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Warum Fleischverzehr asozial ist und trotzdem nicht geächtet wird

Hoher Fleischverzehr fördert Übergewicht
Fleischessen ist asozial - gilt aber nicht als asozial. Bild: Fotolia.com

Fleischverzehr ist asozial und jeder weiß es. Experten aller Wissenschaften (außer Kunstgeschichte) empfehlen seit Jahren, weniger Fleisch zu essen. Okay, vielleicht sagen das sogar Kunstgeschichtler.

Klimaforscher sagen, dass die Klimakrise unkontrollierbar und existenzbedrohend für die Menschheit wird. Dass Hungersnöte drohen, auch in Europa. Die Tierproduktion spielt dabei eine Hauptrolle. Und damit auch der Fleischkonsum.

Umweltschützer warnen, dass allein die Folgen des Futtermittel-Anbaus die Urwälder massiv bedrohen.

Und natürlich sterben Menschen jedes Jahr an Krebs im Enddarm, einer der häufigsten Krebserkrankungen in Deutschland. Auch hier zahlt die Allgemeinheit für die vermeidbaren Folgen schlechter Ernährung mit.

Der Fleischverzehr beschert uns also eine Zukunft, unter der wir alle zu leiden haben werden. Dieses Handeln ist definitionsgemäß asozial.

Der Artikel soll dazu anregen, die Handlung des Fleischverzehrs mit den eigenen Werten abzugleichen. Die Kritik am Fleischverzehr als Handlung richtet sich ausdrücklich nicht gegen Menschen als Person. Wir haben als Menschen alle dieselben Möglichkeiten, unser Verhalten zu hinterfragen und zu ändern.

Wenn man die Fakten anschaut, ist Fleischkonsum eindeutig asozial. Fleischverzehr ist nur auf Kosten der Allgemeinheit möglich. Auch Vegetarier und Veganer müssen die Folgekosten der Produktion von Fleisch mitbezahlen.

Wie sie das machen? Über ihre Steuern. Und nicht vergessen: Schon die Mehrwertsteuer liegt bei 19%.

Auch Vegetarier und Veganer zahlen mit, damit Überlaufbecken, Staumauern und Pumpeinrichtungen angeschafft werden können. Um die Rettungskräfte zu verstärken, für die Unwetter, die kommen werden.

Die Stürme, die Dauerregen, die Dürren... Wetterextreme, die uns alle treffen werden.

Die Tierproduktion ist bekanntermaßen ein Klimakiller. Wir alle müssen bezahlen, weil das Fleischessen einfach asozial ist.

Und dann natürlich die ethische Dimension. Tiere werden ja nicht einfach nur "gezüchtet" und dann "geschlachtet". Es gibt Blutergüsse wegen der Schläge. Die gebrochenen Beine auf den kotverschmierten Böden. Mangelernährung und Bauchschmerzen. Reizarmut und Aggressionen. Die Transporte. Die wochenlange Mast...

Diese Folgen werden in keinem Kassenzettel je enthalten sei. Wie sollten sie auch. Fleischkonsum ist schlicht asozial - und tödlich.

Doch während das Pinkeln in öffentliche Blumenkübel mitunter wilde Sanktionsmaßnahmen aus der Bevölkerung nach sich zieht ("Sie Sauhund, doch nicht in die Geranien!"), wird Fleischverzehr bis heute als etwas völlig Legitimes angesehen.

Als etwas, das einfach nur eine persönliche Vorliebe zum Ausdruck bringt. Geschmackssache eben.

Dabei ist Fleischverzehr ungefähr so stilvoll, wie verschwitzt in einen öffentlichen Whirlpool zu steigen. Nur eben viel asozialer.

Fleischverzehr ist keine Geschmackssache. Es ist höchst asozial.

Woran also liegt es, dass Fleischkonsum trotz der immens hohen Folgekosten immer noch geduldet und akzeptiert wird? Als gäbe es schlicht keine guten Gründe gegen Fleisch, die wir als "rationale Wesen" verstehen könnten?

Ich denke, es gibt drei Haupt-Gründe dafür, dass Fleischverzehr zwar asozial ist, aber nicht als asozial gilt.

  • Fleischkonsum gilt als normal.
    Und was "normal" ist, kann ja nicht schlecht sein. Doch der Eindruck trügt. Der Trend zu einer pflanzliche(re)n Lebensweise vollzieht sich in Windeseile. In jüngeren Altersgruppen gilt vegane Ernährung als völlig normal. Fleischessen ist nicht nur das neue Rauchen. Es ist noch viel asozialer.

    Es erinnert mich oft an die Mobilitätswende. Obwohl es immer mehr Radfahrende gibt, sieht man auf der Straße vor allem die Autos. Und denkt dann, man allein könnte ja eh nichts verändern. Obwohl 10x mehr Fahrräder unterwegs sind als noch vor ein paar Jahren. Jeder Veganer ist ein lebender Beweis dafür, dass es anders geht. Von den persönlichen Vorteilen mal ganz zu schweigen.

  • Ideologie Karnismus.
    "Karnismus" ist der Name einer Ideologie, die Menschen dazu bringt, Fakten zu verdrängen, um sich das Fleischessen schönzureden. Karnismus führt zu Sätzen wie "Wir haben immer schon Fleisch gegessen", "Tiere sind doch extra dafür da" und "Ich lasse mir nichts verbieten".

    Die Ideologie des Karnismus versucht stur, ein wackelndes Weltbild aufrecht zu halten. Alle kennen die Fakten, zumindest grob, doch das Gefühl von sozialem Rückhalt und "Normalität" macht uns faul und träge. Weil Nachdenken anstrengend ist, und weil Veränderung Angst macht.

    Niemand sucht sich seine Ideologien selbst aus, doch die Allgemeinheit hat ein legitimes Interesse, sich vor den Folgen zu schützen.

    Denn die Fakten ändern sich nicht, nur weil es so leicht ist, die Folgen des Fleischverzehrs zu verdrängen. Und die Folgen treffen alle. Fleischesser, Vegetarier und Veganer.

  • Fleisch gilt als Symbol für Männlichkeit und Wohlstand.
    Das wurde psychologisch gut untersucht - und ist irgendwie echt absurd. Denn: In Europa essen Menschen aus unteren gesellschaftlichen Milieus deutlich mehr Fleisch. Das Symbol für Wohlstand ist also zugleich de Facto ein Indiz für sozialen Abstieg. Siehe unser Interview mit einem Psychologen!

    Das Symbol für Männlichkeit steht zudem in krassem Gegensatz dazu, dass hoher Fleischkonsum Impotenz bei Männern begünstigen kann. Es ist so absurd wie es klingt. Aus einem krebserregenden Nahrungsmittel (warnt die WHO!) wird aufgrund einer aus der Zeit gefallenen Phantasie noch heute ein Symbol für Männlichkeit und Wohlstand... Die Werbung greift diese Symbolik natürlich dankbar auf.

Fleischsteuer als erster Schritt

Man kann die Fakten bekannter machen, Informationen verbreiten, Diskussionsabende organisieren und so weiter... und doch ist erkennbar, dass nur ein relativ kleiner Teil der Bevölkerung bereit ist, das asoziale Verhalten des Fleischverzehrs kritisch - und konstruktiv - zu hinterfragen. Ohne es als Angriff auf die eigene Person zu interpretieren.

Es bleibt also kein anderer Weg, als Gesetze zu schaffen, die die Gesellschaft vor der Asozialität und den Folgen des Fleischkonsums wirksam schützt.

Eine Fleischsteuer wäre ein erster Ansatz, um eine Lenkungswirkung zu erzielen. Wer Fleisch essen möchte, muss zudem auch für alle Folgeschäden aufkommen. Daher müsste im Kaufpreis auch ein Teil Reparaturleistungen für Umwelt- und Klimaschutz integriert werden.

In Schulen muss faktenbasiert Ernährungsbildung integriert werden. Kinder müssen lernen, wie eine gesunde, zukunftsfähige Ernährungsweise aussieht.

Sie müssen lernen, dass Fleisch in Urzeiten einem Teil der Menschheit zum Überleben gedient haben mag - und dass es heute umso wichtiger ist, auf zeitgemäße, pflanzliche Ernährungsweisen umzusteigen. Ebenfalls fürs Überleben.

Fleischessen ist asozial - aber kein Grund, asozial zu werden.

Natürlich geht es nicht darum, einzelne Menschen zu beschuldigen. Kindern wird bis heute regelrecht eingebläut, dass sie das verdammte Stück Fleisch essen müssen! Menschen verstehen Kritik am Fleischverzehr leider oft als Kritik an der eigenen Person. Und sie "wehren" sich, indem sie Veganer beschimpfen.

Obwohl Fleischverzehr als Verhalten asozial ist, sollten wir auch als Vegetarier und Veganer nicht asozial mit Fleischessern umgehen. Wir können zeigen, dass es auch anders geht. Wir können von unseren Erfahrungen berichten und ihnen Rückhalt bieten. Damit sie selbst eine kluge Entscheidung treffen können, ohne die Angst vor dem sozialen Ausschluss.

Die meisten Argument gegen Fleisch sind zugleich Argumente gegen den Verzehr anderer Tierprodukte wie Milch und Eier. Die gute Nachricht: Vegan zu werden ist vor allem eine Frage der Routine. Nach 4-6 Wochen ist es ganz normal. Vegan werden - die besten Tipps!

Der Artikel wurde am 13. Oktober 2023 überarbeitet und ergänzt.

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Fleischverzehr ist asozial und sollte geächtet werden.
Letzter Beitrag: 04.10.2023, von verdooft.

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AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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