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"Aber es gibt doch auch glückliche Nutztiere"

Ein Hund im Käfig
Hund im Käfig: Ist Tierausnutzung prinzipiell schlecht? Bild: Christine Zenino, flickr.com (bearb.) Bildtitel: Puppy Jail :( Chatuchak Weekend Market, CC-BY

Wer schon eine Weile vegan lebt, wird feststellen, dass im Bekanntenkreis immer wieder Argumentations-Klassiker auftauchen. Einer davon ist die Aussage, dass es doch durchaus Nutztiere gebe, die ein glückliches Leben führen könnten. Meist wird ein Beispiel genannt, etwa dieses: In Spanien gibt es eine Bullenzucht, wo Tiere für Stierkämpfe gezüchtet werden. Diese Bullen könnten ein Leben lang auf einer riesigen Fläche tun und lassen was sie wollten, und hätten auch Kontakt zu Artgenossen. Die anschließende Frage lautet: Findest Du das dann auch nicht okay? Es sei schließlich eine Art "Symbiose" zwischen Mensch und Tier.
Es gibt unzählige weitere "Ausnahmefälle", wo die Tiere angeblich nicht leiden müssten.

Nun könnte man sich als Veganer diesem Argument auf eine sachliche Art widmen. Eine Symbiose zum Beispiel ist eine Lebensgemeinschaft in gegenseitigem Interesse. Der Bulle im genannten Beispiel hingegen hat zwar Auslauf, wird aber am Schluss getötet - also keine Symbiose.
Dieses Beispiel ist sicher nicht vergleichbar mit intensiver Massentierhaltung, doch Ausnutzung kann auch in leichter Form erfolgen. Der Bulle erreicht im Beispiel nur einen Bruchteil seiner ursprünglichen Lebenserwartung... und dann der Stierkampf selbst. So viel, so sachlich.

"Ausnahme"-Argument: Kein Bezug zum Alltag

Doch Sie merken es vielleicht schon: Das Argument hat mit dem Alltag nichts zu tun. Und so stellt sich die berechtigte Frage, was es mit dem Argument eigentlich auf sich hat. Wirklich nur Smalltalk?
Sicher kann man schon gutheißen, dass sich Ihr Gesprächspartner überhaupt mit dem Thema beschäftigt, schließlich verdrängen die meisten Menschen ja, woher ihr Essen kommt. Doch ist diese Aussage wirklich ein Argument? Oder dient es als Schein-Argument nur einer Schein-Debatte, um eine echte Diskussion zu vermeiden?

Es fängt schon damit an, dass man als Veganer als moralische Instanz befragt wird und damit - angesichts der Irrelevanz der Frage - fast automatisch die Rolle eines "Besserwissers" einnimmt, der für andere über "Gut" und "Schlecht" entscheiden soll. Dies auch noch rein exemplarisch und ohne Auswirkung in der Praxis. Ein Experiment am Veganer, sozusagen, in den man zur Unterhaltung ein Argument einwirft und eine Antwort bekommt.

Radikal oder inkonsequent? Beides!

"Ausnahme"-Argumentationen führen oft dazu, dass man als Veganer entweder inkonsequent oder radikal dasteht. Inkonsequent, weil man den genannten Ausnahmefall als Veganer nicht prinzipiell ablehnt, oder radikal, weil man ihn prinzipiell ablehnt. Kurzum: Es gibt hier wenig zu gewinnen. Und da ohnehin kein Bezug zum Alltag besteht, ist die Antwort eigentlich auch nicht wichtig.

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Doch wer sollte ein Interesse haben, einen als Veganer aufs Glatteis zu führen? Die Frage wird schließlich oft ganz freundlich und interessiert von Bekannten vorgetragen! Alles nur Paranoia?

Wahrscheinlich geht es meistens gar nicht darum, bewusst einen Veganer zu veräppeln. Die argumentativen Ausflüchte basieren womöglich auf der Sorge, was passieren könnte, wenn man sein eigenes Weltbild konsequent hinterfragen würde. So, wie es die meisten Veganer irgendwann einmal gemacht haben. (Die meisten Veganer haben früher schließlich ebenfalls Tierprodukte verzehrt.)
Ist das Ausnahme-Argument also ein Argument im Sinne des Karnismus?

Die Ausnahme als Ausflucht vor der prinzipiellen Erkenntnis

Es mag sein, dass der Fragesteller für sich einen "Ausweg" sucht. Vielleicht, weil der Gedanke, Konsequenzen zu treffen (z. B. vegan zu werden), für ihn so beängstigend erscheint, dass er nach einem - zumindest theoretischen - Ausweg sucht, auf dem es irgendwie doch noch akzeptabel wäre, Tiere zu nutzen, ohne seinen eigenen Prinzipien von Ethik zu widersprechen. Denn wo noch Ausnahmen existieren, so die stille Hoffnung, kann die prinzipielle Erkenntnis vermieden werden. (Prinzipielle Entscheidungen helfen uns dabei, den Alltag zu managen, da einzelne Interessensabwägungen bei der Vielzahl der Entscheidungen gar nicht möglich wären. Jeder Mensch handelt daher nach Prinzipien. Mal mehr, mal weniger gut begründet).

Wer vegan lebt, mag sich fragen, wie man vor einer solchen Lebensweise Angst haben kann - schließlich sehen viele Menschen den Vegan-Umstieg rückblickend als beste Entscheidung ihres Lebens an. Doch darum geht es hier nicht. Diffuse Ängste waren schon der Grund für unzählige Kriege und ganze Völkermorde auf der Welt. Man sollte sie also besser ernst nehmen.

Die Frage, ob man etwas als Veganer "gut" oder "schlecht" findet, mag sich zunächst wie ein Kompliment anfühlen, schließlich fühlt man sich in dieser philosophisch anmutenden Frage als Gesprächspartner ernstgenommen. Doch birgt eine Diskussion über solche Ausnahmefälle sowohl die Gefahr, Vorurteile über Dogmatismus zu bestätigen, als auch die karnistische Verdrängung zu stützen.

Wenn Sie sich nicht aufs Glatteis führen oder instrumentalisieren lassen möchten, weisen Sie einfach freundlich darauf hin, wie abstrakt das Beispiel ist und wie wenig es mit dem Alltag zu tun hat. Reden Sie (natürlich nur, wenn Sie Lust haben) stattdessen über Tierhaltung, wie sie in den meisten Fällen vorkommt - und die fast immer tödlich ist.

Veröffentlichung:

Autor: Kilian Dreißig

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