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Freund und Feind im öffentlichen Diskurs "Tiernutzung"

Erstellt 08.06.2018, von Mokiscrofa. Kategorie: Allgemein vegan. 8 Antworten.

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Mokiscrofa
Freund und Feind im öffentlichen Diskurs "Tiernutzung"
08.06.2018
Der öffentliche Diskurs über die Tiernutzung in Deutschland wird in den Medien häufig durch zwei diametrale Positionen beschrieben. Die extremen Veganer (ich meine das nicht wertend, sondern nur eben die äußerste, einnehmbare Haltung) und die Anderen. Dass der Diskurs aber durch diverse Positionen gekennzeichnet ist, wird selten erwähnt. Dieses Dualistische Bild stärkt die Position der Massentierhaltungsindustrie, wird aber von der Gegenseite mit aufrecht erhalten.
Es ist mir ein Anliegen, die Positionen zu differenzieren und Gemeinsamkeiten zu finden, damit die Kompromissbereiten Kompromisse finden können. Im Diskurs um die Massentierhaltung sind Zwei Drittel der Deutschen Verbündete des Veganismus.(Forsa Umfrage 2017)

Menschen tendieren dazu Informationen so herauszusuchen, dass sie zu ihrer vorher feststehenden Meinung passen. Das geschieht äußerst affektiv und irrational. Das Vermeiden kognitiver Dissonanzen ist im Übrigen eine Eigenschaft die Veganer und Fleischesser teilen. Veganer haben jedoch im Unterschied zu Fleischessern ihre Einstellung zum Fleischessen bereits einmal revidiert, da sie (fast) alle mal Fleisch gegessen haben.
Ist ein Fleischesser jetzt mit seinem Fleischkonsum konfrontiert wird er Folgendes tun; er wird sich einen hypothetischen Veganer/Vegetarier konstruieren und alles daransetzen diesen zu widerlegen. (Deswegen sind auch die meisten Argumente nicht für das Fleischessen, sondern gegen den Veganismus). Die Konstruktion des hypothetischen Veganers erfolgt anhand von Sterotypen aus dem öffentlichen Diskurs. Der Fleischesser kann jetzt ganz einfach Argumente wie "in Notsituationen ist Fleischessen okay"/"unbefruchtete Eier vom glücklichen Huhn" dazu (miss-)brauchen anderer Meinung zu sein. Da er jetzt den hypothetischen Veganer "widerlegt" hat, kann er guten Gewissens weiterhin Fleisch im Supermarkt kaufen. Der extreme Veganer hat ihm also indirekt Argumente geliefert. Würde man klar zwischen veganen Positionen unterscheiden, würde dem Fleischesser dieser kognitive Trick nur noch schwer gelingen.
Daher bitte ich die Veganer, die eine extreme Position beziehen, auch in Gesprächen mit Fleischessern klar zumachen, dass die Meinungen unter Veganern divergieren. Vor allem aber, sich selbst klar zu machen, dass nicht jeder der Tierprodukte konsumieren würde in eine Kategorie gehört. Es gibt Menschen die sich zwar vegan ernähren, aber trotzdem bereit wären Tierprodukte unter gewissen Bedingungen zu konsumieren. Sie sind nur gezwungen vegan zu essen, da diese Bedingungen selten Realität sind. Von so einer Position lässt sich ein Fleischesser wesentlich leichter überzeugen, als von einer Position die den Konsum von Tierprodukten kategorisch ablehnt.
Leider ist es so, dass sowohl extreme Veganer als auch Fleischesser diesen vegan lebenden Menschen es absprechen "echte" Veganer zu sein. Und das, obwohl sie vegan konsumieren(!).

Genauso divers ist es auch unter den Fleischessern. Ein Jäger - häufig das ultimative Feindbild unter extremen Veganern - ist etwas komplett anderes als ein Tierfabrikindustrieller. Die meisten Jäger verachten die Massentierhaltung genauso wie jeder Veganer. Natülich ist es vollkommen richtig die Jagd zu kritisieren, da es leidfreiere Wege gäbe den Wildbestand zu regulieren, wenn er denn reguliert werden muss. Aber wenn die extremen Veganer den Jäger, den Tierfabrikindustriellen, den Vegetarier und den vegan lebenden relativen Veganer in eine Gruppe sortiert, dann schaden sie der öffentlichen Debatte enorm.
Der extreme Veganer ist eine Figur an dessen Aufrechterhaltung die Massentierhaltungsindustrie stark interessiert ist. Sie wollen den Streit zwischen Veganern, Jägern, Vegetariern usw. Denn solange die extremen Veganer jeden zum Feind erklären, vereinigt sich niemand gegen die Massentierhaltung.

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Biophilie
08.06.2018
Ich bekenne: ich bin eine dieser "Extremistinnen" die ethisch jegliche Nutzung/Versklavung von Tieren ablehnt.
Ich kämpfe mit allen mir möglichen Mitteln für ein Ende der Sklaverei und nicht für bessere Bedingungen innerhalb der Sklaverei.
Dennoch bin ich in der Lage zu differenzieren und zu reflektieren. Jemand, der sich vegetarisch ernährt, ist auf einem richtigen Weg. Und ich habe auch nicht vergessen, dass ich mich ebenfalls 33 auf diesem Weg befunden habe, bevor ich vegan wurde.

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Mokiscrofa
08.06.2018
Hallo Biophile,

danke für deine Antwort. Da du offensichtlich zwischen Formen der Tiernutzung differenzierst, fühle dich von meiner Bitte nicht direkt angesprochen.

Ich möchte an dieser Stelle nochmal anmerken, dass "extrem" hier nur wertfrei im Sinne der äußerst einnehmbaren Haltung gemeint ist. (So ist z.B. die komplette Ablehnung der Todesstrafe in diesem Sinne "extrem")
Konsequenter Weise müsste man als extremer Veganer, der die Tiernutzung kategorisch ablehnt, auch auf die Haltung von Haustieren verzichten. Dies stellt ebenfalls eine Form der Nutzung da.
Ich weiß aber, dass viele Veganer unter dem Begriff "Tiernutzung" nicht die Nutzung zum Spaß am Umgang mit Tieren verstehen. Zumindest kenne ich keinen Veganer der so eine Position einnimmt.
Daher will noch nochmal anmerken, dass ich mich in dem ersten Beitrag auch auf die Veganer beziehe die Haustierhaltung akzeptieren, wenn ich von "extremen Veganern" spreche. Die übrigbleibenden vegan Lebenden habe ich als "relativ" bezeichnet. Diese leben zwar vegan, würden aber unter bestimmten Bedingungen Tierprodukte konsumieren. Für diese Form des veganen Lebens ist also nicht das Fleischessen oder die Tiernutzung an sich das Problem, sondern die Tötung und das Leid.

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Biophilie
08.06.2018
Haustierhaltung lehne ich grundsätzlich auch ab. Tiere sind Personen und keine Ware und folglich auch nicht zu unserem Vergnügen auf dieser Welt.
Wenn Tiere allerdings bereits in Gefangenschaft leben und von Menschen aufgenommen werden, die sich um sie derart kümmern, dass sie ihre Bedürfnisse weitestgehend respektieren, ist das Leben mit Tieren zusammen für mich ok. Nicht aber das Züchten und der Verkauf von Tieren durch Menschen. Das heißt: das Befreien und Retten von Tieren, die in der freien Natur keine Überlebenschance hätten (Adoption oder Lebenshof). Auch dies ist für mich aber ethisch nur dann ok, wenn man diesen Tieren keine Leichenteile anderer Tiere zu essen gibt. Das ist meine persönliche ethische Position.

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Nefasu
08.06.2018
Hallo Mokiscrofa,

Chapeau!

Du hast die Thematik wirklich gut zusammengefasst :thumbup:
Ich stimme dir hier in den allermeisten Punkten zu und finde deinen Appell ausgesprochen unterstützenswert :thumbup:

MMn. werden Omnivoren und Karnisten in der veganen Bewegung viel zu häufig als Feindbilder etabliert anstatt als potentielle Verbündete im Kampfgegen die Tiernutzung ;)
Auch wenn dies durch das Trauerphasenmodell durchaus nachvollziehbar ist, dient es nicht gerade einer möglichst positiven Verbreitung der veganen Lebensweise mit alternativlosen Doktrinen unter Druck gesetzt zu werden:
Das fördert meistens kein Mitgefühl, sondern Trotz.

Für mich ist "Extremismus" praktisch immer relativ von Standpunkt zu sehen. (wie auch von dir entsprechend in Relation gesetzt)
Ich kann mir gut vorstellen, dass Abolitionismus (sprich eine Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei) vor 1800 von großen Teilen der partizipierenden Gesellschaft ebenfalls als extrem empfunden wurde, die Entwicklung aber letztendlich u.a. unter ethischen Gesichtspunkten unaufhaltbar war.
Gerade einmal 300 Jahre später sind, schätzungsweise "nur noch", 0,6% der Weltbevölkerung Sklaven;, ein klarer, unaufhaltsamer, "Trend".

Liebe Grüße von jemandem der auch gelegentlich (myoblastfreies) in-vitro-Fleisch und Muufri-Käse essen würde :D ,
Falk

16x bearbeitet

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Mokiscrofa
08.06.2018
Hi Falk,

Zitat Nefasu:

Für mich ist "Extremismus" praktisch immer relativ von Standpunkt zu sehen. (wie auch von dir entsprechend in Relation gesetzt)


So könnte man "Extremismus" natürlich gut definieren. Es stimmt natürlich, dass der Abolitionismus vor 300 Jahren "extremer" wahrgenommen wurde als heute.
Ich habe den Begriff jedoch im mathematischen Sinne und nicht im politischen Sinne gedacht. Die vollkommene Ablehnung der Sklaverei ist, unabhängig von der Gesellschaft, die äußerst (lat. exterus = "außen") einnehmbare Position. So wie Extrempunkte eines Graphen den höchst oder niedrigst möglichen Wert definieren.

Aber, wie du weißt, ging es mir ja eigentlich nicht primär darum vegane Positionen zu differenzieren, sondern viel mehr darum festzustellen, dass im Diskurs um die Tiernutzung verschiedene Positionen existieren und nicht nur zwei. Diejenigen die Tiernutzung unter gewissen Bedinungen akzeptieren, sollten nicht in einen Topf geworfen werden. (z.B. Jäger vs. Tierindustrieller)
Da sind wir ja einer Meinung.

3x bearbeitet

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Biophilie
08.06.2018
Eine kleine Korrektur, Falk, aus meiner Perspektive: nicht nur 0,6% der Weltbevölkerung sind Sklaven. Es sind sehr sehr viel mehr. Nur 0,6% der menschlichen Weltbevölkerung sind Sklaven.

Benutzerbild von kilian
vegan7.002 PostsmännlichBerlinLevel 4Team
08.06.2018
Hallo Mokiscrofa

ich finde deinen Text auch sehr lesenswert und freue mich darüber!

Viele Grüße

Kilian


Benutzerbild von Vegbudsd
vegan2.985 Postsmännlich35708 HaigerLevel 4Supporter
08.06.2018
Hallo Mokiscrofa

ich finde deinen Text auch sehr lesenswert und freue mich darüber!

Viele Grüße

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