vegan270 PostsweiblichAppenzeller VorderlandLevel 2Supporter
03.06.2021Wir haben früher vegetarisch gelebt und darüber, ob da meine Tochter irgendwelche Mängel haben könnte, habe ich mir nie Gedanken gemacht. Als Vegetarier hatte ich auch nicht so sehr das Gefühl, dauernd wegen meiner Ernährung kritisiert zu werden. Angefangen mich zu informieren, habe ich mich dann vor etwas mehr als einem Jahr, als wir begonnen haben zu Hause auf vegane Ernährung umzustellen. Auswärts gab es aber vor allem für die Tochter noch Mischkost. Seit Ende 2020 leben wir nun als Familie vegan. Ich war zu Anfang sehr verunsichert, was die Kinderernährung anbelangt, weil man überall entweder hört, dass man es nicht tun soll, oder dann aber mit einem grossen „ABER“.
Während die Schweizer Ernährungsgesellschaft eine vegane Ernährung von Schwangeren, Stillenden und Kindern ablehnt und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung sie nicht empfiehlt, gibt es andere Länder, wie die USA, Portugal, Kanada, Australien oder Grossbritannien, welche die vegane Ernährung für alle Bevölkerungsgruppen empfehlen und teilweise sogar von gesundheitlichen Vorteilen. Ich finde es schon beruhigend zu sehen, dass es keine internationale Meinung der Fachleute ist, dass vegane Ernährung für diese Bevölkerungsgruppen abgelehnt wird.
Gerne möchte ich einige Informationen bezüglich der veganen Ernährung von Babys und Kleinkindern mit euch teilen, welche ich gesammelt habe und aufzeigen, wie wir das bei uns daheim handhaben. Mir ist es wichtig zu sagen, dass ich keine Ernährungsberaterin oder medizinische Fachperson bin, sondern einfach nur eine Mutter, welche sich eingelesen hat. Auch ernähren wir uns nicht so gesund, wie man das könnte, essen zum Beispiel eher etwas zu viel Salz, zu viel raffinierten Zucker und ab und zu auch Fertigprodukte. Wir sind aber alle drei gesund, normalgewichtig und unsere Blutwerte sind gut. Was ich hier schreibe, soll aber wirklich nur ein Beispiel sein und keine allgemeingültige Empfehlung. Wenn jemand noch andere Informationen hat, oder etwas, was ich hier schreibe ergänzen oder widerlegen kann, bin ich froh um einen Austausch oder eine Berichtigung. Ich möchte nicht belehren oder so, sondern schreibe das alles hier auf, weil ich mir zu Beginn einen solchen Erfahrungsbericht mit konkreten Beispielen gewünscht hätte.
Laut der Literatur ist der kritischste Nährstoff bei veganer Kinderernährung das Vitamin B12. Die Schweizer Vereinigung der Kinderärzte redet von jährlich 7 mangelernährten Kindern, welche vegan ernährt werden. Bei allen wäre das Vitamin B12 das Problem. Die Literatur und Kinderärzte raten dringend dazu dieses Vitamin zu supplementieren. Meine Tochter bekommt B12 in Form von Vitamintropfen oder Lutschtabletten, welche wir aber Vitaminbonbons nennen. Ich möchte nicht, dass sie davon ausgeht, jeden Tag Tabletten zu nehmen wäre normal(damit meine ich Medikamente, Schmerztabletten etc.). Darum differenzieren wir hier sprachlich. Sie darf die Form täglich wählen und mag beides. Gerade die Tropfen eignen sich aber durch die Darreichungsform auch für kleinere Kinder, sobald die nicht mehr voll gestillt werden.
Ein weiterer kritischer Nährstoff ist Vitamin D. Über die Herbst- und Winterzeit supplementieren wir das alle in der Familie über Tropfen, das haben wir aber schon vor unserer veganen Ernährung getan, weil unsere Problemhaut sich dadurch gebessert hat. Dieser Mangel ist auch überhaupt kein rein veganes Problem.
Jod wird auch als kritischer Nährstoff bezeichnet. Wir nutzen da jodiertes Speisesalz, das reicht bei unserer Ernährung gut aus, wobei wir wie eingangs erwähnt eher viel Salz essen (wie wohl ein sehr grosser Teil der Bevölkerung). Der durchschnittliche Deutsche nimmt im Schnitt pro Tag 10g Salz zu sich. Dadurch alleine käme er auf den Tagesbedarf an Jod. Laut neueren Studien sind erst regelmässige Tagesmengen ab 12g gesundheitsschädigend.
Auch die Omega3-Fettsäuren gelten bei veganer Kinderernährung als kritisch. Ich finde das aber eher fragwürdig. Aufgrund des Verzichtes auf tierische Produkte verbessert sich das Verhältnis von Omega3 zu Omega6 ja sowieso. Tierische Produkte, welche zur Deckung des Bedarfs an Omega3-Fettsäuren empfohlen werden, sind fetter Fisch. Ich kenne nicht viele Kinder, welche wie empfohlena einmal in der Woche fetten Fisch essen. Und ich habe auch noch nie gehört, dass man Eltern Vorwürfe bezüglich der Nährstoffe gemacht hätte, weil ihre Kinder zu wenig Fisch essen würden. Wir versuchen unseren Omega3-Säurenhaushalt zu verbessern, indem wir fast ausschliesslich Rapsöl verwenden (auch in Kuchen etc.) zudem versuche ich überall, wo es geht geschrotete Leinsamen unterzubringen. Im Brot, im Müsli, im Salatdressing etc.
In der Literatur als weniger Kritisch betrachtet wird Eisen, trotzdem ist das immer wieder ein Argument, welches man sich als vegane Eltern anhören muss. Ich achte darauf, dass meine Tochter ausreichend Haferflocken, Kerne, Nüsse und Samen isst, damit ihr Kalziumbedarf gedeckt ist. Da sie Nüsse und Kerne nicht so gerne ist, kommen diese oft gemahlen in Saucen, Müsli, Kuchen, Kekse etc.
Ein weiteres Argument ist Kalzium. Dass Kinder da aber einen besonders hohen Bedarf hätten, einige reden von einem höheren als Erwachsene ist ein Ammenmärchen und trifft nur auf Teenager zu. Bei uns ist die Hafermilch angereichert. Es gibt auch diverse Mineralwasser, welche angereichert sind.
Proteine lassen sich auch bei Kindern, wie ich finde einfach decken. Zum Beispiel über Vollkorngetreideprodukte, Kichererbsen, Linsen, Tofu etc. Irgendwas davon mag wohl jedes Kind. Unsere isst alles problemlos. Sojaschnetzel sind bei uns zum Beispiel Hackfleischersatz. Es hat zwar etwas weniger Proteine pro 100g, dafür aber auch praktisch kein Fett und viel weniger Kalorien, man kann also davon auch problemlos viel mehr essen. Das ist allgemein etwas, das ich geniesse. Die „iss erst dein Gemüse und deine Beilage, erst dann gibt es nochmal Fleisch“- Diskussion gibt es nicht mehr. Wenn sie halt noch eine Boulette will, dann bekommt sie die halt. Ob sie ihr Getreide und ihr Gemüse nämlich in Boulettenform haben will, anstatt in Beilagenform, dann ist mir das auch recht.
Vegane Kinderernährung ist vielleicht unterm Strich etwas aufwändiger, weil ein Kind halt oft nicht vernünftig ist beim Essen. Manches mag es halt nicht, auch wenn es noch so gesund wäre, aber ich finde auch da kann man dann irgendwann mal etwas von seinem Kind erwarten. Es ist für mich fast nicht vorstellbar, dass ein Kind ab einem gewissen Alter gar kein Gemüse essen will, weil es ihm nicht schmeckt. Ein Stück weit, kann man das glaube ich auch als Eltern steuern. Es gibt einige Gemüsesorten, welche meine Tochter nicht mag, aber deswegen hat sie nicht gleich einen Mangel. Bei vielen Gemüsesorten, wirkt die Aussicht auf das Obst zum Nachtisch wahre Wunder und was vor einigen Minuten noch absolut nicht essbar war, ist innerhalb weniger Minuten weggeputzt.
vegan4.873 PostsweiblichSchwarzwaldLevel 4
03.06.2021Hallo Bianca,
Du schreibst, Du gibst Deinen Kindern B12 - ich hoffe, Du nimmst es aber selber auch mit ein?
26 PostsmännlichBalingenLevel 2
04.06.2021Hallo zusammen,
Ich bin in meinen Aussagen sehr unkonkret da die Ernährung sehr individuell ist und eine Aussage über eine generelle Supplementierung nicht möglich ist.
Einig sind sich alle bei der Supplementierung von Vitamin B12. Empfehlenswert ist auch Vitamin D in den Wintermonaten und Jod und Folsäure zu supplementieren, wenn diese Nährstoffe nicht ausreichend in die Ernährung integriert werden (Jod z.B. mit Jodiertem Speisesalz und Nori-Algen). Alle weiteren Nährstoffe können durch die Ernährung gedeckt werden und eine Supplementierung macht bei einem nachgewiesenen Mangel Sinn.
Ein Nährstoffmangel kann bei allen Ernährungsformen eintreten aber tritt wahrscheinlich meistens bei Personen auf, welche sich nicht genug mit der Ernährung beschäftigen. Veganer:innen beschäftigen sich häufig sehr intensiv mit der Ernährung und haben dadurch schon eine bessere Grundlage sich ausgewogen mit allen Nährstoffen zu versorgen. In der Schwangerschaft ist man sich jedoch oft unsicher was die Nährstoffe betrifft (egal welche Ernährungsform) und man kann sich dort unterstützend ein Ernährungsberater:inn zu Hilfe holen (das soll keine Werbung für mich oder meine Gilde sein).
Da @Salma gerne genaue Angaben zu den Nährstoffen möchte sind nachstehend einige Makro- und Mikronährstoffe, welche sich in der Schwangerschaft verändern.
Die werte sind Durchschnittswerte für den Bedarf einer Frau (25-51 Jahre) pro Tag und der Bedarf in der Schwangerschaft pro Tag:
Protein (g/kg KG) 0,8 erhöht sich auf 0,9 (2. Trimester) bzw. 1,0 (3. Trimester)
Magnesium (mg) von 300 auf 310
Eisen (mg) von 15 auf 30
Zink (mg) von 7 auf 10 (ab 4. Monat)
Jod (µg) von 200 auf 230
Vitamin A (mg) von 0,8 auf 1,1 (ab 4. Monat)
Vitamin B2 (mg) von 1,1 auf 1,3 (2. Trimester) bzw. 1,4 (3. Trimester)
Vitamin B6 (mg) von 1,2 auf 1,9 (ab 4. Monat)
Folat (µg) von 300 auf 550
Vitamin C (mg) von 95 auf 105 (ab 4. Monat)
Vitamin E (mg) von 12 auf 13
In der Stillzeit ändern sich diese Werte wieder und die Ernährung muss erneut angepasst werden.
Nur als Beispiel:
Protein (g/kg KG) erhöht sich auf 1,2