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Julius Heinrichs in der FAZ gegen vegane Fakten-Verdreher

Erstellt 30.09.2017, von kilian. Kategorie: News & Aktuelles. 6 Antworten.

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Benutzerbild von kilian
Themen-Startervegan7.002 PostsmännlichBerlinLevel 4Team
Julius Heinrichs in der FAZ gegen vegane Fakten-Verdreher
30.09.2017
Hallo,

Fake-News sind auch in veganen Kreisen immer wieder mal Thema der Diskussion. Da werden Argumente bemüht, die schlicht nicht stimmen. Studien werden zitiert und aus dem Kontext gerissen - vermeintlich im Sinne einer "guten Sache". Und darüber empört sich der Autor Julius Heinrichs in der FAZ in diesem Artikel:

http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/veggie-magazine-und-peta-luegen-fuer-den-guten-zweck-15202282.html

Ich selbst kenne die Schwierigkeiten, Artikel gründlich zu recherchieren. Denn nicht nur Veganer faken News. Es ist in der Tat nicht immer einfach, zwischen "Milch für starke Knochen" und "Milch erregt Krebs" eine Wahrheit zu finden, denn für beide gibt es "wissenschaftliche Studien" und die Fleisch- und Milchindustrie (inkl. der mehr oder weniger kritischen Medien, deren Journalisten nicht selten scheinbar nur das eigene Gefühl als Quelle nehmen) sind nicht erst seit ein paar Jahren aktiv dabei, Schein-Fakten und jede Menge Emotionalität in die Welt zu setzen. Man denke nur an die - völlig unwissenschaftlichen - Aussagen, Milch mache müde Männer munter, oder Fleisch sei ein Stück Lebenskraft.

Der Konsum von Tierprodukten ist wohl gerade deshalb so verbreitet, WEIL einfach von Seiten der Industrie und der Bauernverbände so viele Fake-News darüber verbreitet wurden und werden. Und weil Angewohnheiten als Rationalität verkauft werden, während Veganer in die Emotionalitäts-Schublade gesteckt werden. Was angesichts rational gut nachvollziehbarer Zusammenhänge einfach absurd ist.

Bestes Beispiel ist die kürzlich erschienene Studie über Depressionen und Veganer. Die wurde von einigen Autoren kurzerhand so umgedeutet, dass Veganismus Depressionen verursachen würde (und bei den seriöseren Medien wurde dies zumindest um Subtext angedeutet). Die Autoren der Studie haben dabei sogar explizit darauf hingewiesen, dass die Kausalität völlig offen sei.

Ich für meinen Teil bin daher weitgehend dazu übergegangen, bereits öfter diskutierte Folgen des Tier-Konsums zu nennen und explizit keine Studien zu nennen. Denn wer wissenschaftliche Fakten möchte, braucht nicht nur einen Verweis zu einer Studie, sondern zugleich auch noch Infos über deren Finanzierung und so weiter. Daran halten sich große Medien meistens nicht - und die PR-Abteilungen der Industrie mit all ihren Funktionären und Presse-Einladungen noch viel weniger. Vegpool hat auch nicht die Kapazität zur Studien-Analyse, daher beziehe ich mich in der Regel auf Interpretationen von Instituten wie z. B. dem IFANE. Ich halte es auch für wichtig, bei den Fakten zu bleiben und sich an journalistische Standards zu halten.

Man darf zugelich nicht vergessen, dass selbst wissenschaftliche Fakten erst interpretiert werden müssen. Eine Korrelation zwischen B12 und Krebs (wie kürzlich in einer Studie) sagt an sich ja noch nicht viel über die Ursachen und Zusammenhänge aus. Hier geht es um Interpretation - und das öffnet Tür und Tor für Fehler. Davor sind auch Medien wie die FAZ und Journalisten wie Julius Heinrichs nicht gefeit.

Insofern: Ein Artikel, der ein wichtiges Thema anspricht.

Aber leider situativ komplett unsinnig und unverantwortlich (nicht in einem zensierenden Sinn, sondern im Sinne der Selbstverantwortlichkeit), da so erneut suggeriert wird, Fleischesser befänden sich auf einer irgendwie rationaleren Seite. Also genau das, wonach Fleischesser fortwährend suchen. Der Artikel bestärkt alle Emotional-Denker in ihrem angewöhnten Verhaltensmuster. Auch wenn es sicher gut gemeint war.
Das Problem des Fakten-Verdrehens kennt man ja gerade von Fleischessern, die Veganismus verurteilen bevor sich sich damit überhaupt beschäftigt haben. Weil sich Normalität eben "rational" anfühlt.

Ein Kommentar auf der Seite sagt:
[...]Nachdem Religionen aussterben, gründen Menschen Ersatzreligionen, und eine davon ist für Viele der Veganismus. Nur macht dieser mittels Dogmen und irrationaler Behauptungen die gleichen Fehler wie oft Religionen. Ein sehr gutes Plädoyer dafür, die Welt RATIONAL zu verbessern!


Und genau das meine ich :-)
Rationalität führt mit hoher Sicherheit nach heutiger Studienlage stark Richtung vegane Lebensweise.

Wie seht Ihr das?

Viele Grüße

Kilian

5x bearbeitet

Benutzerbild von kilian
Themen-Startervegan7.002 PostsmännlichBerlinLevel 4Team
01.10.2017
...und hier mein Leserbrief an den Autor:

Hallo Herr Heinrichs,

als Betreiber von Vegpool.de, einem der größten Vegan-Portale in Deutschland, möchte ich gerne ein kurzes Feedback zu Ihrem Artikel in der FAZ senden. Ich habe tagtäglich beruflich mit dem medialen Geschehen rund um Veganismus zu tun.

Auch ich sehe immer wieder, dass auch Veganer Fakten fälschen. Ich halte das für ungut.

Zugleich ist es - wie sie als Journalist ja wissen - schwierig, wissenschaftliche Fakten zu eruieren. Studien müssen finanziert werden (von wem?), Ergebnisse interpretiert werden (wie?), und so weiter.

Nur wenige Medien (nicht nur die veganen) halten sich heute, was Studien-Interpretation betrifft, an journalistische Standards. Ein Großteil der Journalisten in Deutschland interpretiert Studien offenbar rein nach Gutdünken und Gefühl. (Siehe z. B. die kürzliche Studie über Depressionen bei vegetarischen Männern, die von einigen Journalisten kurzerhand so gedeutet wurde, dass Vegetarismus depressiv machen würde. Dabei haben Forscher ausdrücklich klar gemacht, dass die Kausalität völlig offen ist. Vielleicht neigen Depressive öfter zu Vegetarismus).

Dass Sie Ehrlichkeit auch für Veganer fordern, finde ich inhaltlich lobenswert und richtig!

Mit einem Blick auf die Hintergründe des Fleischessens, halte ich einen Artikel mit dem Aufhänger aber mindestens für reichlich naiv.

Journalisten streiten ja gerne ab, für die Wirkung ihrer Artikel verantwortlich zu sein. Nur: Es ist nicht erst nach den Ergebnissen der Bundestagswahl bekannt, wie Nachrichten die Denkweise von Menschen beeinflussen. Ganz unabhängig von den Inhalten. Insofern hat man als Journalist bei jeder Themen-Auswahl durchaus auch eine Verantwortung.

Es ist ein Unterschied, ob man die Problematik der Medien in Deutschland schildert, die mit wissenschaftlichen Studien so ihre Probleme hat. Oder ob man das ausgerechnet an den Veganern aufzieht, mit dem (nicht ganz unbekannten) Nebeneffekt, dass das völlig unnötigerweise (und mutmaßlich vor allem mit Blick auf die Diskussionsbereitschaft der veganen Online-Szene) Vorurteile bedient.

Mit Ihrem Artikel haben Sie sich daher höchstens Besserwisser-Lorbeeren verdient.

Beste Grüße

Kilian Dreißig


Viele Grüße!

Kein Benutzerbild
Kerstin
01.10.2017
Dein Leserbrief ist dir sehr gut gelungen :thumbup:
Als ich gestern diesen "Artikel" gelesen hatte, war ich schon gleich wieder auf 180. Ein gefundenes Fressen für alle nicht zu Überzeugenden. Das du ihm auf diese äußerst anständige Weise schreibst ist mMn sehr vernünftig, auch wenn ich nicht daran glaube,dass er seinen Artikel nochmal nachrecherchiert und richtig stellt. Aber es setzt ihm ein Zeichen und vielleicht bewirkt es was für künftige Artikel dieser Art.

Benutzerbild von boherdeel
vegetarisch25 Postsweiblich9213 SchweizLevel 2
01.10.2017
Super Leserbrief Kilian! :thumbup: :thumbup: :thumbup:

Benutzerbild von Skadoosh80
vegan72 Postsmännlich94505 BernriedLevel 2
01.10.2017
Klasse!

Naja ich sags ja die ganze Zeit schon, der Wind wird rauher werden. Sie werden immer mehr Fakten verdrehen (wie bei B12 usw.) je mehr Leute ihre Essgewohnheiten überdenken und ändern. Man hat eben eine uralte Milliarden-Dollar-Industrie als Gegner, die so einfach nicht aufgeben werden. :rolleyes:

Am Ende kann man jede Studie so und so hindrehen, wie man will und wenn man gut ist. Ist zumindest meine Erfahrung. Ich denke man muss schon sehr geschickt vorgehen, wenn man dies als eigenen Vorteil nutzen möchte.

Kein Benutzerbild
1 PostsLevel 1
01.10.2017
Danke für den super Leserbrief!
Ich habe mich gestern auch mega geärgert beim Lesen des Artikels einer Zeitung, die man ja sonst noch für so halbwegs seriös gehalten hat...
Da die meisten Leute ja nur noch die Überschrift und die ersten Sätze eines Artikels lesen, halte ich den Artikel - gerade von einem Vegetarier - für ziemlich schädlich, da wieder ein gefundenes Fressen für alle Vegan-Basher. :-(

Benutzerbild von Ravena
vegan32 PostsweiblichRuhrgebietLevel 2
02.10.2017
Ich finde den Leserbrief auch sehr gelungen, vielen Dank dafür!
Gerade weil der Ton des Artikels meinem Empfinden nach etwas "fragwürdig" ist, finde ich die sehr höflich-sachliche Entgegnung wichtig!

Wäre ich jetzt überzeugter Fleischesser... ich würde mich bestätigt fühlen, wenn ich so einen Artikel lese...
Keine Studie ohne Gegenstudie.. daher kann ich Kilians Argumentation völlig nachvollziehen. In dem Artikel fühle ich mich aber von einer allgemeinen Oberflächlichkeit angebrüllt... Schade, denn zu dem Thema gibt es sicher viel wirklich Interessantes zu sagen.

lg
Ravena

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