Liebe Laura,
es tut mir wirklich sehr leid, dass es Dir so schlecht geht. Aber Du bist momentan auch in einer sehr schwierigen Situation, nicht nur wegen Deines veganen Lebens.
Zum einen trennst Du Dich gerade von Deinem Freundeskreis, weil dieser in Bezug auf Studium, Berufstart usw. auseinanderströmt. Das ist zwar ein ganz normaler Teil des Lebens, tut aber dennoch weh. Du versuchst das mit dem Verstand zu regeln (Du schreibst:
"was grundsätzlich nicht schlimm für mich ist, da wir uns auch sehr unterschiedlich entwickelt haben und nun kaum mehr zusammen passen.") Aber trotzdem tut das weh. Du darfst diesen Schmerz auch durchaus zulassen und musst ihn nicht mit der Vernunft "wegdrücken". Ich erinnere mich noch sehr gut, wie es vor fast 50 Jahren war, als ich von meinem Elternhaus und damit von all meinen Freunden aus dem Ruhrgebiet nach Köln zog, um meine Buchhändlerausbildung anzufangen, und alles hinter mir lassen musste. Das tat höllisch weh, und ich habe abends auch mal die eine oder andere Träne vergossen. Später wollte ich dann studieren und zog wieder in eine andere Stadt, nach Darmstadt, und wieder verliess ich meine Freunde und guten Bekannte, hatte da aber schon meine Frau. Aber es war wieder ein Verlust.
Bei Dir kommt, wie damals auch bei mir, dass Du nun auch Dein Elternhaus verlassen wirst, um zu studieren oder zu lernen oder was auch immer. Noch eine Trennung, die sehr weh tut, zumal ich das Gefühl habe, Du fühlst Dich zuhause sehr gut aufgehoben, geborgen. Da fällt die Trennung noch schwerer.
Und in diese sowieso schon schmerzhafte Situation kommt dann auch noch dieser Surfurlaub, der meiner Meinung nach grottenschlecht organisiert worden ist, denn dass es noch nicht einmal Gemüse, Salat, Kartoffeln oder Reis für Veganer gibt, ist ein Witz. Glaub mir, das ist heutzutage nicht typisch, da haben meine Nichten und Neffen, aber auch ich selbst andere Erfahrungen.
Überhaupt möchte ich auch von GUTEN Erfahrungen erzählen: Als ich 1981 Vegetarier wurde, war meine Frau nicht dazu bereit, ebenfalls Vegetarierin zu werden. Ich habe das respektiert, denn sie war und ist der wichtigste Mensch meines Lebens. Natürlich fiel mir das nicht leicht. Und ich war glücklich, als sie nach ca. 2 Jahren sagte, sie wolle nun auch vegetarisch leben. Ich habe das nie eingefordert, auch keine "spitzen Bemerkungen" gemacht, sondern ich habe es ihr überlassen, bzw. ich wusste, dass sie sich eines Tages so entscheiden würde, wenn sie es
freiwillig darf/kann.
Vor einigen Monaten wurde ich dann (viel zu spät) Veganer, und meine Frau blieb Vegetarierin. Und was soll ich sagen? Nachdem ich ihr all die wichtigen Ersatzlebensmittel kaufe, bis hin zum veganen Feta (ihrem Lieblingskäse), isst sie ausser vielleicht 100-120 Gramm "echten" Käse pro Woche (!) nichts mehr vom Tier, ich denke, zu 95-98% lebt sie vegan. Und zwar ohne dass wir darüber je ein "überredenwollendes" Wort gesprochen haben. Es kam einfach.
Wenn wir ausser Haus essen, z.B. weil wir eingeladen sind, und der Gastgeber hat sich viel Mühe gegeben, extra für uns besonders leckere Kässpätzle zu machen (die er seltsamerweise für vegan hält
), dann essen wir die auch. Ich habe mich mein ganzes Leben lag sozial nicht selbst isoliert und das möchte ich im Alter auch nicht tun. Ich weise die Menschen aber darauf hin, dass ich Veganer geworden bin, und letztens kochte unsere Cousine, als sie uns einlud, sogar vegan.
Ich schreibe Dir das so ausführlich, um drei Dinge mitzuteilen:
Zum einen halte ich nichts davon, Menschen seine eigene Überzeugung aufzwingen zu wollen, und wenn sie der nicht folgen, sie abzulehnen. Man soll natürlich seine Überzeugung sagen, klar, das mache ich auch. Aber die Konsequenzen kann nur der Andere ziehen, und nicht ich für ihn.
Das zweite ist, dass ich immer daran denke, dass ich selbst ja auch mal omniovor gelebt habe und viele Jahrzehnte vegetarisch. Muss ich MICH darum nun hassen und mich ablehnen? Ich habe damals auch genervt auf Veganer reagiert und wollte nicht hören, was ich denen zu sagen habe. Was unterscheidet mich denn von denen, die einfach noch nicht so weit sind, sich zu ändern? Ich konnte es auch zumindest fast die ersten 30 Jahre meines Lebens nicht. Jeder Omnivor kann vegan werden, aber meiner Erfahrung nach nie durch Zwang und Druck.
Und zum dritten möchte ich durch meine Erfahrung zeigen, dass auch Lebenspartner, Ehepartner sich ändern können. Aber meine Frau hätte das NIE getan, wenn ich irgendeine Art von Zwang angewendet hätte.
Alles Gute für Dich.