Fleischbranche will 15 Mio. Euro in Image-Werbung investieren - pro Jahr.
Die deutsche Fleischindustrie sammelt Geld für groß angelegte Werbekampagnen. Damit möchte sie ihr ramponiertes Image aufhübschen.
Doch die Chancen für Erfolg stehen so schlecht wie nie zuvor. Die Fleischbetriebe sollten das Geld lieber mit Weitsicht investieren - in pflanzliche Alternativen. Ein Kommentar.
Nach Informationen des Fachmagazins Top-Agrar sollen im Jahr über 15 Millionen Euro zusammen kommen. Derzeit stünden die Vertragsunterzeichnungen an, heißt es dort.
Angedacht ist offenbar eine Werbeabgabe einzelner Betriebe, die sich an der Zahl der getöteten Tiere bemisst. Den Informationen nach zahlen Unternehmen, die mehr als 10.000 Schweine pro Woche schlachten, dann 30 Ct pro Tier in den Fördertopf "Branchenkommunikation".
Für geschlachtete Rinder sollen 1,20 Euro eingezahlt werden. Dabei sollen im Jahr allein mit Schweinen rund 12 Mio. Euro zusammenkommen. Und aus der "Rindfleischschiene" dann nochmal 3 Millionen.
Also 15 Millionen pro Jahr - allein mit Rindern und Schweinen.
Gekaufte Influencer, die sich für Fleisch "stark machen"?
Nach 39 Jahren staatlich gefördertem CMA-Marketing kann man schon ahnen, was da auf uns zu kommt!
Großformatige Anzeigen in Boulevard-Medien. Bezahlte "Influencer" auf Instagram, die sich für das "Qualitätsprodukt" Fleisch "stark machen", als wäre ein Rektalkarzinom ein Zeichen von Rückgrat.
Doch die Fleischbranche wirft das Geld zum Fenster raus.
Denn klar, Menschen sind zum Teil manipulierbar. Wenn man den Eindruck erweckt, Fleisch wäre total männlich, absolut wichtig für die Gesundheit und sozial keineswegs geächtet, dann springen immer ein paar Leute auf.
Wobei das mit dem "Aufspringen" eigentlich eher ein "Liegenbleiben" ist. Es bedeutet ja lediglich, nichts zu ändern. Und dafür sind 15 Millionen eine Stange Geld.
Fleischindustrie setzt auf Beharrungskräfte
Mit Appellen an die Vernunft wird die Industrie nicht punkten können. Weil einfach keine guten Argumente bleiben.
Doch 15 Millionen werden nicht ausreichen, um die Folgen der Fleischproduktion in ein hübsches Mäntelchen zu packen.
- Fleischproduktion ist hochgradig klimaschädlich und jeder weiß es,
- verarbeitetes, rotes Fleisch ist krebserregend, warnt die Weltgesundheitsorganisation seit Jahren,
- Gewalt gegen Tiere funktioniert nur, solange die Verbraucher nichts davon mitbekommen. Also muss die Industrie doch wieder auf die alten Strategien der Intransparenz setzen. Und das wiederum schadet dem Image. Ein Teufelskreis.
- Dazu kommt die Rohstoff-Verschwendung, die von der Industrie vornehm als "Veredelungsverluste" bezeichnet wird, ihr aber über kurz oder lang das Genick brechen wird.
Es liegt auf der Hand: Die 15 Millionen sind eine Verzweiflungstat einer Industrie, die die Augen verschließt vor dem, was offensichtlich ist.
Wie die Fleischbranche aus Ideologie ihre Chancen verspielt.
Und das ist doppelt tragisch. Denn: Noch hätte die Fleischbranche Chancen. Der Markt für nachhaltige(re) Alternativprodukte wächst rasant.
Die Industrie verfügt über gewachsene Vertriebsstrukturen, Kontakte, Kühlhäuser und Produktionsräume. Sie könnte sich einen Teil am veganen Kuchen sichern.
Nicht, dass wir was gegen junge Unternehmen mit etwas mehr Innovationskraft hätten... aber die Fleischbranche hat nun mal diesen Vorteil.
Man muss nur einen Blick in die Umsatzentwicklung von veganen Produkten in Einzelhandel werfen, um zu sehen, woher der Wind weht. Dazu noch einen schnellen Blick in die Klima-Prognosen des IPCC-Syntheseberichts von diesem Jahr. Und schon wird klar: Die 15 Millionen Euro werden nicht ausreichen.
Die Fleischindustrie ist ein sinkendes Schiff. Und die Kapitäne schöpfen das Wasser mit Fingerhüten. Darauf hoffend, dass sich das Problem mit etwas Werbung von selbst löst.
Über Jahrzehnte hat die Industrie über Vegetarier, Veganer und Flexitarier Häme und Spott verbreitet. Sie hat sich verschätzt. Offensichtlich.
Nun steht sie vor der Wahl zwischen einer gezielten Umgestaltung heute - oder einem unkontrollierbaren Kollaps morgen.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig