Themen-Startervegan5 PostsmännlichLevel 1
Großer Widerspruch? Pflanzliche Lebensmittel und gedüngte Ackerböden.29.10.2019Mein erster Beitrag in diesem Forum, also erstmal ein herzliches "Moin moin" aus Hamburg!
Ich ernähre mich seit ca. 15 Monaten vegan bzw. "vollwertig pflanzenbasiert" (Umstellung von omnivor schnell und radikal), informiere mich bzgl. dieser Thematik seitdem ausgiebig und habe mir mittlerweile eine gute Verständnisgrundlage aufgebaut. Halbwissen reicht(e) mir nicht, um vollends hinter meiner Entscheidung stehen zu können. Die ethischen und ökologischen Aspekte sind m.E. unbestritten, bzgl. gesundheitlichen Aspekten gibt es allerdings eine Menge Diskussionspotential. Trotz des vielen Diskussionspotentials bin ich persönlich davon überzeugt, dass eine überwiegend vollwertige Pflanzenkost der Gesundheit deutlich zuträglicher ist als eine typisch westliche Ernährungsweise. Mein Fazit daraus: jeder muss im Einklag seines Wertesystems seinen Weg finden. Das aber nur zum Status quo, meine Frage ist eine andere.
Über eine Sache bin ich im Laufe meiner Recherchen gestolpert, die das Thema Veganismus unter den aktuellen landwirtschaftlichen Gegebenheiten/Praktiken zu einem gewissen Teil ad absurdum führt: die standardmäßige Düngung landwirtschaftlicher Flächen mit tierischen Produkten (z.B. Exkremente, Urin, Knochen-/Blut-/Hornmehl), auf denen dann "vegane" Lebensmittel wachsen, die wir alle verzehren. Irgendwie absurd.
Klar gibt es bio-vegane Anbauformen, die nach aktuellem Kenntnisstand aber deutlich ertragsärmer und standortabhängiger sind, als der "konventionelle Weg". Ganz objektiv betrachtet, wird es bei dieser hohen Masse an Futternmitteln für die Tierindustrie sicherlich theoretisch möglich sein, die komplette Menschheit mit bio-veganen Lebensmitteln zu versorgen, sofern denn alle Landwirte dieser Anbauform praktizieren würden.
Aber ist das nur mein Gefühl? Ist die bio-vegane Anbauform bei der mittlerweile erreichten Bevölkerungsanzahl überhaupt möglich oder kann sich nur ein geringer Anteil der Bevölkerung an dieser Anbauform ergötzen? Gibt es dazu eurerseits valide Informationen oder Erfahrungswerte? Kommt ggf. jemand aus dem landwirtschaftlichen Bereich und kann dazu ein bisschen was berichten?
Vielen Dank vorab und beste Grüße!
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Themen-Startervegan5 PostsmännlichLevel 1
29.10.2019Vorab vielen Dank für deine Antwort.
Mit "absurd" meine ich, dass wir damit hauptsächlich vegane Lebensmittel konsumieren, die bei aktuellen landwirtschaftlichen Praktiken (außer eben bio-vegan) nicht ohne einen tierischen Ursprung (in diesem Fall eben Gülle, Knochenmehl etc.) produziert werden können. Das nimmt der veganen Idee (grob gesagt Nutztier(leid)vermeidung jeglicher Art und Minimierung ökologischer Folgen) doch irgendwie den Boden unter den Füßen, oder? Klar ist das Endprodukt "vegan", also nicht vom Tier abstammend. Aber wir kämen ja meines Verständnisses nach also nicht um die Nutzung von Tieren drum rum, wenn bio-vegane Anbauformen nicht für die Lebensmittelproduktion der gesamten Weltbevölkerung praktikabel wären.
Ich frage so theoretisch, weil ich oft lese "go vegan", "würden sich alle Menschen vegan ernähren, dann wäre die Welt besser" etc. Wenn das aber praktisch gar nicht umsetzbar wäre, weil die landwirtschaftlichen Endprodukte, die wir alle konsumieren, gar nicht ohne tierische Produkte produziert werden können, dann würden wir ja von einer "Nische" reden. Soll heißen, nur ein kleiner Teil der Bevölkerung kann sich vegan ernähren (z.B. durch bio-veganen Anbau) und der Rest eben nicht, weil nicht praktisch umsetzbar.
Diese Gedanken ändert natürlich nichts an meinem Wertesystem und an der Entscheidung, mich weiterhin vegan ernähren zu wollen, aber es würde einen Teil der "veganen Idee" schon etwas ins Wanken bringen? Es würde ja eben bedeuten, dass wir theoretisch und praktisch eben doch auf Tierhaltung mit all seinen Folgen angewiesen wären, um die Weltbevölkerung ernähren zu können. Hoffe ich konnte das verständlich rüber bringen.
Beste Grüße
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30.10.2019Ich denke auch, dass es sehr wohl möglich wäre. Es wurde ja schon geschrieben, einerseits hätte man viel mehr Anbaufläche zur Verfügung und man könnte den fehlenden "Gülle"-Dünger ja durch nicht tierische ausgleichen. Selbst wenn die nicht tierischen Dünger nicht dieselbe Leistungsfähigkeit hätten, würde sich das durch die größere Fläche bestimmt mehr als ausgleichen.
Aber das alles sind ja nur Schätzwerte, weil niemand genau sagen kann, wieviel Fläche effektiv für welches Nahrungsmittel genutzt wird und wie die möglichen nicht-tierischen Dünger sich auf die angebauten Lebensmittel wirken.
vegan7.510 PostsmännlichBerlinLevel 4Team
30.10.2019Anbau ohne synthetischen Stickstoffdünger wird weniger Mengen produzieren. Das liegt einfach daran, dass die moderne Landwirtschaft auf endlichen Ressourcen wie Erdöl und Phosphor basiert und das noch nie nachhaltig war.
Wer vegan anbaut, wird weniger Mengen ernten als in der industriellen Landwirtschaft, die auf fossilen und endlichen Rohstoffen basiert. Dafür schont vegane Landwirtschaft die Böden und das Grundwasser.
Die industrielle Landwirtschaft ist physikalisch begrenzt.
Und der Gedanke, dass die Erdöl- und Phosphor-Vorräte bald aufgebraucht sind, ist für mich beängstigend. Denn die heutige, konventionelle Landwirtschaft ist zwingend davon abhängig. Sie hat keine Zukunft.
vegan1.730 PostsmännlichRom des NordensLevel 4
30.10.2019Also mir wird nicht bange wenn die Erdöl und Phosphor Vorräte aufgebraucht sind, dann wird sich einiges normalisieren. Es gibt ja auch natürliche Stickstofflieferanten wie verschiedene Kleesorten als Gründünger. Es werden nicht mehr die Unmengen geerntet, aber dafür gesündere Nahrungsmittel die durch den Wegfall der Kunstdünger nicht mehr so "aufgebläht" sind. Es wird keine Massentierhaltung mehr möglich sein weil man die Ackerflächen zum Anbau der Nahrungsmittel für die Menschen braucht. Dann wird hoffentlich die kleine bäuerliche Landwirtschaft wieder aufblühen. Zum veganen Anbau zähle ich auch das gelegentliche Düngen mit Mist, sofern dieses nur aus Stroh und den Kuhfladen von mit Gras und Getreide gefütterten Kühen besteht. Haben wir früher so gemacht, es wurde allerdings das Feld oder die Wiese nur etwa alle 3 bis 4 Jahre bescheiden gedüngt. Ich erinnere mich noch dass es angenehm war wenn wir im kalten Winter mit den Stiefeln im warmen Misthaufen standen als noch von Hand mit der Mistgabel aufgeladen wurde und dann die Füße immer schön warm waren. 🍀
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Themen-Startervegan5 PostsmännlichLevel 1
30.10.2019Erstmal vielen Dank für alle Antworten. Versteht mich bitte nicht falsch, mir fehlen bei dem Thema Anbau tatsächlich die Erfahrungswerte und mein Wissen hierzu ist eher Halbwissen, deswegen ja die theoretische Frage, um darüber ein bisschen diskutieren zu können, um aufzuklären.
Ich gebe euch allen gefühlsmäßig total Recht damit, dass wenn die komplette Menschheit wirklich bio-vegan und damit nachhaltig anbauen/produzieren würde, wir auch die komplette Menschheit damit ernähren könnten, insbesondere wenn man an den benötigten Flächenbedarf denkt, der für Futtermittel benötigt wird. Ich war mir eben nur nicht sicher, ob die bio-vegane Anbauform grundsätzlich und in diesem Umfang wie die heutige konventionelle/biologische Landwirtschaft betrieben werden könnte. Deswegen auch keine valide Quellenangabe, sind eher Informationen, die ich beiläufig gelesen habe und nicht ganz einzuordnen weiß/wusste.
"Die industrielle Landwirtschaft ist physikalisch begrenzt.": Logisch, und gleichzeitig erschreckend.
Das eingangs beschriebene Problem bleibt doch aber trotzdem bestehen, oder? Der Hauptteil an pflanzlichen Produkten, die wir heute verzehren, werden (ob biologisch oder konventionell angebaut) mit tierischen (und auch chemischen) Düngemitteln "hergestellt". Auch wenn das Endprodukt seinen "Vegan-Status" nicht verliert, empfinde ich das trotzdem als etwas absurd. Bio-vegan scheint zur aktuellen Zeit dann ja tatsächlich eher eine wachsende Nische zu sein?!