26.09.2022Hallo an alle, ich hatte die letzten Tage viel zu tun, habe mich aber sehr über eure Gedanken gefreut und möchte sie nicht unbeantwortet lassen.
ItsMeLisa:
Danke für deine ausführliche Antwort. Ich habe ein paar mögliche Einwände:
"Und was du da alles beschreibst klingt sehr fantasievoll.
Denn solange Tiere eine Ware sind, steht nicht das Tier im Vordergrund, sondern seine Wirtschaftlichkeit. Sie werden nicht in hohem Alter getötet werden, denn dann ist ihr Fleisch nicht mehr zart. Und "human" (richtiges Unwort) werden sie auch nicht getötet, denn es wird immer nur der nächste Verarbeitungsschritt betrachtet und da es leichter ist in Gewebe zu schneiden, welches trocken ist, wird das Tier ausgeblutet, wozu das Tier noch am Leben sein muss, da im toten Zustand das Herz das Blut nicht mehr durch den Körper pumpt, wodurch es verdickt und klumpt."
Fantasievoll vielleicht. Oder einfach nicht der momentanen Realität entsprechend. Das heißt ja nicht, dass es unmöglich ist. Ich finde, man kann ein bisschen spekulieren und Möglichkeiten durchdenken.
Ein kontraintuitiver Punkt in diesem Szenario ist wohl, dass die nichtmenschlichen Tiere darin eben nicht nur eine Ware wären, man würde sie auf diese Weise zu ihrem eigenen Wohl halten, der Fleischverkauf würde ein Mittel sein ihnen eine angenehme Existenz zu ermöglichen (diese zu finanzieren), nicht der primäre Zweck. Durch das Gedankenexperiment soll unter die Lupe genommen werden, ob ein Szenario denkbar ist, in dem Fleischkonsum (ohne Notwendigkeit) gerechtfertigt sein kann (nicht weil ich Fleisch essen will, nur um den ethischen Boden dieser Fragen abzutasten).
Wir können auch einführen, dass es gesetzlich verboten ist, die Tiere vor einem bestimmten Alter umzubringen. Dann wäre das Fleisch etwas zäher, aber die ethische Erwägung würde vorgehen.
Selbst wenn also der Profit für den Bauern im Vordergrund stünde, könnte man sich vorstellen, dass die beschriebenen Lebensbedingungen gesetzlich durchgesetzt werden, sodass es letztlich für das Erleben der Tiere keinen Unterschied macht, ob der Bauer vorwiegend an seinen Lebensunterhalt oder an das Tierwohl denkt. Ob das nun schwierig zu verwirklichen wäre oder nicht, ist nicht die Frage auf die ich hinauswill. Mir geht es darum: W e n n es so gehandhabt werden würde, wäre es unmoralisch oder nicht?
Was das Ausbluten angeht habe ich wenig Ahnung, aber soweit ich hörte, kann man das Tier zuvor betäuben, sodass es davon im Grunde nichts oder nur sehr wenig mitbekommt?
"Wenn man der moralischen Überzeugung ist, dass das Töten von Tieren aus ehtischer Sicht nicht vertretbar ist, dann spielt die Art der Haltung und dass sie "ein angenehmes Leben vor dem Tod" hatten, keine Rolle. Du beschreibst es ja selbst als Umbringen, denn egal wie schmerzfrei es möglich wäre, ein Wesen zu töten, dass eigentlich leben will, ist ethisch betrachtet immer Mord."
Das ist ein guter Punkt, zumal du miterwähnst, dass das Wesen nicht sterben will. Obwohl auch dann das Töten nicht immer moralisch verwerlich ist, oder? ZB könnte man argumentieren, dass es legitim ist aus Notwehr zu töten, wenn man von einem Tiger oder einem Einbrecher angegriffen wird und man keine andere Möglichkeit hat. Oder wenn man in der Wildnis lebt und jagen muss. Oder bei einem Tyrannenmord.
Ich will damit nur sagen: Es ist kein unerschütterliches Prinzip und es genügt wohl nicht zu sagen: "Ein Wesen zu töten, das nicht sterben will ist i m m e r falsch."
Daher kann das als Argument nicht ganz überzeugen, man muss weitere Gründe anführen und herausarbeiten, wann es in Ordnung ist und wann nicht.
Wenn das Töten der Tiere die Bedingung für ihre Existenz ist, ist es dann unmoralisch sie zu töten?
Man könnte in Zweifel ziehen, dass sich die Frage überhaupt so stellt und ich habe selber meine Einwände dagegen, will aber eigentlich erstmal zuhören, was eure Argumente sind. Zentral scheint dabei zu sein wie lebenswert dieses Leben ist, das in letzter Konsequenz (anscheinend) durch das Töten ermöglicht wird.
Die Frage führt somit zu einer nächsten (die du hier aufwirfst):
"Warum wäre denn ihr Leben so lebenswert? Hat das Leben dieser Tiere nur dann einen Wert, wenn sie dem Menschen einen Nutzen bringen?"
Der Nutzen für den Menschen wäre in diesem Beispiel nicht der Grund, warum das Leben der Tiere lebenswert ist. Ihr Leben wäre lebenswert, weil sie Freude hätten an dem, was sie eben gerne tun (was eine Kuh, ein Schaf, ein Huhn so macht), genug zu essen und Gesellschaft hätten, geschützt wären vor Fressfeinden, behandelt werden würden, wenn sie erkrankten, auf weitläufigen Weiden leben würden und bequeme Unterkünfte für die Nacht hätten. Ich weiß nicht, ob es sinnnvoll ist, anzunehmen, dass sich ein Schaf in einem solchen Szenario wie ein Sklave fühlt. Und ob die Tatsache, dass sie irgendwann einen vergleichsweise schmerzlosen Tod sterben, ihrem Leben den Wert nimmt, finde ich auch fraglich. Wird das Leben eines Wildtiers rückblickend unlebenswert, wenn es eines Tages brutal gefressen wird?
Ich halte es nicht für abwegig, dass eine Freilandhaltung möglich ist, in der sich die Tiere wohl fühlen (und deren Leben dann ziemlich schmerz- und angstlos beendet wird). Und wieso sollte das kein lebenswertes Leben sein?
Erklärst du mir, was du mit einem unnatürlichen Tod meinst und wieso er (auf der Erlebnisebene des Tiers) prinzipiell schlimmer ist als der Tod in der Wildnis?
"Ja, sie haben Fressfeinde etc., aber ich habe schon so viele Tierdokus gesehen, wo Tiere verdeckt gefilmt wurden und auf mich wirkten sie zumindest nicht, als ob sie in permanenter Panik leben würden. Sie sind aufmerksam, aber für sie ist diese Art zu leben halt "normal". Wir wissen ja nicht mal, inwiefern sich andere Tiere ihrer Existenz bewusst sind, dass sie über ihr Leben nachdenken oder eine Angststörung entwickeln können."
In permanenter Panik nicht, aber wenn du viele Tierdokumentationen gesehen hast, wirst du auch mitbekommen haben, dass so gut wie kein wildes Tier an Altersschwäche stirbt, dass immer irgendwo etwas lauern kann, das es fressen will und es daher oft zu einem gewaltsamen Tod kommt (von Krankheiten, Parasiten, infizierten Wunden, etc garnicht zu sprechen). Die Natur ist, man weiß es, erbarmungslos. Über ihre Existenz zu reflektieren ist, denke ich, nicht notwendig, damit Tiere Angst haben und Leiden, wenn ein Gepard hinter ihnen herrennt, ein Krokodil sie ins Wasser zerrt, sie in einer Dürre verdursten, oder wenn sie sehen wie ihr Nachwuchs ein solches Schicksal ereilt. Dass es "normal" für sie ist, dämpft den Schrecken wohl nur bedingt und wenn ihnen derlei erspart bleibt, dann ist das, würde ich sagen, besser.
Man kann deinen Gedankengang auch an dich zurückgeben: Wirken Weidetiere, die ihr Gras kauen, als würden sie unter "Sklaverei" leiden?
"Auch in der freien Wildbahn ist der größte Feind der Tiere immer noch der Mensch."
Bei deinen Ausführungen zur Jagd bin ich ganz auf deiner Seite. Nur scheint mir das für die Frage irrelevant zu sein.
"Tieren zu unterstellen, dass es ihnen in ihrer natürlichen Umgebung schlechter gehen würde, als in menschlicher Gefangenschaft (egal unter welchen Bedingungen), finde ich einen seltsamen Gedankengang."
Vielleicht auf den ersten Blick seltsam, aber ist er es noch, wenn man wirklich darüber nachdenkt und die bereits genannten Dinge in Betracht zieht? Schutz, genügend und gutes Futter, Behandlung bei Krankheit, etc.
Und ob es nun "seltsam" klingt oder nicht hat, scheint mir, argumentativ kein Gewicht. Viele Dinge klingen seltsam, sind aber richtig. Die Frage bleibt: Warum ist das Leben des Wildtiers notwendig besser als das des Farmtiers?
Heinzi:
Auch dir danke für deine Anmerkungen!
"Stell Dir einfach vor:
Möchtest Du im "höheren Alter erschossen werden," also z. B. mit 50/60?"
Wäre die Frage nicht eher: Würdest du lieber niemals existieren oder ein angenehmes Leben führen, das mit 50/60 möglichst schmerzlos beendet wird? (ohne dass du im Vorhinein weißt, dass du im höheren Alter auf diese Weise sterben wirst, du würdest also nicht in Angst deswegen leben)
Vielleicht ist das auch nicht die Frage, allerdings würde ich dann gerne wissen, wieso sie sich so nicht stellt.
kilian:
Das war mir nicht bewusst, sorry!
Ich fand die Frage interessant und dachte, hier wäre eine gute Anlaufstelle.
Wollte die bisherigen Antworten jetzt aber nicht einfach so stehen lassen, ich hoffe das ist ok.
Wenn es aber zu viel wird, können wir das Ganze natürlich auch einstellen.
Salma:
Ja, ich bin vertraut mit dem Begriff.
Würdest du sagen, man ist Speziesist*in, wenn man vor die Wahl gestellt eher einen Menschen rettet als einen Grashüpfer?
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