Nur Altruismus zählt? Warum wir diesen Glaubenssatz überdenken sollten!
In vielen Vereinen und Initiativen gibt es eine Art unausgesprochenes Dogma: Engagiere dich ausschließlich der Sache wegen. Niemals für Geld.
Eine erfolgreiche Autorin sagte mir einmal, dass sie ihre Honorare spendet, die sie mit ihren Vorträgen über Klimaschutz verdient. Es fühle sich nicht richtig an, Geld für ihr Engagement anzunehmen.
Eine Vorständin einer Organisation in Berlin erzählte, dass sie sich für 30 Stunden bezahlen lässt, aber dafür bis zu 90 arbeitet. Es wirkte wie eine Entschuldigung.
Ich kenne das Gefühl nur zu gut. Aber ich glaube, es trügt.
Vor Jahren war ich Vorstand eines Vereins. Ich habe im Biomarkt gearbeitet, um ehrenamtlich für den Verein aktiv sein zu können. Geld aus der Spendendose wollte ich nicht annehmen. Nicht einmal, um meine eigenen Kosten zu decken. Es kam mir vor, als wäre das dem Verein gegenüber unloyal. Mein Engagement sollte rein und uneigennützig sein, wie etwas Heiliges.
Das ging ein bis zwei Jahre gut - dann löste ich den Verein resigniert auf.
Langsam wuchs in mir die bittere Erkenntnis, dass ich viele Jahre lang einem falschen Glaubenssatz gefolgt war. Dem, dass "gute Arbeit" ehrenamtlich erfolgen müsse - und dass das moralisch besser wäre, als sich einstellen zu lassen.
Richtig wäre: "Gute Arbeit" hat gute Bezahlung erst recht verdient!
Und es ist ein offenes Geheimnis: Wir folgen immer einer Motivation. Wenn es kein Geld ist, dann etwas anderes, wie Anerkennung, sozialer Rückhalt oder auch die Möglichkeit, sich mit gemeinsamen Zielen zu identifizieren.
Stimmt das Verhältnis aus produktiver Arbeit und sozialer Interaktion, kann dabei viel Gutes entstehen. Doch dieses Gefüge ist fragil. Zerbricht es, kann die ganze Struktur einstürzen. So, wie bei uns.
Wer fertigt schon dreimal pro Woche nach Feierabend noch einen Report über den Erfolg der aktuellen Kampagne an, wenn es dafür weder Anerkennung noch Geld gibt? Eben! Ein, zwei Monate vielleicht, dann geht's an die Substanz.
Gerade diese regelmäßigen Fleißarbeiten können über den Erfolg einer Kampagne entscheiden, wenn sie zuverlässig und dauerhaft erledigt werden. Gerade diese Fleißarbeiten sollten nicht ignoriert werden, nur weil niemand Lust darauf hat.
Bezahlung machts möglich. Wenn die erste Phase der Begeisterung abgeflaut ist, macht man es eben, weil man dafür bezahlt wird. Die Arbeit selbst wird dadurch nicht weniger wichtig. Im Gegenteil: Nur wenn es Menschen gibt, die solche Arbeiten gegen Geld machen, werden sie überhaupt erledigt.
Ich möchte hier nicht nur eine Lanze für diejenigen brechen, die mit "guter Arbeit" gerade einmal über die Runden kommen. Menschen, die "gute Arbeit" leisten, sollten davon auch gut leben und sich persönlich ab und zu etwas Gutes tun können.
Bei Menschen, die für ein Ziel brennen, ist Geld nicht der Zweck, höchstens ein zusätzlicher Ansporn. Es ist das Öl im Getriebe. Es macht "gute Arbeit" effizienter und nachhaltiger.
Bezahlung kann dafür sorgen, dass wir besser in dem werden, was uns wirklich am Herzen liegt.
Nach einem gründlichen, bitteren Dogmen-Reset, habe ich vor knapp 11 Jahren Vegpool gegründet. Zunächst als Nebenprojekt meiner Online-Agentur, mittlerweile als Hauptprojekt, unterstützt von freien Mitarbeitern.
Ginge es mir nur ums Geld, würde ich etwas anderes tun. Doch ich kann tun, was mir wichtig ist, ohne dafür meine Gesundheit aufs Spiel zu setzen. Für ein Thema, das eine immer wichtigere Rolle spielen wird. Ich bin bereit dafür!
Schluss also mit dem Dogma, das "gute Arbeit" nicht bezahlt werden dürfte. Versuchen wir lieber, unser Herzensthema zu unserem Job zu machen und nehmen Bezahlung dankbar an. Denn sie sorgt dafür, dass wir uns noch mehr auf "unser" Thema konzentrieren können.
Veröffentlichung:
Autor: Kilian Dreißig