Beiträge, wie die von Steja, enttäuschen mich und machen mich echt wütend. Ich verstehe die Gedankengänge dahinter um ehrlich zu sein nicht, denn so eine Intoleranz ist für mich nicht nachempfindbar.
Ferdinand de Saussure hat in seinen sprachwissenschaftlichen Theorien davon geschrieben, dass Sprache immer im Wandel ist und diese Veränderungen über die Generationen übernommen werden, sodass die nächste diese Sprache als vorgegebene Tatsache ansieht, was sie aber nicht ist. Wer Göthes Faust auf Altdeutsch gelesen hat, weiß, dass man früher ganz anders geschrieben hat. Und selbst in den letzten 20-30 Jahren hat sich die deutsche Sprache sehr verändert und es sind neue Worte hinzugekommen und Anglizismen übermommen worden.
Davon zu reden, dass die Gleichberechtigung in der deutschen Sprache und im Alltag nichts ändern würde, zeugt von Unwissenheit. Es gab bereits einige Studien die gezeigt haben, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau sich auf eine Stelle bewirbt, bei der in der Ausschreibung nur die männliche Form gesucht wird tatsächlich geringer ist, da viele sich so nicht angesprochen fühlen. Nur, weil es dich persönlich nicht stört, dass in deinem Abschlusszeugnis die männliche Form deines Berufes steht, zählt das nicht stellvertretend für alle anderen. Generell wirken deine Texte sehr selbstbezogen und nur, weil du etwas nicht magst, es anderen verbieten zu wollen, ist antidemokratisch und intolerant. Damit zu drohen, dass nur die Afd deine Ansicht in diesem Thema vertritt und sie möglicherweise an die Macht kommen, wenn die anderen Parteien sich da nicht beugen, lässt in deine politische Gesinnung blicken. "Ich will ja keine Afd,
aber wenn die anderen
mein Deutschland abschaffen wollen, bleibt mir wohl keine Wahl."
Auch, dass du, um deinen Standpunkt zu untermauern nur eine weitere Sprache nimmst, in der es das generische Maskulinum gibt und dann so tust, als wäre das die Norm für alle Sprachen, ist ziemlich berechnend. Wie gut ist denn dein Englisch? Das ist, meiner Empfindung nach, eine der geschlechtsneutralsten und inklusivsten Sprachen. Statt geschlechtsspezifischen Artikeln gibt es nur "the". Der, die, das = the.
Hier noch ein paar direkte Zitate, die mich sehr schockiert haben:
Zitat Steja:
"Wenn ich Gendern unterstütze, fühle ich mich genauso schlecht, als wenn ich Tierleid unterstütze."
Der Versuch inklusiv zu sein und Gleichberechtigung zu schaffen ist also genau so schlimm, wie anderen aktiv Leid zuzufügen?
Zitat Steja:
"Aber was einfach nicht geht, wenn irgendwelche Klugscheißer sich hinsetzen und gewaltsam Sprache verändern und verschandeln und damit durchkommen."
Menschen die möchten, dass niemand sich von der aktuellen Sprache ausgeschlossen fühlt, sind also Klugscheißer? Wo versuchen diese Menschen denn diese Veränderungen gewaltsam durchzusetzen? Ist das wirklich das objektiv überprüfbare Narrativ? Oder ist es nicht eher die Gegenseite, die mit Gewalt und Verboten daher kommt?
Zitat Steja:
"Ich mache da jedenfalls nicht mit, helfe keinem, der gendert, lese nichts dergleichen[...]"
Du würdest jemanden nicht helfen, weil die Person einen anderen Sprachgebrauch hat als du, aber die anderen sind die Extremen?
Zitat Steja:
"Das würde irgendwann beinhalten, das die sinnvolle, schöne, richtige Art zu schreiben und zu sprechen verboten wäre. Welches Verbot ist besser. Ich kann nur sagen, wehret den Anfängen."
Wie kommt man eigentlich von der Intention, dass es schön wäre, wenn sich alle Menschen angesprochen fühlen und wir das generische Maskulinum abschaffen, da sonst fortwährend die Implikation menschlich = männlich bestehen bleibt zu "Die wollen uns die Sprache verbieten und uns mundtot machen!"? Diese Art der Argumentation kommt mir erschreckend bekannt vor von den ganzen Vegan-Debatten. "Die wollen uns das Schnitzel verbieten!". Das nennt man übrigens Strohmann-Argument.
Gendergerechte Sprache mit Faschismus gleichzusetzen und davor zu warnen, dass wir bald in einer Art Gendersprache-Diktatur leben würden, klingt auch überhaupt nicht nach etwas, was die Afd tun würde...Man sollte nicht so leichtfertig mit solchen Sätzen um sich werfen.
Zitat Steja:
"Leider sind es nicht nur ein paar Hansel, die komisch reden,[...]"; "[...]wo irgendeine gestörte Frau gesagt[...]"
Für jemanden, der die Sprache anderer kritisiert, ist dein Sprachgebrauch extrem abwertend und diskriminierend.
Zitat Steja:
"Sag mir wie viel kranken Männerhass man anhäufen kann. Wie kann eine Minderheit der Mehrheit sowas aufzwingen."
Es hat nichts mit Männerhass zu tun zu realisieren, dass wir in einem Patriarchat leben und bei einigen Frauen die Idee aufkommt, den Spieß mal umzudrehen und das generische Femininum einzuführen. Es ist keine persönliche Meinung anzuerkennen, dass wir in einer Welt leben, die seit Jahrhunderten von Männern dominiert und kontrolliert wurde. Das gilt u.A. für die Geschichte, die Sprache und die Struktur unserer Gesellschaft. Frauen wurden als Dinge behandelt, hatten keine Rechte und keine Autonomie. In einigen Ländern ist das leider bis heute so. Das geht weit über den Aspekt hinaus, dass es früher normal war, dass Berufe nur männliche Titel hatten. Frauen sind übrigens keine Minderheit, sondern gelten als benachteiligtes Geschlecht. Den Männern eine feminine Sprache "aufzuzwingen", wenn es überhaupt so wäre, würde nicht mal annähernd an die Benachteiligungen und Gräueltaten herankommen, die Frauen systematisch angetan wurden und werden. Das anzudeuten zeugt eher von Frauenhass.
Niemand ist dazu gezwungen zu gendern bzw. gendergerechte Sprache zu verwenden. Ich persönlich bin erst in meiner Studienzeit damit in Kontakt gekommen und in meinem Studiengang wurde es dann auch eingeführt, dass man dies nach den eigenen Möglichkeiten in seinen schriftlichen Arbeiten einbauen sollte. Da mich Sternchen und Schrägstriche selbst im Lesefluss stören, habe ich dann auf die neutralen (Plural-)Formen zurückgegriffen und es hat mich in keinster Weise eingeschränkt. Ja, ich habe dafür ein Online-Wörterbuch benutzt, da es immer mit Recherche und Hilfsmitteln verbunden ist, wenn man etwas Neues lernt. Aber eine "Das war schon immer so, also soll es auch so bleiben"-Einstellung hilft niemandem weiter, egal bei welchem Thema. Nur, weil man selbst von etwas nicht benachteiligt wird, bedeutet das nicht, dass das für alle gilt. Natürlich ist es eine Mammutaufgabe eine existierende Sprache so anzupassen, dass sie inklusiver ist als zuvor. Es ist also kein Wunder, dass es so viele Debatten darüber gibt, auf welche Weise man das tut, da man auch einen gewissen Konsens erreichen will.
Aber Menschen zu diskreditieren und ihnen Dinge zu unterstellen, weil sie zumindest versuchen etwas zu verbessern, wo der Großteil der Bevölkerung sich einfach mit dem Status Quo arrangiert und zufrieden gibt, ist kurzsichtig und intolerant. So ein Verhalten kennen wir hier eigentlich von Omnivoren, die vegan lebenden Menschen Verrücktheit vorwerfen und behaupten, ihnen würde etwas weggenommen werden, weil eine wachsende Gruppe Menschen das Leid nicht-menschlicher Tiere mindern will. Wo nimmt es einem etwas weg, wenn versucht wird die Sprache so zu ändern, dass Frauen und Menschen außerhalb des binären Spektrums sich ebenfalls direkt angesprochen fühlen können, nicht nur Männer?
Ich musste bei deinem Kommentar, dass du bei Jan Böhmermann direkt abschaltest, um ehrlich zu sein lachen, denn das Intro zu ZDF Magazin Royale ist für mich ein Paradebeispiel an Inklusion. Es zaubert mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich die Begrüßung "Meine Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb" höre, da dies einfach das ganze Gender-Spektrum abdeckt und ich das absolut fortschrittlich und lobenswert finde.