Hallo Kilian,
sehr wichtig, Dein Beitrag, auch der Artikel in der Süddeutschen Zeitung ist bemerkenswert!
Ich konnte jetzt meine eigenen ersten Erfahrungen machen, wie meine eigene Familie auf meinen Veganismus und den meines Mannes reagiert.
Zuerst unsere Kinder: Tochter, knapp 21, noch zuhause lebend, seit ihrem 5. Lebensjahr aus freien Stücken Vegetarierin. Sehr sozial engagiert, extrem viel ehrenamtlich unterwegs. (Durch sie lernte ich auch eine Berliner Ehrenamtlerin, 18 Jahre, kennen, die bei uns eine Woche zu Gast war, Veganerin, die letzlich den entscheidenden Impuls bei mir gab, endlich vegan zu leben). Unsere Tochter meinte neulich noch, sie sei froh, dass es immer mehr Veganer gäbe, sie sei nun mit ihrem Vegetarismus quasi normal (die Veganer, das seien nun die "ganz Bekloppten"!). Zur Abgrenzung sagt sie manchmal zu provokanten Fleischessern auf die Frage, warum sie denn keines äße: "Ich
hasse Pflanzen!"

(Dieses Argument darf man natürlich nicht in der Tiefe betrachten

!)
Unser Sohn, Allesesser (wenn er woanders ist), 18 Jahre, bezeichnet sich selbst als bisher "passiver Vegatarier" und nun würde er eben "passiver Veganer". Ihm schmeckt nach wie vor, was seine Mutter kocht (vor allem muss er es nicht selbst kochen

!)
Sein Freund klopfte mir anerkennend auf die Schulter, als er hörte, das ich nun Veganerin sei (er selbst ist aber Allesesser, erstaunlich, nicht wahr?) Seine Mutter ist allerdings Veganerin und er gibt gelegentlich gute Erfahrungen von ihr an mich weiter, obwohl ich sie nicht kenne.
Passiver Veganismus mit aktiven Zügen?
Einem meiner Brüder vertraute ich mich sehr bald an, dass ich nun vegan sei. Reaktion: Besorgnis! Pass auf, dass Du nicht krank oder zu dünn wirst! (Ich bin schlank, aber nicht untergewichtig, er ist übergewichtig und hat zahlreiche Zivilisationskrankheiten).
Gestern: Geburtstag meiner Mutter (83). Als einzige Tochter ist es meistens so, dass ich diejenige bin, die Kuchen und Abendessen mitbringt. Bislang vegetarisch, jetzt vegan. Es wurde aber verblüffend normal "reingehauen", kein Unterschied zu vorher. Zwei Familienmitglieder reagierten auf die bereits mehrfach beschriebene Weise: ablehnend, skeptisch, so, als hätte Veganismus etwas mit Fanatismus zu tun und als wolle jeder Veganer moralisieren oder würde sich generell "besser" fühlen. Unwahre oder sich widersprechende Argumente wurden ins Feld geworfen, Gegenargumente aber gar nicht erst angehört. Man wolle beim Essen nichts "Fieses" über den Umgang mit Tieren hören. Genau diese Familienmitglieder aber haben eine eher etwas unsichere Grundeinstellung zu sich selbst, was durch eine provokative bis aggressive Haltung überdeckt werden soll. Sehr offen und mit Freude Argumente für Veganismus vorbringend, die ich noch nicht kannte, reagierte aber mein Neffe, der zwar tierische Produkte isst, aber sich anscheinend schon sehr mit dem Thema beschäftigt hat.
Ich halte es für wichtig, dass kein Veganer sich versteckt, nur weil er nicht zur "Norm" gehört. Jedes Outen bringt etwas in Bewegung, bei jedem, der irgendwie darauf reagiert. Wir bewegen uns eben in unserer eigenen Geschwindigkeit und manche Früchte brauchen länger als andere, um zu reifen. Andere tun eben andere konstruktive Dinge (mehr oder weniger?!), die bei mir jetzt noch nicht an der Reihe sind.
Liebe Grüße,
Lindchen