Klima-Protest vs. Horror-Tierquälerei: Wie fair sind diese Strafen?
Es sind zwei Urteile, die unterschiedlicher nicht sein können. Der Zusammenhang liegt in der Höhe der Geldstrafen und der zeitlichen Nähe.
Doch ein Vergleich zeigt, wie unterschiedlich das Rechtsempfinden deutscher Gerichte sein kann. Ein Kommentar.
Fall 1: Extreme Tierquälerei in dutzenden Fällen. Strafe: 2.000 Euro.
Montag wurden zwei Mitarbeiter eines Regional-Schlachthofs in Bad Iburg zu einer Geldstrafe verurteilt. Grund: Extreme Tierquälerei in dutzenden nachgewiesenen Fällen.
Die Männer hatten Milchkühe mit Knochenbrüchen mit einer Seilwinde über den Boden gezogen und ihnen Elektroschocks verpasst. Die Tiere brüllten vor Schmerzen.
All das wurde mit versteckter Kamera dokumentiert, es gab keine Zweifel am Tatgeschehen. Medien sprachen von einem "Horror-Schlachthof". Hier unser News-Artikel zum Urteil.
Die beiden Mitarbeiter bekamen dafür eine Geldstrafe von 2.000 Euro.
Fall 2: Straßen-Protest. Strafe: 2.500 Euro
Ein Aktivist der Klima-Protestgruppe "Letzte Generation" hat sich in diesem Jahr an drei Blockade-Aktionen beteiligt, mit der Folge, dass Autofahrer für ca. eine halbe Stunde im Stau stehen mussten.
Dafür bekam er vom Amtsgericht einen Strafbefehl über 2.500 Euro!
Mein Eindruck: Dutzendfache, notorische Extrem-Tierquälerei zieht nicht einmal ein Berufsverbot nach sich.
Ein Aktivist jedoch, der unter hohem persönlichen Risiko für eine Sache im Allgemeininteresse protestiert hat (wenn auch mit umstrittenen Methoden), sollte 2.500 Euro zahlen.
Sind diese Urteile gerecht?
Angesichts der Hintergründe dieser Fälle wünschte ich den Klima-Aktivisten geradezu, dass sie nach Feierabend mit Richtern und Staatsanwälten und Beamten Skat spielten. Dass sie im regionalen Politik-Ortsverband im Vorstand säßen. Dass sie die ganze Klaviatur dessen beherrschten, was man so schön als "Filz" bezeichnet...
Die Urteile haben nichts miteinander zu tun und die Details und Hintergründe unterscheiden sich durchaus. Und doch könnten sie kaum exemplarischer dafür stehen, wie unterschiedlich die Prioritäten in deutschen Gerichtssälen mitunter sind.
Urteile geben keinesfalls bloß das wieder, was das Gesetz fordert.
Staatsanwälte können aktiv Zeugen vernehmen und ihrerseits Kontrollen veranlassen. Oder sie können dies unterlassen, wie im Fall Bad Iburg, wo sich die Staatsanwaltschaft lediglich auf bereits zur Verfügung gestelltes Beweismaterial gestützt haben soll. Unklar blieb dabei offenbar auch der Verbleib von bereits toten Tieren, die in der Verarbeitung gelandet sind.
Richter können Expertenmeinungen hören und diese berücksichtigen. Oder sie können dies unterlassen, wie im Fall eines "Klima-Klebers". In der Verhandlung wurde vorgeschlagen, einen Klimawissenschaftler vorzuladen, um die Frage zu klären, ob sein Protest von rechtfertigendem Notstand geschützt sei. Das wurde vom Gericht abgelehnt.
Überall gibt es Spielräume, die genutzt werden könnten. Das zeigen die beiden Fälle.
Es stimmt mich traurig, dass Tiere und Klima hier in der Vergangenheit nahezu immer den Kürzeren gezogen haben. Und jetzt schon wieder.
Wie seht ihr das? Beteiligt euch doch an der Diskussion im Forum!
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig