Tiermehl - lästiges Nebenprodukt
Problem Tiermehl
Allein in Deutschland fallen jährlich - zusätzlich zu den ca. 8 Millionen Tonnen Fleisch - etwa 2,5 Millionen Tonnen "Schlachtnebenprodukte" an. Von den verwertbaren Produkten werden in Deutschland nur relativ geringe Mengen direkt als Steak oder Schnitzel verzehrt - weitere Teile werden z. B. zu Wurst verarbeitet oder landen als Gelatine in Süßigkeiten.
Doch wohin mit den schwer verwertbaren "Abfällen"?
Tiermehl entsteht bei der "Verwertung" von Tierkörpern, Haaren, Blut und anderen Tierteilen, die vom "Abdecker" abgeholt und in Tierkörperbeseitigungsanstalten (TBA) entsorgt werden. Zu Tiermehl gemacht werden Kadaver von Tieren, die an einer ansteckenden Krankheit (auch BSE), an einer Vergiftung bzw. Kontamination mit Gefahrenstoffen oder im Tierversuchslabor umgekommen sind und für den menschlichen Verzehr nicht verwendet werden dürfen.
Fleischabfälle werden in drei Kategorien eingeteilt: Kategorie 1 bedeutet dabei höchstes Risiko.
Diese Kat-1-Abfälle, aber auch tote Tiere und Tierteile der Kategorie 2 (nicht übertragbare Krankheiten) und 3 (nicht für den menschlichen Verzehr geeignet) werden mit einem LKW abgeholt und zur TBA gebracht. Die meisten der so genannten Nebenprodukte stammen aus der Lebensmittelproduktion, also aus Massentierhaltungen und Schlachthöfen.
Tiermehl: Umstritten und schwer zu entsorgen.
In der TBA werden die Überreste Tiere unter großer Hitze und mit hohem Druck in kleine Teile zerstückelt und vermahlen. Dabei werden in den Tierkörperbeseitigungsanlagen unterschiedliche Verfahren angewendet, mechanische wie chemische.
Tiermehl gilt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen - Desinfektion, streng getrennte Arbeitsbereiche in TBA - als großer Risikofaktor bei der Entstehung und Verbreitung von Seuchen.
Auch am Ausbruch von BSE, dem "Rinderwahn", soll Tiermehl beteiligt gewesen sein. Kritiker des Verfahrens waren nicht überrascht, dass es nicht lange gut geht, einem Pflanzenfresser Mehl aus den toten Überresten seiner Artgenossen zu verfüttern.
Inzwischen darf Tiermehl nicht mehr an Rinder und Schweine verfüttert werden. Die gigantischen Mengen müssen anderweitig entsorgt werden.
Einige Verfahrensweisen gibt es bereits. So wird Tiermehl z. B. auf Äckern ausgebracht und untergepflügt, es wird als Brennstoff in der Industrie verwendet - und einige kluge Wirtschaftsköpfe denken darüber nach, Tiermehl nicht nur zum Kalkbrennen zu verwenden, sondern auch dessen Asche im Zement zu verarbeiten. Tests sollen wohl vielversprechend sein, heißt es in Branchenkreisen. So wird in Zukunft womöglich selbst beim Hausbau Tiermehl verarbeitet. Bereits heute gibt es Anbieter, die Tiermehl zu Baustoffen verarbeiten.
Tiermehl verfüttern für die Umwelt?
Nach dem Fütterungsverbot von Tiermehl wurden Stimmen laut, die kritisierten, dass von nun an größere Mengen Soja und Getreide angebaut werden müssten. Die Argumentation entsprach in diesem Beispiel ironischer Weise derjenigen von Veganern und Vegetariern, die seit Jahren auf die ökologischen Nachteile der Tierhaltung aufmerksam machen. Der Vergleich endete aber schnell - auf die Idee, dass die Tierhaltung an sich Grund für den großen Bedarf an Futtermitteln ist, kam bei den Funktionären niemand.
Tiermehl ist ein unerwünschtes Nebenprodukt der Tierindustrie. Eine günstige Entsorgung macht die Tierhaltung lukrativer und wirtschaftlicher. Aus diesem Grund gibt es in landwirtschaftlichen Lobbykreisen heute wieder starke Bemühungen, die Verfütterung von Tiermehl unter bestimmten Bedingungen zu genehmigen.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig