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Warum ein Liter Milch bald 9,37 Euro kosten könnte (oder mehr!)

9,37 Euro pro Liter Milch? Das könnte schon in 20 Jahren der übliche Preis sein! Bild: K/Vegpool / pixabay.com

Wer heute noch in Tierhaltung investiert, begibt sich in eine wirtschaftliche Abwärtsspirale, meint Vegpool-Redakteur Kilian Dreißig in diesem Kommentar.

Die Milchpreise explodieren. Nach einem letzten Tiefstand im Juni 2016 mit 23,1 Ct pro Liter sind die Erzeugerpreise mittlerweile auf bis zu 60 Ct pro Liter geklettert (Oktober 2022). Und es ist kein Ende in Sicht!

Nicht unwahrscheinlich, dass der Preis für einen Liter Milch schon in 5 Jahren bei 4,83 Euro liegt - und wenige Jahre später schon bei 9,37 Euro!

Hohe Milchpreise führen dazu, dass Verbraucher weniger Kuhmilch konsumieren und z. B. auf pflanzliche Milchalternativen zurückgreifen. Das bedroht die Milchwirtschaft.

Bereits heute ist Bio-Haferdrink vielerorts günstiger als Kuhmilch aus konventioneller Haltung!

Die Entwicklung der Milchpreise kommt dabei nicht überraschend. Über die Details kann immer spekuliert werden - dass der Milchpreis jedoch weiter explodieren wird, ist unvermeidlich.

Aktuell führen Landwirte und Agrar-Verbände die steigenden Kosten vor allem auf Rohstoffknappheit infolge des Ukraine-Kriegs zurück.

In der Tat: Russland und die Ukraine waren (und sind) extrem wichtige Lieferanten von Futtermitteln für Deutschland. Doch der Trend zu höheren Preisen ist global. Allein Sojaschrot ist im letzten Monat um fast 20% teurer geworden! [1]

Doch das ist keineswegs der einzige Grund für steigende Milchpreise. Die Debatte über Rohstoffe aus Russland und Ukraine lenkt vielmehr von drei Faktoren ab, die für Landwirte in der Milchindustrie von höchster Bedeutung sind. Gerade, weil sie so physikalisch und berechenbar sind:

Dabei werden diese drei Faktoren einen wesentlichen Einfluss auf die Preisentwicklung von Kuhmilch haben:

  • Veredelungsverluste in der Tierhaltung,
  • eine stark wachsende Weltbevölkerung und
  • eine sich verschärfende Klimakrise.

Doch hier einmal Schritt für Schritt:

Um einen Liter Kuhmilch zu gewinnen, verfüttern Landwirte ungefähr 250 Gramm Futter. [2] Einen Großteil davon wandeln Rinder in Körperenergie und Gülle um. Nur ein kleiner Teil der Futter-Kalorien landet in der Kuhmilch selbst. [3]

Während Politik und Medien über Lebensmittelverschwendung in Haushalten und Gastronomie debattieren [4], gehen in Tierhaltungen mitunter 4 von 5 Futter-Kalorien nutzlos verloren (die Zahl unterscheidet sich je nach Tierprodukt)!

Gleichzeitig wächst die Weltbevölkerung. Ein "Rekord-Sommer" reiht sich an den nächsten. [5] Die Folgen der Klimakrise sind offensichtlich. Landwirte sehen die Folgen bereits heute. [6]

Und die Gefahren sind keineswegs neu. Möglicherweise sind die Milchpreise heute so niedrig, wie sie nie wieder sein werden! Das Ende der globalen Milchindustrie in der heutigen Form ist physikalisch unvermeidlich.

Die Zusammenhänge von Treibhauseffekt und Klimawandel sind spätestens seit den 1960-er Jahren in politischen und wissenschaftlichen Kreisen bekannt. [7] Der Weltklimarat (IPCC) warnt seit Jahren, dass die Landwirtschaft und damit die Ernährungssicherheit durch den Klimawandel bedroht sei. [8]

Man muss kein Klimaforscher sein, um die groben Zusammenhänge zu begreifen:

  • Intensivere und längere Hitzeperioden lassen die Grundwasserspiegel sinken und verschärfen den Wassermangel in vielen Regionen der Welt.
  • Wassermangel sorgt für Dürren und Ernteausfälle.
  • Dadurch gibt es weniger Futtermittel auf dem Weltmarkt und die Preise für Futtermittel steigen.

Gleichzeitig steht die globale Tierindustrie in Nahrungskonkurrenz zum Menschen. [9] Denn: Wo Futtermais angebaut werden kann, kann auch Getreide für die menschliche Ernährung angebaut werden.

Warum also Mais und Soja an Tiere verfüttern, wenn sie - direkt verarbeitet - viel mehr Menschen satt machen könnten?

Dazu kommt, dass die globale Tierhaltung einen wesentlichen Anteil als Verursacher der Klimakrise hat. Einerseits, weil Tiere (insbesondere Wiederkäuer wie Rinder) Methangas ausstoßen, das 25x so klimawirksam ist wie CO2. [10]

Aber auch, weil die Emissionen des Futtermittelanbaus durch die Tierprodukte kumuliert werden. Auch Futtermittel werden schließlich landwirtschaftlich erzeugt - auch unter Einsatz chemisch-synthetischer Düngemittel. Dabei entsteht u.a. Lachgas (~300x so klimawirksam wie CO2 [11]).

Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis auch Tierprodukte einer Klimasteuer unterliegen. So, wie das aktuell z. B. in Neuseeland geplant wird. [12] Das Land möchte sich damit international eine Vorreiterrolle sichern. Eine kluge Entscheidung!

Die "Veredelungsverluste" sind der wichtigste Grund, warum die globale Milchindustrie keine Zukunft hat. Wer die Augen davor verschließt, wird zu den Opfern der Krisen gehören.

Leider sind die großen Agrar-Verbände in den Industrieländern bis heute der größte Feind jener Bauern, die die Fakten anerkennen und sich daran orientieren wollen.

Die Verbände mit ihren politischen Verbindungen sind es schließlich, die eine klimaverträgliche Transformation der Landwirtschaft ständig blockieren. Trotz der längst offensichtlichen Folgen der Klimakrise allein in Deutschland!

Agrar-Verbände sind es, die die Klimakrise leugnen und Wissenschaften diffamieren - statt sich für eine politische Ausstiegs-Prämie stark zu machen und ihre Mitglieder auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

Für die Milchindustrie wie für die Tierhaltung allgemein gilt mehr denn je: Wer früher aussteigt, hat bessere Chancen, sich einen Anteil im sich stark verändernden Markt der pflanzenbasierten Lebensmittel zu sichern.

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Warum Milch bald 9,37 Euro/Liter kosten könnte.
Letzter Beitrag: 30.10.2022, von Steja.

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4,4/5 Sterne (24 Bew.)
AUTOR: KILIAN DREIßIG
Vegane Lebensweise vereint Klimaschutz, Tierschutz und Lebensqualität. Gründe genug, mich als Journalist damit zu beschäftigen.

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