Hallo,
auf einem Ausflug ist mir neulich dieses Schild aufgefallen.
Nicht alles daran ist schlecht (z. B. ist es ja ehrlicher (wenn auch nicht tierfreundlicher), ein Tier selbst zu töten als es anonym töten zu lassen) - aber vieles ist auch klassisches Jäger-Latein und weit von den Fakten entfernt.
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Zitat Schild im Forst:
Ein bisschen traurig ist es schon, wenn viele Menschen heute die Jagd als grausames Geschäft missverstehen. Es ist ja nicht so, dass ein Rehrücken auf dem Teller ursprünglich aus der Kühltruhe kommt. Zuvor hat er einem lebendigen Tier gehört. Na, dann essen wir doch einfach keine Tiere mehr! Ja gut, aber was machen wir mit dem Wild, das unsere Wälder kahlzufressen droht? Oft ist der Grund, dass wir uns heute an Wäldern erfreuen können, die Jagd. Adelige sahen Jagen als edles "Waidwerk", das ihnen vorbehalten bleiben sollte. Daher stellten sie riesige Wälder als Jagdreviere unter Schutz. Sonst wären sie und mit ihnen das Wild darin Acker-, Weide- und Bauland geopfert worden. Heute roden wir in den Tropen Urwälder, um Weiden für Hamburger auf vier Beinen zu schaffen. Würden die großen Urwälder von besorgten Jägern geschützt, müssten wir uns vor ihrer Abholzung und damit auch vor Entwicklungen wie dem Klimawandel weniger fürchten.
Beim Abschreiben hatte ich das Gefühl, dass der Text unter Alkoholeinfluss entstanden ist.
Das soll mich natürlich nicht davon abhalten, die enthaltenen Argumente und Pseudoargumente zu untersuchen.
[...]die Jagd als grausames Geschäft missverstehen[...]
Jagd ist meistens kein Geschäft sondern ein Hobby. Jäger
bezahlen, um auf einem Gebiet jagen zu dürfen. Es ist ein Hobby, das sich vor allem durch alkoholreiche Geselligkeit, Kameradschaft und Bräuche auszeichnet. Und natürlich viel mit klischeehafter "Männlichkeit".
Die wenigsten Jäger sind Berufsjäger (und die Berufsjäger sind oft auch für allgemeine Waldpflege (die nix mit Schießen zu tun hat) zuständig. Oder andersherum: Als
Förster pflegt man den Wald und muss in der Regel einen Jagdschein haben. Jäger sind in der Regel keine Förster).
[...]aber was machen wir mit dem Wild, das unsere Wälder kahlzufressen droht?
Suggestivfrage. Es wird damit behauptet, dass das Wild die Wälder kahlfressen würde.
Tut es aber nicht - hat es nämlich in den vielen Jahrtausenden, bevor der Jagddruck entstand, auch nicht.
Ich bin zwar kein Experte für die Fauna des Waldes, aber nach meinem Kenntnisstand sind Rehe (denen ja vor allem der "Verbiss" an den jungen Bäumen angelastet wird) gar keine typischen Waldtiere, sondern leben natürlicherweise eher auf Lichtungen und Waldrändern. Erst durch den Jagddruck wurden sie in die Wälder verdrängt. Oder anders gesagt: Jagd fördert den Verbiss an Bäumen.
Im Übrigen handelt es sich bei den deutschen "Wäldern" meistens um Forste. Echte Wälder gibt es in Deutschland kaum noch.
[...]Oft ist der Grund, dass wir uns heute an Wäldern erfreuen können, die Jagd[...]
Die Bedeutung scheint zu sein: Wer die kahlfressenden Tiere tötet, schützt die Wälder. Tatsache ist aber auch: Es gibt trotz Jagd kaum noch echte Wälder. Tatsache ist zudem, dass sich die Jäger(-Verbände) vor wenigen Jahren heftig gegen ein drohendes Verbot von Blei-Munition gewehrt haben. Wer Blei in den Wäldern haben will, ist für mich als Waldschützer komplett unglaubwürdig. Blei verseucht die Böden und reichert sich übrigens auch im - als "natürlich" angepriesenen - Wildfleisch an.
Dazu kommt: Wenn gejagt wird, sind die Wälder gesperrt. Und oft führen sich die Jäger gegenüber Joggern, Wanderern, Gassigehern usw wie die "Machos der Wälder" auf.
Adelige sahen Jagen als edles "Waidwerk", das ihnen vorbehalten bleiben sollte. Daher stellten sie riesige Wälder als Jagdreviere unter Schutz.
Weil es als privilegiertes Hobby galt und gesellschaftlicher Anlass war, Tiere abzuknallen. Und das ist es weitgehend auch heute noch.
Übrigens werden oft auch Tiere importiert und ausgesetzt. Fasane, Wildschweine usw... auch heute noch.
Ich war vor Jahren beobachtend bei einer Treibjagd, bei der in Süddeutschland auf Wildschweine Jagd gemacht wurde, die dafür extra aus Ungarn hergefahren wurden. Die Tiere kannten nicht einmal den Forst - aber die Jäger rühmen sich mit Naturschutz und Jäger-Ehre usw.. Ich hatte öfter mit Jägern gesprochen und versucht, zu ergründen, was sie eigentlich wirklich antreibt... man hört immer dasselbe Geplapper... dass man als "Städter" ja sowieso keine Ahnung hätte. Inhaltlich tiefer als dieses Schild wird's aber nicht.
Auf mehreren Jagdmessen war ich ebenfalls vor Ort. Dutzende Jagd-Safaris in ferne Länder wurden dort angeboten, wo Jäger "exotische" Tiere abknallen können. Diese werden übrigens ebenfalls oft in speziellen Zuchten gezüchtet und dann ausgesetzt. Damit auch der tatterigste Jäger noch ein Erfolgserlebnis haben kann... Sofern er die nötigen Moneten hat. Mit Naturschutz hatte Jagd noch nie zu tun.
Mein Fazit: Jagd ist ein grausames Hobby. Und das ist traurig.
Wer hat Lust, weiteres Jäger-Latein zu entlarven?
Viele Grüße
Kilian