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Kann Omnivorismus ethisch vertretbar sein?

Erstellt 17.01.2021, von omni. Kategorie: Tierschutz & Tierrechte. Eine Antwort.

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omni
Kann Omnivorismus ethisch vertretbar sein?
17.01.2021
Hallo zusammen,

lange Zeit habe ich vegetarisch gelebt, wissend, dass dies nur ein Teilschritt auf dem Weg zu einem ethisch halbwegs vertretbaren Leben ist. Der Weg zum Veganismus als „moralisch vollkommenster Ernährung“ war für mich eigentlich klar vorgezeichnet. Denn die Logik schien einfach: Isst du nur Pflanzen, müssen keine Tiere für dich leiden und sterben.
Inzwischen glaube ich, man macht sich mit dieser Schlussfolgerung etwas vor: Dass wir leben können, ohne Tierleid zu verursachen. Aber seien wir ehrlich, das ist naiv.


Denn Leben bedeutet immer auch Konflikt:
Bauen wir eine Straße, so zerstören wir Lebensraum. Tiere und Pflanzen sterben.
Fliegen wir in den Urlaub, so schädigen wir die Biosphäre. Tiere und Pflanzen sterben, wenn auch verzögert.
Und auch, wenn wir nur ein Weizenfeld mähen, um uns durch das Getreide zu ernähren, so zerstören wir Lebensraum und töten eine Menge Tiere: Insekten, Mäuse und Kaninchen, direkt durch den Mähdrescher und indirekt durch fehlenden Lebensraum, der gleichzeitig dem Bussard einen reich gedeckten Tisch beschert.

Bevor jetzt der Shitstorm kommt: Das ist kein Argument, um die aktuelle Form der Landwirtschaft und unseren immensen Fleischkonsum zu rechtfertigen – beides ist nicht zu rechtfertigen. Aber es ist ein Argument dafür, dass das Töten und Essen von Tieren generell mit dem „Least Harm Principle“ vereinbar ist.


Wenn ich mir ein halbes Rind, das zuvor nur auf der Weide stand (und nur Gras gefressen hat!), direkt beim lokalen Erzeuger kaufe und in meine Gefriertruhe packe, dann kann ich von diesem toten Tier bestimmt ein halbes Jahr zehren. Ja, ich habe es töten lassen. Und ja, es verbraucht während der Aufzucht viele Ressourcen, aber es kultiviert Grünland und fördert so eine Lebensgrundlage für andere Tiere, die ohne die Weide und das Rind gar nicht existieren würden.
Wie viele Tiere töte ich, wenn ich mich ein halbes Jahr nur von Pflanzen ernähre? Wie viele Felder werden geerntet, wie viele exotische Früchte und Getreidearten, die gar nicht in meiner Nähe wachsen können, über lange Strecken zu mir transportiert? Ja, ich wollte nicht töten für mein Essen, aber das Resultat ist das Gleiche: Das Tier ist tot, ob ich wollte oder nicht.

Bitte versteht mich nicht falsch: Natürlich ist die vegane Ernährung der jetzigen Omnivor-Durchschnittsernährung aus ethischer und ökologischer Sicht weit überlegen. Aber heißt das, dass eine sehr bewusste omnivore Ernährung ethisch und ökologisch immer unterlegen ist? Ist die moralische Vollkommenheit, mit der der Veganismus jederzeit argumentiert, wirklich immer gerechtfertigt?

Der Konsum von Milchprodukten ist ethisch in der Tat schwer zu rechtfertigen, aber ein maßvoller Konsum von Fleisch, Fisch & Eiern (vom Wild und aus artgerechter Haltung – damit meine ich keine industriellen Bio-Betriebe, sondern Kleinbetriebe, deren Besitzer man kennt und dessen Tiere man sieht) halte ich inzwischen vor dem Hintergrund des „Prinzips der Leidminimierung“ für gangbar, gar für nachhaltiger als eine vegane Ernährung.

Denn einen weiteren Punkt sollte man nicht vergessen: Mit der Landwirtschaft versuchen wir die Kreisläufe der Natur zu imitieren – und das heißt eine Symbiose von Pflanzen und Tieren. 
Es ist Hybris, diesen Kreislauf verändern zu wollen – und ja, dies tun wir gerade in der modernen Landwirtschaft. Aber dies würden wir auch tun, wenn wir eine rein vegane Landwirtschaft ohne Nutztiere anstreben. Viele nur durch Beweidung nutzbare Flächen würden für die Nahrungsmittelgewinnung entfallen, und die verbleibenden Ackerflächen können durch wilde Tiere und Gründünger nicht so effizient mit Nährstoffen versorgt werden, um die Menschheit zu ernähren. Das würde letztlich wieder den Einsatz von synthetischen Düngemitteln bedeuten, deren ressourcenintensive Produktion die Biosphäre schädigt und damit weniger Lebewesen in der Zukunft einen Platz bietet.

Was ich letztlich sagen will: Nachhaltig leben und einen Lebensraum für möglichst viele Lebewesen bewahren zu wollen, bedeutet aus meiner Sicht anzuerkennen, dass die Nutzung und Tötung von Tieren notwendig ist. Was hierbei jedoch entscheidend ist, ist, wie wir das tun: Nicht zusammengepfercht in riesigen Ställen ohne Tageslicht, sondern respektvoll, ihre Bedürfnisse berücksichtigend. Weg von der industriellen Nahrungsmittelproduktion zurück zu einer in Kreisläufen denkenden Lebensmittelgewinnung.

Vom Vegetarismus kommend bin ich also nun wieder gedanklich beim Fleischessen angekommen. Nun möchte ich gern eure Meinung dazu hören, um meine Gedankengänge auf den Prüfstand zu stellen.

Deswegen: Was denkt ihr, kann ein bewusster Omnivorismus ethisch vertretbar sein?

Ich freue mich auf einen konstruktiven Austausch.

Benutzerbild von kilian
vegan7.002 PostsmännlichBerlinLevel 4Team
17.01.2021
Hallo,

ich schließe dieses Thema aus folgendem Grund:

Die Debatte, ob theoretisch irgendeine Haltungs- oder Tötungsform von Tieren moralisch in Ordnung sein könnte, spielt in einer Situation, in der dies praktisch nicht verfügbar ist keine relevante Rolle.

Diese Diskussion, die ja immer und wieder in Medien geführt wird, hat offenbar die Funktion, eine grundsätzliche Entscheidung auf Basis der Tatsachen zu vermeiden. Und dafür ist hier kein Platz.

Wenn für Tierprodukte praktisch immer Tiere extrem gequält werden, dann ist die Frage, ob sich Veganismus irgendwie über Ausnahmen vermeiden lässt, nicht relevant.

Dieses Forum soll Menschen dabei unterstützen, die vegan leben möchten. Offensichtliche, gute Gründe gibt es dafür genug.

Viele Grüße

Kilian

4x bearbeitet

Dieses Thema wurde geschlossen.

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