues. Ein Post, der in der Facebook-Flut wahrscheinlich in kürzester Zeit untergegangen wäre.
Ganz anders sahen das in Protest geübte und online bestens vernetzte Milchbauern. Die Empfehlung von Pflanzenalternativen statt Kuhmilch ist aus ihrer Sicht "massive Bevormundung" (so ein großes Agrar-Magazin).
Noch einmal: Der Radiosender Bayern 3 gibt den harmlosen Tipp, statt Kuhmilch pflanzliche Milchalternativen zu nutzen. Aus Gründen der ökologischen Nachhaltigkeit und gedeckelt von gesundem Menschenverstand. Und natürlich von wissenschaftlichen Fakten. Denn Pflanzenmilch sind bekanntlich klimaschonender als der "Klimakiller" Kuhmilch.
Doch die Milchbauern starten einen Shitstorm, als gäbe es kein Morgen. Eine virtuelle Schlammschlacht, die denen gleicht, die bereits in der Vergangenheit inszeniert worden waren:
- Der Süßwarenhersteller Katjes warb mit befreiten Kühen für vegane Schokolade - und erntete einen Shitstorm.
- Edeka hat mit einem witzigen Spruch für veganes Eis geworben - und erntete einen Shitstorm.
Es gibt viele weitere Beispiele und unsere Redaktion ist leider zu klein, um jedes Mal darüber berichten zu können.
Routiniert in Szene gesetzte Protest-Stürme sind für die Milchindustrie offenbar das, was für andere Menschen Argumente sind. Und leider sind die Industrie-Landwirte damit immer noch erschreckend häufig erfolgreich.
Man habe nicht zum Boykott aufrufen wollen, hieß es dann auch kleinlaut in einer Antwort der Redaktion, die vom Verband der Milcherzeuger in Bayern stolz geteilt wurde. Die "wertvolle Arbeit", die in der Landwirtschaft geleistet würde, habe man nicht kritisieren wollen.
Tja, und was bleibt?
Wieder einmal ist es Milch-Bauern gelungen, mit ihrem Märchen der aufopferungsvollen und von der Gesellschaft missverstandenen Familienbetriebe redaktionell Einfluss zu nehmen und eine völlig berechtigte Darstellung unterzubuttern.
Ganz offensichtlich streben die Bauern keinen konstruktiven Diskurs oder gar wirklich ökologisches Handeln an. Ihnen geht es um pure Meinungs-Dominanz. Die beste Reaktion darauf wäre gewesen: Gar keine.
Schade, dass auch die Redaktion von Bayern 3 hier eingeknickt ist. Auch, weil dieses Kurzvideo über die Zubereitung eines Wurstbrots geblieben ist:
Bevormundung? Wir haben gute Argumente. Wir brauchen keinen Shitstorm.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig