Die Antworten liegen vor, von Mahi Klosterhalfen, Präsident der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt:
Wir wissen aus der Vergangenheit, dass "Ziele" nicht dasselbe wie konkrete Verpflichtungen sind. Deshalb möchte ich gerne verstehen, worin die ASS zum aktuellen Zeitpunkt ihren Erfolg sieht.
Der Erfolg ist, dass wir jetzt nicht mehr übers “Ob” der Umsetzung der Kriterien der Masthuhn-Initiative streiten, sondern gemeinsam am “Wann” und “Wie” arbeiten.
Der Umbau der Masthuhnhaltung kommt derzeit langsamer voran als von vielen gewollt, weil es an Umbaugenehmigungen fehlt. In dieser Gemengelage wollte Edeka keine Selbstverpflichtung abgeben, da Edeka es nicht in der Hand hat, bis wann eine komplette Umstellung möglich ist. Das haben wir als Argument akzeptiert.
Gibt es auch vertragliche Vereinbarungen oder Vertragsstrafen, falls Ziele nicht erreicht werden? Hat die ASS eine konkrete Möglichkeit, Ziele zu kontrollieren (und die nötige personelle Ausstattung)?
Da Edeka es nicht allein in der Hand hat, sein Masthuhnsortiment komplett umzustellen, würden Verträge und Vertragsstrafen keinen Sinn machen. Unabhängig davon haben wir weltweit noch nicht davon gehört, dass sich ein Unternehmen auf Vertragsstrafen fürs Nichterreichen von Tierschutzmeilensteinen eingelassen hätte. Umstellungen passieren trotzdem.
Die Kontrollmöglichkeit ist ähnlich wie beim Ausstieg aus dem Handel mit Käfigeiern: Man kann in den Märkten sehen, ob und wie schnell die Umstellung vorangeht. Zusätzlich melden die Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels Zahlen, die zum einen aggregiert und zum anderen von Greenpeace im Detail veröffentlicht werden. Hier werden wir nicht feststellen können, ob es bei gemeldeten 25% Umstellungsfortschritt in Wahrheit nur 22% sind, aber die grundsätzliche Plausibilität lässt sich in den Märkten überprüfen und am Ende der Umstellung wird man relativ leicht sehen können, ob 100% umgestellt wurden oder nicht.
Falls es keine konkreten Verträge gibt: Hat sich das Vertrauen in Zusicherungen von Tierhaltungsbetrieben und Supermärkten in der Vergangenheit bewährt? Bei welchen Beispielen?
Ja und nein. Ja zum Beispiel beim Ausstieg aus dem Handel mit Käfigeiern und bei der Auslistung bestimmter Produkte wie Stopfleber. Nein beim Vorhaben der meisten Supermarktketten, aus der betäubungslosen Ferkelkastration auszusteigen. Hier sehe ich aber weniger einen Vertrauensbruch, sondern mehr dass sich die Ferkelzüchter (auch politisch) mit ihrem “vierten Weg” durchgesetzt haben, der die Leiden der Ferkel kaum lindert, weil die “Schmerzausschaltung” durch die lokale Betäubung, die hierbei vorgenommen wird, völlig unzureichend ist.
Das Tierschutzgesetz wird in Deutschland in der gewerblichen Tierhaltung so gut wie nicht kontrolliert. Juristen wie Prof. Jens Bülte sprechen daher von einem Vollzugs-Defizit. Aktuell wird der Tierschutz politisch zusätzlich immer weiter zurückgefahren. Damit man Tierschutz-Siegeln vertrauen kann, muss es mindestens unabhängige Kontrollen und abschreckende Strafen geben. Keines der im 5-Punkte-Plan genannten Siegel erfüllt diese beiden Minimal-Kriterien. Ohne diese Mindestmaßnahmen müssen Verbraucher damit rechnen, dass auch Tierprodukte mit Siegel aus den schlimmsten Bedingungen kommen können. Habt ihr diese Problematik auf dem Schirm und wie geht ihr damit um?
Ja. Die Kontrollen sind generell unzureichend. Wir sehen hier zwei unterschiedliche Probleme: Zum einen sind die Standards zu niedrig, zum anderen werden die Standards oft nur zum Teil eingehalten. Aktuell setzen wir an der Erhöhung der Standards an. Dadurch werden die meisten Tiere mehr Platz bekommen, weniger qualgezüchtet sein etc., aber nicht in allen Ställen werden alle Regeln befolgt werden. Außerdem gibt es große Unterschiede darin, wie gut oder schlecht das sogenannte Stallmanagement jeweils ist. Diese Probleme müssen auch angegangen werden.
Inwiefern stellt aus Sicht der ASS die Umstellung von einem Siegel auf ein anderes eine konkrete Verbesserung für die Tiere dar?
Wenn Tiere mehr Platz bekommen, in weniger überzüchteten Körpern stecken, mehr Beschäftigungsmaterial bekommen, weniger qualvoll geschlachtet werden usw., dann reduzieren diese Schritte das Tierleid. Aber machen wir uns nichts vor: von glücklichen Tierwohl-Tieren sind wir zum einen meilenweit entfernt und zum anderen werden die Siegel-Kriterien nicht immer und nicht vollständig eingehalten. Trotzdem leiden die Tiere im Schnitt deutlich weniger, was man z.B. hier im Detail nachlesen kann:
https://welfarefootprint.org/
Zusammenfassend: Worin besteht konkret der Erfolg für die Tiere?
In einer Reduktion des Tierleids – aber leider nicht in seiner Beendigung. Wir arbeiten parallel auch in der Lebensmittelwirtschaft und in der Politik an der Reduktion der Tierzahlen, aber wer Tierleid so weit wie möglich vermeiden will, sollte sich vegan ernähren. Unsere Vegan Taste Week lädt dazu ein.
Ich freue mich über die Reaktionszeit. Inhaltlich weiß ich nicht, ob mich das überzeugt. Wie geht es euch damit?
Die Frage ist, sollte man so kleine Erfolge wirklich bewerben, oder nimmt das eher Druck aus den Segeln, der eigentlich dringend nötig wäre?