28.01.2023
Hallo Kilian,
ja, ich als Landwirtin antworte natürlich auf diese vier "unangenehmen" Fragen.
1. Anrüsten:
Als anrüsten wird das vormelken der Kühe bezeichnet. Hier werden die ersten ca 50 ml Milch pro Zitze vom Landwirten per Hand gemolken. Diese ersten Milchstrahlen können Keime aus der Umwelt enthalten, die wir nicht in der Trinkmilch haben möchten. Zudem erkennt der Landwirt daran, ob die Kuh gesund ist. Und ja das anrüsten/ vormelken ist eine Stimulation für das Milchflusshormon Oxytocin! Oxytocin hat auch andere Funktionen, die beim melken nicht relevant sind. Durch die Stimulation wird ein Signal zum Gehirn geschickt, welches die Ausschüttung des Hormons "veranlasst". Dadurch wird die Kuh animiert den Milchfluss von den Alveolen in die Euterzisterne zu veranlassen. Von dort geht die Milch in die Zitzenzisterne und dann verlässt die Milch das Euter. Anrüsten hat nichts mit Fortpflanzung zu tun.
Und ja der Landwirt könnte der Kuh Oxytocin als Spritze verabreichen, das ist aber kontraproduktiv, da Kühe sich daran gewöhnen können und dann ohne die Spritze keine Milch mehr geben.
2. Kälber
Kälber sind in den ersten Lebenswochen auf Milch angewiesen. Hierzu kann der Landwirt die Milch der Kühe nehmen oder einen Milchaustauscher (Milchpulver). In wissenschaftlichen Versuchen hat sich gezeigt, das Milchaustauscher ernährungstechnisch auf den Nährstoff Bedarf der Kälber optimal ausgerichtet sind. Vollmilch jedoch enthält z.B. zu wenig Eisen, um das Kalb zu 100% ausreichend zu versorgen.
Bullenkälber gehen in Deutschland zu über 75% in die Bullenmast. D.h. sie werden im Alter von ca. 28 Tagen an einen Mastbetrieb verkauft und dort 18-22 Monate gemästet. Zunächst erhalten die Kälber dort weiterhin Milch und später silagen und ja auch Kraftfutter aus Getreide.
Für Kalbfleisch wird das Kalb ca 10 -12 Monate alt. Allerdings produzieren wir hier in Deutschland nur 15% unseres Bedarfs an Kalbfleisch selber (Rest ist Importfleisch). Die Produktion von Weißfleisch ist aus Tierschutzgründen in Deutschland untersagt. Deswegen ist es bei uns Rosemast. Die Helligkeit des Fleisches hat im übrigen mit der Zusammensetzung des Futters zu tun. Je weniger Struktur im Futter ist, desto heller ist das Fleisch (ungefähre Faustregel).
3.Gras und Heu
Nein unsere Kühe fressen nicht nur Gras.
Unsere Kühe erhalten eine ausgewogene Ernährung, welche zum Großteil aus Grassilage und Maissilage (60/40) besteht. Dazu erhalten sie Rapsschrot und Löschkolbensilage (Mais eigener Anbau), außerdem Mineralfutter für eine optimale Nährstoffversorgung, da Gras nicht genug Nährstoffe enthält. Kühe die besonders viel Milch geben können sich selber Kraftfutter (Getreide und Raps als Pellets) an einem Automaten abholen.
Getreide ist großteilig GVO frei und aus Deutschen Anbau (teilweise von uns selbst. Wir würden lieber das Getreide zum menschlichen Verzehr verkaufen, doch unsere Qualitäten im Getreide reichen nicht aus, da wir leider nicht genug Dünger benutzen dürfen, um unser Getreide richtig zu versorgen.
Soja setzen wir seit vielen Jahren nicht mehr ein!
4. Eiter in Kuhmilch
Nein in Kuhmilch ist kein Eiter. Eine Euterentzündung bzw Mastitis zeigt sich durch erhöhte Zellzahlen in der Milch. Zellen sind abgestorbene Zellen des Eutergewebes. In Milch (egal ob Mensch oder Tier) sind immer Zellen, da sich das Gewebe ständig erneuert. Bei einer Mastitis erneuert sich das Gewebe deutlich schneller und es können kleine Flocken in der Milch entstehen, da die abgestorbenen Zellen gerne zusammenhaften. Dies kann aussehen wie Eiter. Eine Mastitis wird im melkstand durch das Vormelken /Anrüsten erkannt und die Kuh wird dann zwar gemolken, jedoch nicht in den großen Milchtank, sondern in eine Kanne. Diese Milch wird dann entsorgt und die Kuh wird dem Tierarzt vorgestellt.
So nun war es glaube ich eine Recht ausführliche Antwort. Natürlich ist im Leben nicht immer alles schön, aber Mal eine ironische Frage: Wenn wir die Kühe so sehr ausbeuten und quälen, warum haben die Kühe keine Angst vor uns oder warum kommen sie zum kuscheln zu mir?
Und ja es gibt bestimmt auch schwarze Schafe, die wir leider noch nicht alle gefunden haben! Das ist aber nicht der Standart und wird innerhalb der Landwirte sehr kritisch gesehen und nicht toleriert.
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