Sind Veganer radikale Tierrechtler?
Der Respekt vor dem Leben von Tieren gehört zu den wichtigsten Gründen für eine vegane Lebensweise. Ethisch motivierter Veganismus ist eine persönliche Antwort auf die Frage, ob man als Mensch das Recht hat, Tiere bis aufs Blut auszubeuten.
Doch warum werden Veganer manchmal als „radikale Tierrechtler“ bezeichnet?
Die Entscheidung, keinerlei Tierprodukte zu verzehren, ist alles andere als radikal – sie basiert auf Mitgefühl. Die Hintergründe der Erzeugung von Tierprodukten sind seit vielen Jahren gut dokumentiert und wohl jeder Verbraucher weiß (grundsätzlich) Bescheid, wie „radikal“ Tiere für Fleisch, Milch und Eier genutzt werden. Vegan zu leben ist für viele Menschen eine persönliche, ethische Entscheidung, die sie für sich selbst treffen. Es ist die Entscheidung, zu den eigenen Werten zu stehen.
Veganismus als Antwort auf radikale Tierausbeutung
Viele Menschen könnten selbst kein Tier töten, um es anschließend zu verzehren. Sie könnten keiner Milchkuh ihr Kalb entreißen und keine männlichen Küken zerschreddern. Diese Ablehnung von Grausamkeit zeigt, dass Mitgefühl in unserer Gesellschaft tief verankert ist. Zivilisierte Gesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie das Recht des Stärkeren nicht als moralisches Recht interpretieren.
Der Kauf von Tierprodukten bedeutet jedoch nur eine Verschiebung der Quälerei auf entfernte Dienstleister – macht es aber ungleich leichter, die Hintergründe zu verdrängen. Aus ethischer Sicht macht es keinen Unterschied, ob man ein Tier selbst quält, oder quälen lässt.
Vegan: Ja oder nein? Jede Entscheidung ist „radikal“
Das Thema ist paradox: Es ist einerseits normal, Tiere nicht zu quälen und auszubeuten – andererseits gilt es als normal, Tierprodukte zu verzehren. Wie man es auch dreht oder wendet: Jede Entscheidung ist irgendwie radikal, also grundsätzlich. Nur muss man als Veganer die eigenen „Taten“ nicht weiter verdrängen und kann sich einer Diskussion offener stellen.
Einige landwirtschaftliche Interessensverbände halten denkbar wenig von einer grundsätzlichen, gesellschaftlichen Debatte über den ethischen Umgang mit Tieren. Denn die Tierproduktion widerspricht in vielen Teilen dem grundsätzlichen Werteverständnis der Gesellschaft. Was bleibt Verbänden der Tierindustrie also übrig, als die vegane Lebensweise als übertrieben und „radikal“ zu diskreditieren?
Die bauernschlaue Strategie, faktenbasierte Diskussionen konsequent zu meiden und auf reines Image-Marketing zu setzen, hilft den Verbrauchern, weiter an das Wohl der Tiere zu glauben und ihre (anerzogenen) Gewohnheiten beizubehalten. Denn welcher Verbraucher möchte schon als „radikal“ gelten?
Übrigens wird im selben Zuge oft noch auf die angebliche Gewalttätigkeit der „radikalen Tierrechtler“ hingewiesen.
Sind Veganer militante Tierrechtler?
Auch wenn es vegane Tierrechtler gibt, die Tierbefreiung oder die Zerstörung von Jägersitzen befürworten, so handelt es sich hier um Zahlen, die für die vegane Szene allgemein nicht repräsentativ sind. Die deutsche „militante“ Tierrechtsszene besteht aus schätzungsweise 500-1000 Personen (Quelle ZDF). Insgesamt leben in Deutschland derzeit ca. eine Millionen Veganer, die meisten davon ganz unideologisch. Tendenz: Stark steigend.
Sind Veganer also radikale oder gar militante Tierrechtler? Nein, meistens nicht!
Lehnen ethisch motivierte Veganer Tierhaltungen ab?
Ethisch motivierte Veganer lehnen die Tierhaltung in der Regel ab, also auch Schlachthöfe, Mastanlagen und Tiertransporte. Es ist ihr gutes Recht, beim Einkauf Entscheidungen zu treffen und jene Anbieter zu unterstützen, die den eigenen Überzeugungen entsprechen. Ähnlich wie der Bezug von Ökostrom oder der Kauf von Bekleidung aus fairer Produktion. Die Entscheidung, keine Tierprodukte zu kaufen, ist eine empatische, persönliche Entscheidung, auf die Veganer in einer Marktwirtschaft ein gutes Recht haben.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig