Dieser Allgäuer Demeter-Hof stellt auf bio-vegane Landwirtschaft um!
Im Allgäuer Alpenvorland betreibt Gerhard Rall seit 20 Jahren einen Demeter-Hof mit Milchkuhhaltung. In seinem Stall hält er eine kleine Herde von Milchkühen - und drei Kälbchen im Raum nebenan.
Doch Gerhard Rall hat jetzt genug von der Milchkuhhaltung. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin Isabella will er seinen Betrieb auf bio-vegane Anbauweise umstellen. Zukünftig wollen sie Obst und Gemüse ganz ohne tierische oder chemisch-synthetische Dünger anbauen.
Die ersten Kühe sind bereits verkauft. Ende April läuft der Vertrag mit der Molkerei aus.
Vom Demeter-Betrieb zum bio-veganen Gemüsehof
Dabei war der Demeter-Hof Rall sozusagen ein Muster-Beispiel. Die 14 Kühe durften im Sommer tagsüber auf die Weide. Sie konnten ihre Hörner behalten und erreichten mitunter ein Alter von 18 Jahren!
Kein Vergleich zu den konventionellen Milchkuh-Haltungen mit hunderten Kühen im Laufstall, die nach 5-6 Jahren getötet werden, weil ihre "Milchleistung" nachlässt.
Zukünftig bio-vegan statt Demeter
Demeter präsentiert sich als einer der strengsten Bio-Anbauverbände, ja als Vorreiter der Bio-Bewegung. Doch Tierhaltung ist bei Demeter vorgeschrieben. Selbst reine Gärtnerei-Betriebe müssen Tierprodukte zukaufen, um die Demeter-Kriterien erfüllen zu können.
Gleichwohl klagen auch Insider darüber, dass die Bedingungen bei Demeter nicht immer so perfekt seien, wie das in der Werbung kommuniziert wird. Viele ursprüngliche Ideen seien längst aufgeweicht und würden wirtschaftlichen Aspekten untergeordnet.
Zum Beispiel war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unter bestimmten Bedingungen sogar noch Anbindehaltung erlaubt. Eine Haltungsform, die man heute selbst in konventionellen Haltungen selten findet.
Für die Tiere bedeutet Anbindehaltung im Wesentlichen, dass sie einen Schritt nach vorne (zum fressen) und einen nach hinten machen können. Normalerweise sollen sie im Sommer auf die Weide. Im Winter stehen sie aber fast die ganze Zeit auf einem Platz.
Und im Allgäu sind die Winter lang.
Auch Gerhard Rall hat eine solche Demeter-Anbindehaltung. Doch damit ist Ende April Schluss. Denn dann soll der Hof bio-vegan werden!
Trennung von Mutterkuh und Kalb
Auch in Demeter-Milchbetrieben werden (wie in den konventionellen Milchbetrieben) Kühe von ihren Kälbchen getrennt. Oft sogar schon innerhalb weniger Minuten nach der Geburt.
Den Grund ist betriebswirtschaftlicher Natur:
Eine Mutterkuh entwickelt von Natur aus eine Beziehung zu ihrem Kalb. Wenn Mutter und Kalb getrennt werden, rufen sie mitunter noch tagelang nacheinander.
Die Trennung ist jedoch erforderlich, weil der Bauer die Milch ja verkaufen will. Ein Kalb, das die Milch seiner Mutter trinken möchte, tritt sozusagen in wirtschaftliche Konkurrenz mit dem Bauern.
Wenn Kalb und Mutter hingegen sofort getrennt würden, entstünde keine Beziehung und die Kälbchen würden gleich lernen, aus dem Eimer zu trinken.
Statt den Kopf nach oben zum Euter der Mutter zu wenden, trinken die Kälbchen dann aus der Gummi-Zitze. So erklärte es uns der Noch-Demeterbauer Gerhard Rall. Und der weiß, wie's läuft.
Ab Mai soll alles anders werden!
Gemüse aus bio-veganem Anbau
Dass es bio-vegane Landwirtschaft (und Veganer) überhaupt gibt, hat der Bauer Rall von seiner Freundin erfahren. Sie lebt seit vielen Jahren vegan. Vor allem, weil ihr die Tiere leid tun.
Als sich die beiden kennen lernten, stellten sie fest, dass sie trotz ihrer unterschiedlichen Hintergründe in vielen Bereichen ganz ähnlich "tickten" und viele Dinge, die gang und gäbe sind, kritisch hinterfragen. Eine Art Seelenverwandtschaft.
Gerhard Rall wollte wegen der, seiner Meinung nach, zunehmenden Aufweichung der Demeter-Standards und der kommenden Impfpflicht ohnehin aufgeben. Isabella motivierte ihn dann dazu, aus dem Demeter-Betrieb einen bio-veganen Hof zu machen. Die Grundlagen dafür sind ja bereits vorhanden.
Vielleicht als Selbstversorgerhof. Vielleicht mit einer bio-veganen Gemüse-Abokiste. Das zukünftige Bauernpaar ist offen für viele Ideen. Es ist ein echtes Herzblut-Projekt. Und man spürt ihre Vorfreude auf das, was kommt!
Bio-veganer Anbau als neues Bio-Siegel
Bio-vegane Landwirtschaftsbetriebe sind in Deutschland noch eine Rarität. In Deutschland gibt es bislang weniger als 20 Betriebe, die Obst und Gemüse zertifiziert bio-vegan erzeugen.
Doch langsam werden es mehr. Denn immer mehr Landwirte weigern sich, die Abfälle aus den Schlachthöfen auf ihren Anbauflächen zu "verklappen". Dazu gehören Dinge wie Knochen- und Blutmehl, Hörnerschrot, Tierhaare und Co.
Bio-vegane Landwirtschaft kommt ohne solche tierischen Dünger aus. Sie setzt auf Stickstoff-Kreisläufe, auf Leguminosen, Nützlinge, Komposte und pflanzliche Jauchen. Das kann tatsächlich nachhaltig funktionieren, sagte uns der Agrar-Experte Prof. Dr. Knut Schmidtke von der HTW Dresden im Video-Interview.
Inzwischen gibt es sogar ein von der internationalen Bio-Bewegung (IFOAM) anerkanntes Siegel für "biozyklisch-veganen Anbau"!
Gerhard Rall und seine Freundin Isabella wollen zunächst ein Gewächshaus aufbauen und dort Gemüse ohne tierischen Dünger erzeugen. Gurken, Tomaten, Salat. Dazu kommen Äpfel von den eigenen Apfelbäumen.
Und wenn alles passt, werden auch ein oder zwei Kühe ihren Lebensabend auf dem künftigen bio-veganen Hof genießen können. Einfach so, ohne Ausbeutung, weil das Leben so schön sein kann.
Ein spannendes Projekt, das wir gerne weiter mit Spannung verfolgen werden!
Und: Auch drei Bio-Obstbauern am Bodensee haben sich für bio-vegane Anbauweise entschieden.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig