Zitat habanero79:
Alle die vegan leben sind gut, und alle die nicht vegan leben sind böse. Ich weiß nicht ob du schon immer vegan warst, aber ich war es 39 Jahre nicht. Während dieser Zeit hätte ich mich nicht als schlechten Menschen bezeichnet. Charakterlich war ich nicht viel anders als jetzt. Nur das es eben unter der Oberfläche gebrodelt hat.
Ich denke bei 99% der Menschen brodelt es auch unter der Oberfläche. Leider haben die wenigsten die Charakterstärke sich den Tatsachen zu stellen. Ihnen deswegen aber gleich einen schlechten Charakter zu unterstellen halte ich aber schon für etwas extrem dargestellt. Genau wie die Aussage, Nicht-Veganer gleichzusetzen mit Menschen die auf der Straße bei Gewalttaten wegsehen würden...
Nicht alle Personen, die vegan leben sind gut. Das sage ich nicht. Ich sage auch nicht, dass jede nicht vegan lebende Person gleichermaßen schlecht ist. Es gibt enorm viele Abstufungen zwischen gut und böse. Vegan zu sein ist ein Faktor. Ein sehr sehr aussagekräftiger, ausschlaggebender und weitreichender Faktor, aber es gibt noch andere Faktoren. Jemand der vegan lebt könnte z.B. in vielen anderen Hinsichten oder anderen ausschlaggebenden Faktoren komplett verdorben sein. Es ist aber kaum ein Faktor so enorm aussagekräftig, ausschlaggebend und weitreichend. Auch kommt es auf die Beweggründe des veganen Lebens an. Taten sind aussagekräftig, die Gedanken dahinter aber auch. Jemand der sich vegan ernährt, weil ihm tierische Produkte nicht schmecken, ist eine schlechtere Person als jemand der sich aufgrund moralischer Belange vegan ernährt, auch wenn das Resultat in der Praxis identisch ist.
Ich lebe auch nicht seit jeher vegan. Mir war aber schon seit meiner Kindheit klar, dass es grausam ist Lebewesen zu verspeisen. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte die gesamte Welt direkt auf den Konsum von Fleisch verzichtet. Einige Kinder empfinden so. Kindern würde ich auch keine Vorwürfe machen. Kinder haben keinen Einfluss, keine Macht und noch kein Wissen. Sie akzeptieren die ihnen präsentierte Realität als Normalität, vertrauen ihren Eltern und glauben an die Kompetenz von Erwachsenen und eventuell auch das Vorhandensein von Gerechtigkeit. Dieser "Freifahrtschein" endet aber in der Jugend. In dem Alter sollte man sich bereits bewusst sein, dass die Welt nicht gerecht ist, es keine Rechtfertigung für Fleischkonsum gibt und Erwachsene oder generell Menschen häufiger nachlässig und inkompetent als kompetent sind. Wenn man in diesem Alter noch nicht vegetarisch oder vegan lebt, dann entscheidet die "Ausrede" darüber zu welchem Grad man gut oder böse ist. Ich habe in meinem vorherigen Post explizit erwähnt "freiwillig" und "mittlerweile". Personen die unfreiwillig Fleisch verzehren, weil sie kaum Zugriff auf Nahrung haben, kann man kaum Vorwürfe machen. Kindern, denen das Wissen und die Nahrung verfüttert wird, die ihnen die Eltern vorsetzen, auch nicht. Personen in der Vergangenheit kann man auch deutlich weniger Vorwürfe machen, weil das Thema Veganismus sehr unbekannt war, unsicherere Lebensverhältnisse herrschten und Fleischpropaganda betrieben wurde, ohne dass man Zugang zu Wissensquellen hatte oder zu dem Zeitpunkt noch gar keine Wissensquellen zu gesundheitlichen Aspekten existiert haben. Pythagoras und viele Pythagoreer vor ca. 2k Jahren haben sich aus moralischen Gründen schon Lacto-Vegetarisch ernährt. Es ist also auch kein Freifahrtschein, aber dennoch verständlicher. Meine "Ausrede" dafür, nicht direkt in der Jugend vegan zu leben ist, dass ich relativ pragmatisch im Großen und Ganzen denke. Ich habe mich wie ein machtloses Sandkorn in einer riesen Wüste gefühlt. Mein Handeln hat im Großen und Ganzen keinerlei Einfluss. Ich wurde so oder so schon ständig übergangen und benachteiligt, war viel zu lange viel zu naiv und gutmütig, ich wollte nicht schon wieder den Märtyrer für alle spielen, wenn es am Ende nicht mal irgendeinen Einfluss hat und der Großteil der Menschheit selbstsüchtig weiterlebt. Ich persönlich halte meine Ausrede für eine der besseren Ausreden, aber es macht all die Leichen, die auf mein Konto gehen nicht ungeschehen und ist im Grunde auch nur eine Rechtfertigung, damit ich mich besser fühle. Diese Leichen sind und bleiben unverzeihlich. Alles was man tun kann, ist den Kill Count nicht weiter wachsen zu lassen. In meiner Vorstellung schwebt über jedem Menschen eine Art Kill Count. Also eine Anzahl an Lebewesen, die für diese eine Person ihr Leben gelassen haben. Wenn man einen durchschnittlichen deutschen nimmt, kommt eine Menge zusammen. Im Durchschnitt werden pro Person über 60kg Fleisch pro Person im Jahr gefressen und im Durchschnitt wird eine deutsche Person 81 Jahre alt. Es ist der Durchschnitt. Klar muss man hier zwischen Geschlechtern und individuellen Personen
unterscheiden und auch beachten, dass eine Person als Säugling, der frühen Kind oder dem hohen Alter deutlich weniger Fleisch fressen. Im Laufe eines Menschenlebens häufen sich so aber etliche Lebewesen an. Mit dem Tod von auch nur einem Lebewesen, sollte es eigentlich direkt um eine Person geschehen sein, weil diese Person nicht mehr wert besitzt als das andere Lebewesen. Die Realität ist aber, dass für diese eine Person etliche gleichwertige oder sogar höherwertige Lebewesen sterben. Ich nenne sie höherwertig aufgrund ihrer Unschuld. Die Unschuld macht die moralisch überlegen und dieser Faktor nimmt Einfluss auf den Wert eines Lebewesens. Macht oder Intelligenz nimmt keinen Einfluss auf den Lebenswert.
Heutzutage ist Veganismus so bekannt und zugänglich wie noch nie. Die gesundheitlichen Vorteile sind bekannt und es gibt etliche Alternativprodukte. Man muss sich auch nicht mehr so fühlen, als wäre man allein und würde den Märtyrer spielen. Klar ist man immer noch die absolute Minderheit, aber es leben mittlerweile genug Leute vegetarisch, vegan oder flexitarisch, dass es Einfluss hat. Die Tendenz ist steigend, Alternativen gibt es immer mehr und aufgrund der heutigen Umweltfaktoren und eventuell auch Ausbrüchen wie Corona, wird zunehmend Druck auf Omnivores ausgeübt. Deshalb habe ich es so betont, dass gerade mittlerweile wirklich gute Gründe vorhanden sein müssen, weshalb man nicht vegan oder zumindest vegetarisch lebt. Es hat aber kaum einer gute Gründe. Die meisten haben nur faule Ausreden. Sie sollten zumindest zu ihrer Unzulänglichkeit stehen. All die Zeit in der ich mich wie ein Sandkorn in der Wüste gefühlt habe und nicht bereit war einen Märtyrer zu spielen, habe ich mich im
Verhältnis zum Großteil der Menschheit für eine moralisch enorm gute Person gehalten,
aber mir war seit meiner frühen Jugend bewusst, dass Personen die moralisch auch gut gestimmt sind, aber mehr danach handeln und sich zusätzlich mehr für das Allgemeinwohl engagieren und/oder vegetarisch/vegan leben, mir moralisch deutlich überlegen sind und demnach bessere Personen sind. Das habe ich anderen Personen gegenüber auch häufig explizit erwähnt und das schon Jahre bevor ich selbst überhaupt erstmals angefangen habe mich vegetarisch zu ernähren. Man sollte zu seiner eigenen Unzulänglichkeit stehen können, Selbstkritik verkraften und es ertragen können es offen zuzugeben, wenn andere Personen überlegen sind.
Du solltest dir mal die Kommentare zu Videos über Veganismus bei Youtube anschauen oder gewisse Interviews. Es brodelt nicht einmal im Ansatz bei 99% der Menschheit. Der Anteil ist leider deutlich geringer. Es wäre schön wenn das wahr wäre, aber es ist naiv an solch eine Gutmütigkeit zu glauben.
Und wie gesagt. Nicht vegan zu leben ist sogar schlimmer als bei Gewalttaten wegzuschauen. Wunden verheilen, aber eine Leiche wird nicht mehr lebendig. Außerdem ist wegschauen eine passive Handlung, auch wenn es eine aktive Entscheidung ist. Nicht vegan zu leben ist sowohl eine aktive Entscheidung wie auch eine tägliche aktive Handlung. Bei einer Gewalttat einzugreifen könnte einen selbst auch in Gefahr bringen. Wenn man vegan lebt profitiert die Gesundheit davon. In Gefahr begibt man sich hingegen beim Fressen tierischer Produkte.